Die Thermik, das heißt das Kühlen von eng verbauten Systemen mit wachsendem Anspruch, mausert sich zu einer der zentralen Entwicklungsaufgaben in der Systementwicklung. Dabei ist es sinnvoll, diese Herausforderung vor dem ersten Prototypen zu meistern und mit Folgemessungen lediglich die gute Entwicklungsarbeit zu bestätigen. Dies erspart im Entwicklungszyklus viel Zeit und Kosten (Redesigns durch Trial&Error-Methoden).
Doch sollte man sich vor Augen führen, dass Wärmemanagement nicht immer heißt, einen Lüfter oder einen Kühlkörper zu verbauen. Die Aufgabenstellung hängt immer von der Applikation und den gesetzten Zielen ab. Hier spielen Design, Größe, typische Materialwahl, zulässige Umgebungstemperatur, Schwerkraftrichtung, Verlustleistung abhängig vom Volumen und vieles mehr eine Rolle. Zusätzlich beschreiben verschiedene Arbeitsgebiete des Ingenieurs auch unterschiedliche Fokusse auf die Entwärmungsstrategien.
Ein Elektronik-Hardwaredesigner entwickelt zum Beispiel die Leiterplatine (Funktionsaufbau, Lagenaufbau, Komponentenpositionierung) und ist im Hinblick auf den thermischen Haushalt dafür verantwortlich, die entsprechenden Komponenten in Bezug auf deren Funktion, Leistung, Verlustleistung und maximal zulässige Sperrschichttemperatur auszuwählen. Des Weiteren positioniert er die Komponenten nicht nur funktionsbedingt, sondern auch thermisch sinnvoll auf der Platine. Letztlich ist er auch federführend verantwortlich für den Einsatz und die Positionierung thermischer Vias, Signallagendicken, Leiterbahnquerschnitte (bei hohen Strömen) oder den Metalllagen-
einsatz (IMS) zur Wärmespreizung.
Der Konstrukteur, auch Mechanik-Designer genannt, ist meist systemübergreifend für das Wärmemanagement zuständig. Das heißt, dass er zum einen mit dem Hardwaredesigner die Positionierung der Komponenten abstimmt (beispielsweise für einen Kühlkörper oder die Anbindung an das Gehäuse abzustimmen), zum anderen aber auch die Materialauswahl, Oberflächenvergütung (bezüglich Schutz, Design aber auch Wärmestrahlung), Raumaufteilung im Gerät und aktive beziehungsweise passive Kühlmaßnahmen einplant.
Temperaturen simulativ betrachten
Für beide Aufgabengebiete benötigte man für die simulative Temperaturbetrachtung bislang unterschiedliche Softwarefunktionen, um ein physikalisch richtiges und der Realität nahes
Simulationsmodell aufzubauen.
Das branchenspezifische CFD-Simulationstool (CFD: Computational Fluid Dynamics, computerunterstützte Strömungssimulation) 6SigmaET bietet für die Elektronikindustrie alle nötigen Funktionen. Da wir uns in unserem Aufgabenfeld mit den Wärmewegen befassen, sollte solch eine Software grundlegend alle drei Wege (Wärmeleitung, Konvektion, Strahlung) in Kombination berücksichtigen können. Natürlich sind manche Applikationen in ihrer Voruntersuchung auch mit reiner Wärmeleitung evaluierbar, doch sollte man dies nur in der Konzeptphase zulassen, zum Beispiel für eine thermische Prüfung des Layouts zur Strombelastbarkeit oder der Evaluierung thermischer Vias. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Beschaffenheit des genutzten Solvers und seine Algorithmen, inwiefern sie für das Aufgabenspektrum der Elektronikentwicklung angepasst wurde.
Allgemeine CFD-Anwendungen arbeiten mit vielen physikalischen Spezialitäten um alle Applikationsgebiete der Strömungsmechanik (Überschallgeschwindigkeiten, Rauchentwicklung und Teilchendynamik, Kompressible Drücke, Mikroturbulenzen) lösen und abbilden zu können.
Die umfangreiche Funktionalität birgt eine hohe Komplexität und ist von Entwicklern aus der Hardware und Mechanik kaum fehlerlos bedienbar. Hierfür gibt es für solche Spezialisten sogar eigene Studiengänge.
Richtig ist es, dass Mikroturbulenzen an Oberflächen einen Einfluss auf die gesamte Strömungsmechanik haben. Doch Einfluss in einem Toleranzbereich von 1 °C Temperaturänderung haben diese nicht. Und genau das ist der Grund, warum Werkzeuge wie 6SigmaET (ET steht für ElectronicThermal und 6Sigma für einen sehr kleinen Toleranzbereich) für die Elektronikentwicklung eingesetzt werden und nicht etwa für die Aerodynamik einer Luftschaufel Anwendung finden.
6SigmaET ist optimiert, um im typischen Geschwindigkeits-, Druck- und Temperaturfeld, wie es in der Elektronik vorkommt, schnell und robust zu arbeiten. Zusätzlich ist es damit im Vergleich zu allgemeinen CFD-Tools einfacher, um ein Simulationsmodell realitätsnah aufzubauen, vollautomatisch zu vernetzen und in kurzer Zeit ohne große Konvergenzprobleme zu berechnen.
Eigens eingebaute Algorithmen verschlanken den CFD-Solver und unterstützen so den Anwender, sich auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren, das heißt Elektronikgeräte zu entwickeln und sich nicht im physikalischen Nirwana ein Schleudertrauma zu holen.
Aufbau einer Platine: 3 Level
Ein Werkzeug wie 6SigmaET bietet auch eine Oberfläche und Menüstruktur, die den logischen Ablauf einer Modell-
erstellung unterstützt. Hier finden sich der Hardwaredesigner und der Konstrukteur schnell zurecht. Dem Hardwaredesigner stehen direkte Schnittstellen zu seinem Layouttool zur Verfügung. Allerdings sollte man der Aufgabenstellung entsprechend den Detailgrad nicht übertreiben. Der strukturelle Aufbau einer Leiterplatine lässt sich in drei Level beschreiben.
PCB-Konzeptlevel: In der Konzeptphase liegen Entwicklern meist noch keine Layoutdaten vor. Doch kann der Hardwaredesigner aufgrund seiner Erfahrung meist klar sagen, mit wie vielen Signallagen er die Funktionen realisieren wird. Auch kann man relativ gut die Kupferbelegung in Prozent pro Signallage bestimmen. Ausschlaggebend für die Durchleitung der Wärme durch die Schichtung einer Platine ist meist das FR4 mit einem Wärmeleitwert von 0,3 W/mK gegenüber typisches Kupfer mit 380 W/mK. Ob Sie nun 10 Prozent neben dem später realistischen Kupferanteil pro Lage liegen, wird sich thermisch in dieser Konzeptsimulation nicht wesentlich auswirken. Diese einfache Lagenbeschreibung lässt sich in 6SigmaET eingeben, und die Software errechnet automatisch einen orthotropen Ersatzleitwert im PCB-Gebilde.
PCB-Detaillevel 1: Mit dem Ziel die Komponenten durch eine Auffächerung der Wärme über das PCB zu kühlen, werden oft im Layout größere Kupferregionen eingeplant. Diese Layoutdetails können mit einem Bild des Layouts pro Lage, zum Beispiel als JPG oder PNG aus dem Layoutprogramm ausgegeben (manchmal auch lediglich ein PDF, das pro Seite einen Druck der entsprechenden Lage enthält) und direkt in 6SigmaET importiert werden. Jedes Bild enthält die Leiterbahnen aus Kupfer. Diese Kupferverteilung wandelt 6SigmaET automatisch in einen lokalen Wärmeleitwert um.
PCB-Detaillevel 2: Sollten Sie über die Leiterbahnen höhere Ströme fließen lassen und müssten somit die Erwärmung im Kupfer berücksichtigen, benötigt 6SigmaET das Layout als 3D-Körper. Hier besteht die Möglichkeit Gerber Files zu importieren und durch eine Angabe zur entsprechenden Signallagendicke 3D-Leiterstrukturen zu erzeugen. Somit ist der Eingabewert die Leistung in Ampere, die über die Leitungen fließt.
Dem Konstrukteur stehen ähnliche Wege offen, um Geometriedaten von Gehäuseteilen, Baugruppen oder gesamte Geräteaufbauten via 3D-CAD-Schnittstelle zu importieren. Lediglich das Material und die Oberflächenvergütung müssen noch manuell eingepflegt werden. Hierzu stehen jedoch dem Anwender umfangreiche Materialbibliotheken zur Verfügung, die regelmäßig von Alpha-Numerics ergänzt werden.