Interview „Wärmepumpen haben ein Riesenpotenzial“


Karl-Heinz Stawiarski (links), Gesschäftsführer des BWP, und Paul Waning, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP)

11.09.2013

Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, das auch am deutschen Wärmemarkt nicht spurlos vorbeigeht. Energy2.0 sprach mit zwei Spitzenvertreter des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP) über den Status quo und Herausforderungen für die Branche.

Energy 2.0: Herr Waning, welche Rolle können Wärmepumpen bei der Energiewende spielen?

Paul Waning: Eine ganz bedeutende. Wenn die Bundesregierung die selbst gesteckten Ziele erreichen will, muss im Wärmemarkt, der etwa 50 Prozent des Marktes ausmacht, noch eine Menge geschehen. Alle Untersuchungen zeigen, dass die aktuellen Sanierungsraten bei Heizungssystemen für Gebäude nicht reichen. Die Wärmepumpen haben dadurch, dass sie dreiviertel der Heizenergie aus der Umwelt nehmen, hier ein Riesenpotenzial, um die CO 2-Minderungsziele zu erreichen.

Wärmepumpen haben sich ja bei Endkunden bereits gut verkauft, aber ist eigentlich Strom mittlerweile nicht zu teuer geworden?

Eindeutig ja. Dass der EEG-Aufschlag und die Netzentgelte den Strompreis ganz gewaltig treiben, erfüllt uns mit Sorge. Natürlich gibt es auch Gaswärmepumpen, aber Strom ist der Energieträger der Zukunft und über 90 Prozent aller Wärmepumpen laufen heute mit Strom. Dieser sollte EEG-befreit sein, zumindest, wenn diese Kunden auch nachweisen, dass sie einen Ökostromtarif nutzen. Damit haben sie bilanziell eine CO 2-freie Heizung. Das würde die Position der Wärmepumpe im Markt wieder stabilisieren.

Falls dieser politische Wunschtraum nicht in Erfüllung geht, reicht die Eigenversorgung über Solaranlagen als Argument?

Die Branche spürt deutlich, dass die Nachfrage nach Eigenverbrauchslösungen wächst. Insbesondere die Warmwasserbereitung mittels Wärmepumpe kann die Eigenverbrauchsbilanz ganzjährig erheblich verbessern. Viele unserer Mitgliedsunternehmen treiben auch die Entwicklung von Speicherlösungen voran. Allerdings machen Sie die Erfahrung, dass die für ein Gesamtsystem nötigen Investitionen Kunden noch zögern lassen. Aber wer bereits eine Photovoltaikanlage hat und bald aus der Förderung herausfällt, sucht nach Konzepten, um den Strom sinnvoll weiternutzen zu können.

Herr Stawiarski, sind technische Fortschritte zu erwarten, die die Leistungszahlen der Geräte verbessern?

Karl-Heinz Stawiarski: Die Leistungszahlen ab Werk liegen heute bereits auf hohem Niveau, da stößt man bald an natürliche Grenzen. Was wir aber brauchen sind Anlagen, mit denen sich noch höhere Jahres-Arbeitszahlen erreichen lassen.

Wie kann für so komplexe Anlagen die Qualitätssicherung funktionieren?

In der Schweiz arbeitet man im Sinne der Qualitätssicherung an einem modularen Konzept, das Wärmequelle, Wärmepumpe, Zwischenspeicher, Steuer- und Regeleinheit und Wärmeverteilungssystem einzeln zertifiziert, damit Planer oder Handwerker nicht Komponenten zusammenstellen, die nicht ideal zusammenpassen. Ab 2015 wird es auch bei uns ein Energieeffizienz-Label für Heizgeräte wie heute schon beim Kühlschrank geben. Es kann sich dann auch auf eine Gesamtanlage erstrecken, wenn nur die richtigen Komponenten verwendet werden.

Wer vergibt denn das Gesamtlabel?

Da ist man im Moment noch in der Entwicklung. Dass das Produktlabel kommt, ist klar, aber wie hinterher die Umsetzung auf ein Gesamtlabel funktioniert, wird noch diskutiert. Die Hersteller wollen dabei das Ruder in der Hand behalten, das Gesamtkonzept soll herstellerseitig durchdacht sein.

Wie zukunftsfähig sind die Systeme, die man heute einbaut?

Wichtig ist, dass die Geräte so ausgestattet sind, dass sie in Smart Grids kommunizieren können. Netzbetreiber werden in naher Zukunft Schaltimpulse geben, weil Preissignale aus dem Markt kommen. Und mit smarten schalt- und regelbaren Wärmepumpen können Kunden künftig dann ihren Strom beziehen, wenn er besonders günstig ist - und den passenden Schwachlasttarif mit drei mal zwei Stunden Unterbrechung pro Tag gibt es längst. Wärmepumpenanlagen arbeiten dank Pufferspeicher und der Speicherfähigkeit von Fußbodenheizungen, auch wenn man sie zeitweilig vom Netz nimmt, ohne Komfortverluste für die Bewohner. Jetzt kommen noch neue Konzepte dazu, um die Speicherfähigkeit zu vergrößern: Einige setzen dabei auf mehr Speichervolumen, andere auf Eisspeichertechnologie.

Wie weit ist man mit der Standardisierung da gekommen?

Waning: Aktuell beteiligen sich 19 Hersteller und über 370 Produkte tragen heute schon das Label. Ein Netzbetreiber kann ja kumulierte Lasten von Wärmepumpen abschalten und zuschalten, also in beide Richtungen damit agieren. Wenn man diese bereits installierte Kapazität schlicht addiert, ohne dass man schon energiewirtschaftlich damit arbeitet, kommt man in Größenordnungen, die der Pumpspeicherkapazität der Bundesrepublik Deutschland entsprechen.

�?ndert sich der Markt bei den erdgekoppelten Wärmepumpenanlagen?

Stawiarski: Bei der oberflächennahen Geothermie mit Erdsonden haben wir in Deutschland im Moment einen rückläufigen Markt. Das liegt an der restriktiven Bewilligungspraxis. Die Behördenvertreter gerade in Bayern lassen viele Anträge von externen Sachverständiger beurteilen, womit sich die Bewilligungen stark verteuern. Weil man auch nicht weiß, ob man überhaupt eine Genehmigung bekommt, sind die Eisspeicher heute attraktiv - die Systemanbieter suchen nach neuen Lösungen, um erdgekoppelte Wärmepumpen verkaufen zu können. Dabei handelt es sich um ausgeklügelte Technologie, die ein guter Türöffner ist, aber grundsätzlich besteht in Deutschland das Problem, dass die Bewilligungsbehörden gegenüber Sonden sehr restriktiv eingestellt sind, so dass auch stark auf Luftwärmepumpen gesetzt wurde oder eben auf Eisspeicher, für die man im Gegensatz zu den Sonden keine Bewilligung braucht - es besteht nur eine reine Anzeigepflicht.

Wärme aus der Luft zu holen ist aber nicht immer eine Alternative.

Die Luft kann man bis etwa 40 kW als Wärmequelle nutzen. In Industrie und Gewerbe benötigt man oft auch größere Anlagen.

Entdecken Industrie und Gewerbe zunehmend die Großwärmepumpen?

Das ist ein Trend, aber Deutschland hinkt da etwas hinterher, weil hier der Vertrieb lange Zeit sehr auf das Neubausegment fokussiert war, ganz klassisch über Heizungsbau, Installationsgewerbe und Außendienst das Geschäft mit Wärmepumpen von einigen Kilowatt Leistung nach Planungsanleitung gemacht hat. Großwärmepumpen sind aber Projektgeschäft, da muss man sehr viel Zeit investieren. Darauf war der Vertrieb hier lange Zeit gar nicht ausgerichtet. Viele Hersteller holen jetzt aber auf und setzen auf Spezialisierung: Stiebel Eltron zum Beispiel hat in diesem Segment eine Partnerschaft mit Ochsner.

Wie sieht es weltweit aus?

In Schweden arbeiten heute schon Kraftwerke mit Wärmepumpen, Viessmann stattet über seine Schweizer Tochter ein 600 Meter hohes Gebäude in Seoul mit einer Megawatt-Wärmepumpe aus - dagegen sind wir in Deutschland Waisenknaben. Was uns fehlt sind Planer, die Chancen nutzen und mit Wärmepumpen Projekte entwickeln.

Gibt es noch Vorbehalte bei der Wirtschaftlichkeit?

Kaum. Gerade im gewerblichen Bereich, wenn beispielsweise sowohl Heiz- als auch Kühllasten anfallen, trumpfen Wärmepumpen durch sehr kurze Amortisationszeiträume auf. Das Problem waren früher aber oft die Systemtemperaturen von nur 50 oder 60 Grad Celsius. Heutige Wärmepumpen erreichen viel höhere Temperaturen und sind daher auch für die Industrie interessant. Dazu kommt der günstigere CO 2-Fußabdruck, der für viele Firmen zunehmend von Interesse ist. Auch Wohnanlagen lassen sich so leichter vermieten, Immobilien besser verkaufen. In der Schweiz will heute keiner mehr Immobilien mit Ölheizung haben und in Deutschland machen sich die Leute nun auch mehr Gedanken.

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