Mythos 1: Radartechnologie kann besser mit Wind und Regen umgehen.
Instrumentierung für Abwasser ist täglich Außenbedingungen ausgesetzt. Bei der Ultraschalltechnik bestehen deshalb oft Bedenken, dass insbesondere Regen und Wind das Messsignal negativ beeinflussen – und das bis zu einem Punkt, an dem nicht einmal mehr von einem Signal die Rede sein kann. Radar heißt es, sei hier robuster. Das ist nur die halbe Wahrheit. Regen hat einen ähnlichen Effekt auf Radartechnologien wie auf Ultraschallsignale. In der Wasserbranche ist dieser Effekt bei den gegebenen geringen Abständen zwischen Sensor und Medium, etwa in offenen Gerinnen, nichtig.
Das gleiche gilt für den Einfluss von Wind: Das Ultraschallsignal verzögert sich marginal, aber in Wasser- oder Abwasserapplikationen bietet die Ultraschalltechnologie deutlich höhere Signalstärken als überhaupt nötig wären. Gemessen an den kurzen Messdistanzen ist auch der Effekt durch Regen nichtig. Bei Verunreinigungen insbesondere in der Vorbehandlung von Abwasser haben Ultraschallsensoren durch ihre selbstreinigenden Eigenschaften ein deutlich besseres Messsignal. Dies wird durch intelligente Signalverarbeitungsalgorithmen noch unterstützt – Dampf, Feuchtigkeit und Schmutz beeinflussen die Messleistung des Geräts nicht.
Mythos 2: Radargeräte zeigen bei größeren Messdistanzen eine bessere Leistung.
Mit einer Reichweite von über 90 Metern überholen hochfrequente Radarsensoren die Ultraschalltechnologie um Längen. Zumindest in großen Silos – die es in dieser Dimension
in keiner Wasser-/Abwasseranlage gibt. Die Reichweiten liegen hier zwischen neun und zwölf Metern und lassen sich mit der Ultraschalltechnologie ohne weiteres überbrücken. In Pumpenschächten beispielsweise geht es weniger darum, ein Medium in großer Entfernung zu messen, sondern zu verhindern, dass Sensor und Medium sich zu nahe kommen.
Besonders nach Starkregen sind Abwasseranlagen häufig überflutet. Ein Radarsensor meldet dann entweder einen hohen oder niedrigen Füllstand. Damit ist er für solche Applikationen unzuverlässig. Der Anwender hat keine Indikation, ob das Gerät selbst eine Fehlfunktion aufweist oder die Flutung den Fehler verursacht hat. Bei Ultraschallgeräten wirkt diesem Effekt eine Überflutungshülse entgegen. Wird der robuste Sensor überflutet, lässt die Hülse vor der Sendefläche eine Luftblase entstehen, sobald diese vollständig versinkt. Die Steuerung erkennt diesen Zustand als Überflutung und die Pumpen werden weiter betrieben, um das überschüssige Wasser aus dem Sammelbecken zu entfernen.
Mythos 3: Radargeräte sind ausgeklügelter.
Im direkten optischen Vergleich mit dem eher schlichten Ultraschallsensor gewinnt sicher der Radarmessumformer, der unter seinem Gehäuse einiges an Intelligenz versteckt. Außerdem vereint er Sensor und Verarbeitungselektronik direkt in einem Gerät. Das spart im Gegensatz zu einem Ultraschallgerät Aufwand und Kosten für die zusätzliche Verkabelung. Aber will man die hochwertige Elektronik tatsächlich harschen Prozessbedingungen aussetzen?
Der Ultraschallwandler mag optisch weniger attraktiv erscheinen, schützt seine Elektronik aber durch ein hermetisch dichtes Gehäuse. Die Steuerung kann dagegen abseits von Kondensation und Schmutz und leicht zugänglich installiert werden. Der Einsatzbereich der Technologie entscheidet über ihre Überlegenheit: In engen Nassgruben stoßen Radarfüllstandmessgeräte mit einem Öffnungswinkel von 12 bis 30 Grad an ihre Grenzen – auch die im Gerät integrierte Intelligenz zur Signalverarbeitung hilft dann nicht. Ultraschallgeräte mit Messbereichen bis 15 Meter haben den Vorteil, dass ihr schmalerer Schallkegel Störechos durch Einbauten ausblenden und ein zuverlässiges Messsignal liefern kann. Entscheidend ist auch der Preis: Mit einem fünf Mal niedrigeren Anschaffungswert als Radar erfüllt Ultraschall alle Anforderungen der Wasser- und Abwasserbranche – zu einem Bruchteil der Kosten.
Mythos 4: Radar geht besser mit Schaum um.
Auch das ist ein Mythos. Radar ist dafür weder besser noch schlechter geeignet als Ultraschall. Während nasser Schaum Signale reflektiert, absorbiert trockener Schaum sie – sowohl bei Radar- als auch bei Ultraschallsensoren. In dieser Kategorie gibt es also keinen Gewinner. Einziger Ansatzpunkt ist der Versuch, die Schaumbildung zu minimieren und einen Techniker zu Rate zu ziehen, der für die gegebenen Bedingungen ein passendes Messgerät definieren kann.
Pumpensteuerung ohne Unsicherheiten
Soweit die Theorie, doch wie gestaltet sich die Wahl zwischen Ultraschall- oder Radartechnologie in der Praxis? Die kanadische Stadt Edmonton brauchte beispielsweise für ihre 800.000 Einwohner eine effiziente und zuverlässige Abwasserbehandlung. Ein enger Bau der Nassgrube und zusätzliche diverse Einbauten machten die Nutzung eines Ultraschallfüllstandmessgeräts jedoch unmöglich: Die Einbauten reflektierten die Ultraschallsignale und behinderten die präzise Messwertaufnahme. Abhilfe schaffte ein Echomax-Ultraschallsensor von Siemens mit schmalem Schallkegel. Die automatische Unterdrückung von Störechos im Sitrans-LUT400-Transmitter stellt sicher, dass durch Einbauten verursachte Störechos das Messergebnis nicht verfälschen.
Anders gelagert war der Bedarf einer Gemeinde im Südosten der USA. Hier erfreute sich ein Wohngebiet wachsender Beliebtheit, das nahe einem Naturschutzgebiet gelegen ist. Damit Wohnen und Natur friedlich koexistieren können, entschied sich die Kommune für eine sogenannte Package Treatment Plant, eine vorgefertigte Einheit zur Abwasserbehandlung. Strenge Vorgaben zur Überwachung der Chlorrückstände ließen jedoch keine rein manuelle Überwachung der Dosieranlagen zu. Die Instrumentierung war im Gegensatz zur Anlage nicht vorgefertigt, sondern speziell auf die Anforderungen angepasst. Seither überwacht ein Ultraschalltransmitter von Siemens den Prozess. Weder Störstoffe noch korrosive Stoffe oder Fette beeinträchtigen dabei die Messgenauigkeit.
Die Praxisbeispiele zeigen: Entscheidend für die Wahl der Technologie zur Füllstandmessung ist immer die Applikation, für die eine Messlösung gefunden werden soll. Eine pauschale Antwort auf die Frage „Radar oder Ultraschall?“ zu geben, wäre nicht zielführend. Gerade in geschlossenen Behältern kann die kontinuierliche Füllstandmessung bestens mit Grenzstandmessungen und mit Druckmessgeräten ergänzt werden, zum Beispiel in Faulbehältern oder Gasspeichern, um die nötigen Messinformationen zu liefern und einen zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten.