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Kombination aus Haltbar- und Frischmilch Studentin entwickelt neue Milchsorte

Die neue Milchvariante soll sowohl nährstoffreich als auch lange haltbar sein. Damit könnte sie aktuell erhältlichen Sorten am Markt den Rang streitig machen.

Bild: iStock, DirkRietschel
23.07.2020

Mit über 70 Prozent Marktanteil ist die H-Milch die Lieblingsmilch der Deutschen. Doch die Ultrahocherhitzung hat auch Nachteile, etwa den Verlust an Nährstoffen und die energieintensive Herstellung. Die Studentin Elena Kohler entwickelt im Rahmen ihrer Masterarbeit deshalb eine Sorte, die die Vorteile von H- und Frischmilch vereint.

Die Beliebtheit der H-Milch dürfte sich vor allem auf ihre monatelange Lagerfähigkeit bei Raumtemperatur zurückführen lassen. Diese Haltbarkeit erreicht sie durch kurzzeitiges Erhitzen bei der Herstellung, auf Temperaturen von 135 bis 140 °C, die Mikroorganismen und Enzyme abtöten beziehungsweise inaktivieren.

Mit dieser Ultrahocherhitzung gehen allerdings ein gewisser Kochgeschmack sowie ein Verlust an Nährstoffen, wie beispielsweise Vitaminen, einher. Um die nötigen Temperaturen zu erreichen, muss außerdem viel Energie aufgewendet werden, die meistens aus fossilen Brennstoffen stammt.

Die Studentin Elena Kohler will den Milch-Herstellungsprozess energieeffizienter machen, während sie die Vorteile der H-Milch mit denen der Frischmilch kombiniert. Für ihr Konzept erhielt sie am 22. Juli den „Bioeconomy Award“ der Universität Hohenheim. Die Jury lobte den interdisziplinären Ansatz, durch den gezeigt werde, wie die Lebensmitteltechnologie einen Beitrag zur nachhaltigen Bioökonomie leisten kann.

Nährstoffreich und lange haltbar

Bei Raumtemperatur lagerfähig, frischer Geschmack und hoher Nährstoffgehalt: Diese Eigenschaften soll die neue Milchsorte von Kohler vereinen. Doch nicht nur das: „Das angestrebte Produkt soll konventioneller H-Milch nicht nur geschmacklich und ernährungsphysiologisch überlegen sein. Mein Ziel ist auch ein Herstellungsprozess, der wesentlich energieeffizienter und damit auch ökologisch dem herkömmlichen Prozess überlegen ist“, erklärt die Studentin.

Dazu wird die Milch in einem neuartigen Verfahren in zwei Fraktionen aufgeteilt: eine Casein-Phase, die neben den unerwünschten Mikroorganismen vor allem hitzestabiles Milchprotein enthält, und eine Molkenprotein-Phase, in der sich auch die hitzeempfindlichen Vitamine befinden.

Auf diese Weise lassen sich die beiden Phasen getrennt voneinander und den jeweiligen Inhaltsstoffen entsprechend erhitzen. Qualitätsmindernde Substanzen, wie Mikroorganismen und Enzyme, werden in der Casein-Phase durch hohe Temperaturen unschädlich gemacht. Die Molkenprotein-Phase hingegen wird nur kurzzeitig bei niedrigeren Temperaturen erhitzt, sodass ihre wertvollen Nährstoffe und Proteine erhalten bleiben. Nach der Behandlung werden beide Fraktionen wieder vereint.

Weniger Chemikalien und Wasserverbrauch

Für das Erhitzen der überwiegenden Molkenprotein-Phase wird der herkömmliche hochenergetische Prozess bei H-Milch durch energieeffiziente Mikrowellentechnologie ersetzt. Deren Strombedarf lässt sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Durch das homogene Erwärmen werden Anbrennungsreaktionen von Molkenproteinen an Kontaktheizflächen vermieden, und es bilden sich außerdem weniger Rückstände in der Apparatur. Das reduziert zusätzlich den Verbrauch von Reinigungschemikalien und die Abwassermenge.

In ihrer Masterarbeit will Kohler die optimale Temperatur für die Mikrowellenerhitzung der Molkenprotein-Phase ermitteln, die notwendig ist, um einerseits die Milch haltbar und lagerfähig zu machen und andererseits die durch Hitze verursachten Produktveränderungen so gering wie möglich zu halten.

Zur Qualitätskontrolle werden Proben der neuartigen Milch dann bei Raumtemperatur sowie bei 30 °C eingelagert und in regelmäßigen Abständen über drei Monate analysiert und verglichen: hinsichtlich ihres Geschmacks, Keimgehalts und verschiedener anderer Qualitätsmerkmale.

Revolution am Milchmarkt?

Bislang gibt es neben der H-Milch noch zwei weitere Milcharten: die pasteurisierte Frischmilch und die sogenannte ESL-Milch (Extended-Shelf-Life-Milch).

Beim Pasteurisieren von Frischmilch handelt es sich um ein sehr schonendes Erhitzungsverfahren, das pathogene Mikroorganismen sicher abtötet und nur geringe Veränderungen verursacht. Pasteurisierte Milch besticht deshalb durch frischen Geschmack und hohen Nährstoffgehalt. Allerdings ist sie nur circa eine Woche bei Kühlschranktemperatur haltbar. Ihr Marktanteil liegt deshalb bei vergleichsweise geringen fünf bis zehn Prozent.

Auch die ESL-Milch muss im Kühlschrank gelagert werden, ist dort jedoch wesentlich länger – bis zu vier Wochen – haltbar. Diese verlängerte Haltbarkeit entsteht dadurch, dass die Milch nach dem herkömmlichen Pasteurisieren mechanisch oder mit zusätzlicher Hitze behandelt wird. Mit einem Marktanteil von 20 bis 25 Prozent liegt die ESL-Milch zwar vor der Frischmilch, aber noch deutlich hinter der H-Milch.

„Leider muss für diese wenig behandelten Lebensmittel eine durchgehende Kühlkette während des Transports und der Lagerung eingehalten werden“, erklärt Kohler den Nachteil von Frisch- und ESL-Milch. Dadurch haben diese Produkte einen deutlichen höheren Energiebedarf im Vergleich zu Milch, die intensiver hitzebehandelt worden sei und sich daher ohne zusätzlichen Energieaufwand für die Kühlung transportieren und lagern lasse.

Kohlers neue Milchvariante könnte in Zukunft sowohl der Frisch- als auch der ESL-Milch Marktanteile abjagen. Wie nah sie der H-Milch mit ihren überwältigenden 70 Prozent kommen wird, ist noch abzuwarten.

Hintergrund: Bioeconomy Award

Der Bioeconomy Award wird seit 2019 jedes Jahr an der Universität Hohenheim vergeben. Er ist mit 2.000 Euro dotiert und soll Studierende dabei unterstützen, ihre Masterarbeit zum Thema Bioökonomie durchzuführen. Verliehen wird er für die Darstellung innovativer Konzepte aus einem Themenfeld der Bioökonomie.

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