Smart Traffic & Mobility Stromticket – vom E-Ticket lernen

Stromticket per Smartphone-App: Ähnlich wie beim Online-Banking lässt sich der Ladepunkt per TAN freischalten.

Bild: Enso
11.09.2014

Im öffentlichen Personennahverkehr sind E-Tickets längst Alltag. In Sachsen macht man sich dieses Wissen nun für öffentliche Ladestationen für Elektroautos zunutze.

2010 wurden die Modellregionen Elektromobilität von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Ziel ist es, im Rahmen von Modellprojekten die Verbreitung der E-Mobilität zu befördern und den Aufbau einer Infrastruktur im öffentlichen Raum voranzubringen. Ende 2012 wurden als anschließendes und ergänzendes Förderprogramm zusätzlich die sogenannten Schaufenster Elektromobilität gestartet. Sie verstehen sich als Erprobungsraum und Versuchslabor, um E-Mobilität erfahrbar zu machen. So ist es wichtig, ein Feedback im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Nutzerakzeptanz von Ladeinfrastruktur aus breiten Teilen der Gesellschaft zu bekommen. Nur so kann E-Mobilität in Deutschland zukunftsfähig gestaltet werden.

Mit diesem Ansatz ist auch Enso Netz 2011 im Rahmen des Forschungsprojektes „SaxMobility II“ zusammen mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Energiebranche gestartet. Schwerpunkt war die gemeinsame Entwicklung eines Zugangs- und Abrechnungssystems für Ladeinfrastruktur, welches mit mobilen Endgeräten funktioniert und gleichzeitig auch eine Verknüpfung zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) darstellt. Schon 2010 konnten Kunden der großen sächsischen Verkehrsverbünde E-Tickets erwerben. Obwohl Verkehrsbetriebe über ein dichtes Ticket-Vertriebsnetz verfügen und dieses sich durch eine hohe Kundenakzeptanz und einfache Zugangswege auszeichnet, war aus Kundensicht die Verfügbarkeit der Verkaufsterminals (Zeit/Ort/Zahlweise) eingeschränkt, die Bedienung für unerfahrene Nutzer schwierig und ein unmittelbarer Zugriff zum Ticket bei Bedarf oftmals nicht möglich.

Abhilfe sollte das E-Ticket bringen. Dabei standen folgende Ziele im Vordergrund: Es sollte ein orts- und zeitunabhängiger Ticketvertrieb möglich sein, der bargeldlos, ständig verfügbar und über einen einfachen Kundenzugang erreichbar ist. Die sächsischen ÖPNV-Betriebe setzten dabei auf die damals noch jungen Smartphones. Vergleicht man die E-Ticket-Ziele des ÖPNV mit den Prämissen, die an einen Zugang zur öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektromobilität gestellt werden, ergibt sich ein hohes Maß an Übereinstimmung. Heute verkaufen allein die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) mehr als 8000 E-Tickets im Monat. Damit ist das E-Ticket bei den Kunden des ÖPNV als etabliert anzusehen.

Das Smartphone als Verkaufsterminal

Die Einführung der Elektromobilität benötigt neben den Elektrofahrzeugen auch eine komfortable und sichere Lade­infrastruktur. Dies gilt nicht nur für den öffentlichen Bereich, sondern auch für die Lademöglichkeiten im Eigenheim oder auf dem Firmengelände. Entscheidend hierbei ist, dass nicht nur in der Phase des Markthochlaufes bis 2020, sondern auch noch lange Zeit danach, in der sich anschließenden Volumenphase, das Stromtanken zu 80 Prozent zu Hause oder am Flotten-/Firmenstandort, also im privaten Bereich, stattfinden wird. Die verbleibenden, bestenfalls 20 Prozent der Tankvorgänge bleiben dem öffentlichen Bereich vorbehalten.

Für die Entwicklung des Stromtickets ist damit eine erste Bedingung festgelegt: Das Zugangs- und Abrechnungssystem soll sich besonders an Spontan-Nutzer zum Stromtanken im öffentlichen oder halböffentlichen Bereich richten. Im ÖPNV sind das die klassischen, ebenfalls ad hoc motivierten Fahrscheinkäufer, für die Verkaufsterminals vorgehalten und E-Tickets über Smartphone-Applikationen angeboten werden. Für die E-Mobilität eignet sich das Smartphone weiterhin, um zusätzliche Informationen zur Ladeinfrastruktur auf mobilem Wege zu erhalten wie genauer Standort, Parkmöglichkeiten/-kosten und Tarife. Auch Statusmeldungen der Ladestationen (frei/belegt) können visualisiert werden. Mobil über eine Smartphone-App oder zu Hause im Web registriert sich der Ladestationsnutzer bei einem Ticketportal wie zum Beispiel HandyTicket Deutschland oder easy.Go. Er richtet hier sein persönliches Nutzerkonto ein und wählt seinen gewünschten Zahlungskanal aus. Der Nutzer hat damit alle Voraussetzungen erfüllt, um an allen teilnehmenden Stromticket-Ladestationen zu tanken.

Stromticket an der Ladestation einlösen

Über die zentrale Webseite www.stromticket.de kann der Nutzer vorab weitere Informationen einholen, zum Beispiel welche Ladestationen Stromticket-fähig sind. Vor Ort an der Ladestation erfolgt der Ticketerwerb über folgenden Dialog: Der Nutzer wird zuerst aufgefordert, sein Ladekabel an einem freien Ladepunkt anzuschließen. Danach erscheint auf einem Touchdisplay eine zeitbasierte Tarifauswahl. Hat der Nutzer seinen passenden Zeittarif ausgewählt, erscheint auf dem Display eine Anforderungsnummer, die der Nutzer per Smartphone an das Ticketportal versendet. Die Anforderungsnummer enthält kryptographisch verschlüsselt die Ladepunkt-ID (EVSE-ID), die Tarifkennung sowie die koordinierte Weltzeit.

Über das Ticketportal, das ebenfalls das kryptographische Verschlüsselungsverfahren anwendet, wird der Nutzer auf Basis der mitgesendeten Mobilfunknummer authentifiziert. Dem Nutzer wird daraufhin auf seinem Smartphone eine Bestellübersicht angezeigt, und er kann den gebuchten Tarif mit „Kaufen“ bestätigen. Er erhält dann eine Transaktionsnummer (TAN), die er über das Touchdisplay der Ladestation einlöst. Damit beginnt der Ladevorgang. Der Verkaufsprozess wird über einen Finanzdienstleister abgewickelt, mit dem der Ladestationsbetreiber in einer Vertragsbeziehung steht. Den zur kryptographischen Verschlüsselung notwendigen TAN-Generator gibt es als Embedded-Software, die sich flexibel in ein umgebendes technisches System (Ladestation) integrieren lässt. Damit sind auch die Grundlagen geschaffen, dieses System mandantenfähig zu gestalten, während der Nutzer nur einen Zugangskanal wählt.

Alleine in Sachsen gibt es zum Beispiel neben den regionalen Versorgungsunternehmen mehr als 20 Stadtwerke und damit auch mehr als 20 potenzielle Ladestationsbetreiber. Stromticket bietet hier eine aus dem ÖPNV bekannte Betreiberlösung, die einen barrierefreien Zugang, auch im Parallelbetrieb zu anderen Systemen, ermöglicht. Eine Kommunikationsanbindung zur Ladestation ist mit Anwendung des zuvor beschriebenen Verschlüsselungsverfahrens nicht notwendig.

Ausblick

Die Standardisierung in der Elektromobilität ist ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzung am Markt. Vereinheitlichte Protokolle, wie zum Beispiel das Open Charge Point Protocol (OCPP), werden europaweit Anwendung finden. Von solchen Entwicklungen kann auch das Stromticket profitieren, da der Zugang noch einfacher gestaltet werden kann, während die Systemmechanismen, die im Hintergrund ablaufen (IT-Plattform, Finanzdienstleistung), weiterhin genutzt werden können.

Künftig wird es reichen, etwa einen QR-Code am freien Lade­punkt der Ladestation zu scannen, auf dem Smartphone den gewünschten Tarif inklusive Parkzeit und gegebenenfalls ÖPNV-Ticket auszuwählen. Der Ladepunkt kann dann per Kommunikationsanbindung und Remote-Zugriff freigeschaltet werden. Das E-Ticket samt ÖPNV-Nutzung erhält man zeitgleich auf das Smartphone. Damit können auch Nutzer anderer Ladenetzwerke die Stromticket-Ladestationen nutzen. In diesem Falle würde der Stromticket-Kauf direkt über den Mobilfunkvertrag (Provider-Payment) abgewickelt werden.

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