Der Preisverfall in der Solarbranche ist einerseits Fluch, andererseits auch eine Chance, mit günstigem Solarstrom neue Geschäftsmodelle zu entwickeln", meint Christian Langen, Senior Advisor der Apricum. Manche haben da schon einen ersten Schritt in Richtung Chance gewagt. So wie DZ-4, ein Hamburger Unternehmen, das den Eigenverbrauch von Solarstrom unterstützt. Marketing- und Solarexperte Florian Berghausen resümiert: "In den letzten zehn Jahren mussten wir Kunden immer wieder sagen, dass sie ihren selbst produzierten Strom doch bitte komplett einspeisen sollten. Weil sich das �??besser rechnet‘. Nun können wir endlich wieder sagen: Verbraucht alles selbst!" Wie sich das im Detail rechnet, ermitteln die Hamburger mit einer Wirtschaftlichkeitsprognose, die alle Komponenten am Einfamilienhaus wie Modulgröße, Speicher und lokale Sonneneinstrahlung berücksichtigt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Kosten, um eine Kilowattstunde Solarstrom zu erzeugen. Mit sinkender Einspeisevergütung und steigenden Strompreisen wird der Eigenverbrauch allerdings immer interessanter. Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin hat für 2012 einen durchschnittlichen Strompreis von 25,89 Cent pro Kilowattstunde errechnet. Eine enorme Preissteigerung - fünf Jahr zuvor lag der Preis noch bei 20,64 Cent. Solarstrom lässt sich hingegen schon für 10 bis 15Cent pro Kilowattstunde erzeugen.
Die Vor-Ort-Vermarktung
Auch für Dr. Tim Meyer, Geschäftsführer der Grünstromwerk in Hamburg, ist die Entwicklung der Strompreise ein Katalysator. "Die Strompreiserhöhungen zum Jahr 2013 haben neuen Geschäftsmodellen großen Auftrieb gegeben", stellt er fest.Die gesetzlichen Regelungen beeinflussen neue Solar-Geschäftszweige. Die gegenwärtige Rechtslage begünstige die Vermarktung von Strom aus der eigenen Anlage in zwei Ausprägungen: Der sogenannte Eigenverbrauch und die Belieferung des Kunden mit Strom vor Ort (Direktverkauf). Wenn man den Eigenverbrauch richtig aufsetzt, entfallen derzeit alle Strompreiskomponenten, das heißt der Strom kann zu den Gestehungskosten zuzüglich Marge vermarktet werden. Beim korrekt umgesetzten Direktverkauf ist auf den Strompreis eine verminderte EEG-Umlage aufzuschlagen. Das regelt das sogenannte solare Grünstromprivileg. Grundsätzlich gilt, dass beim Transport von Strom außerhalb des öffentlichen Netzes die netzbezogenen Strompreiskomponenten entfallen. Ob die Stromsteuer anfällt, ist jeweils gesondert zu prüfen. Unbedingt zu empfehlen ist es, sich wegen der möglichen ertragssteuerlichen Auswirkungen der neuen Geschäftsmodelle an einen Steuerberater zu wenden. Die Vergünstigungen erlauben es Unternehmen, Strom vor Ort zu günstigen Preisen zu vermarkten. Grünstromwerk ist dafür nur ein Beispiel unter vielen. "Der Strom wird nicht mehr durchgeleitet, sondern vor Ort verbraucht", erklärt Meyer. Seine Firma unterstützt Anlagenbetreiber dabei, Solarstrom an Mieter oder Gewerbekunden zu verkaufen. Attraktiv wird das für den Kunden zum einen über den günstigen Tarif, zum anderen durch die mögliche Vertragsbindung für eine Preisgarantie. Die Herausforderung im Geschäft mit Solarstrom besteht nicht mehr in erster Linie im Aufstellen einer Anlage. Für neue Geschäftsmodelle benötigen Firmen energiewirtschaftliches Know-how, ein Netzwerk mit neuen Partnern - und erstmalig auch Stromkunden, meint Meyer: "Wenn man so was schafft, hat man auch ein Zukunftsmodell für Photovoltaikanlagen." Einen Schub erwarten die Betreiber für 2014. Dann tritt eine neue gesetzliche Regelung in Kraft, das sogenannte Marktintegrationsmodell, auch 90-10-Prozent-Modell genannt. Danach werden für Anlagen, die ab April 2012 aufgestellt wurden, nur noch 90 Prozent des Stroms nach Einspeisetarif vergütet. Die restlichen zehn Prozent müssen selbst verbraucht oder vor Ort vermarktet werden. Dr. Tim Meyer sieht darin einen "guten Mechanismus". Nun stehen die Überlegungen im Vordergrund, wer den Strom benötigt.
EEG-Umlage nicht belasten
�?hnliche Gedanken gehen Felix Schäfer von der HEG Heidelberger Energiegenossenschaft durch den Kopf. Die in der Regel 20-jährigen Pachtverträge mit Eigentümern, um auf deren Dächern Solaranlagen aufzustellen, sind für den Verpächter wenig lockend. Interessant ist hier eher, den Strom vor Ort preisgünstig zu bekommen. Denn "bei steigenden Strompreisen können immer mehr Gebäudeeigentümer profitieren", meint Felix Schäfer. Zudem hält er es für politisch sinnvoll, vor-Ort-Modelle voranzutreiben. "Der Strom, den ich vor Ort verkaufe, wird nicht ins Netz eingespeist und belastet daher die EEG-Umlage nicht", gibt Schäfer zu bedenken. Die Heidelberger Energiegenossenschaft liefert Solarstrom für 17 bis 18Cent pro Kilowattstunde (netto, also inklusive EEG-Umlage). Ob Off-Grid-Konzepte der gesamten Solarbranche große neue Perspektiven bieten, bezweifelt Tobias Zwirner, Geschäftsführer der Phaesun in Memmingen. Seine Firma hat sich von Anfang an auf so genannte Insellösungen spezialisiert - Freizeithütten, Caravan und Camping oder Parkscheinautomaten. Und insbesondere der Markt in Regionen Afrikas oder Lateinamerikas, wo keine Netze vorhanden sind, ist für ihn interessant. "Unser Geschäft ist sehr kleinteilig und erfordert viel spezialisiertes Know-how", bemerkt Zwirner, "das hilft Solarfirmen kurzfristig nicht, die in den letzten Jahren 200 bis 300Mitarbeiter aufgebaut haben." Weitere neue Geschäftsmodelle für den Verkauf von Solarstrom müssen erst noch entwickelt werden. Da ist unter dem Stichwort "Strommarktdesign" auch zu hoffen, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch ändern. "An vielen Stellen ist Kreativität gefragt", fordert Margarete von Oppen, um Modelle zu finden, auf die noch niemand gekommen ist. Allerdings wird die Kreativität da etwas abgebremst, meint Christian Langen: "Bisher gab es einen Anreiz für die Kunden, schnell zu handeln weil die EEG-Vergütung sinkt. Jetzt gibt es einen Anreiz, auf günstigere Systempreise und steigende Strompreise zu warten. Da ist ein Verzögerungseffekt der es nicht leichter macht in dieser Übergangsphase, in der wir jetzt sind."