Wer heute in einem modernen Gebäude einfach per Fingerstreich die Temperatur regelt, setzt im Hintergrund ein komplexes System in Gang. Intelligente Gebäudetechnik und smarte Geräte messen, steuern und regeln zahlreiche Parameter und Anwendungen. Das Ziel ist ein möglichst effizienter und vorausschauender Betrieb vor dem Hintergrund einer optimalen Gebäudenutzung. Diese Technologie spiegelt heute bereits die ständig wachsenden Anforderungen, die weitergedacht zur All Electric Society führen könnten. Grundlage dafür ist die umfassende Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung aller Sektoren von Wirtschaft und Infrastruktur.
Die zuverlässige Vernetzung der Sektoren schafft einen dedizierten daten- und energietechnischen Verbund. So können innerhalb der und zwischen den Sektoren alle relevanten Informationen ausgetauscht werden. Ziel ist, mithilfe dieser Informationen einen optimalen Fluss regenerativer Energien zu schaffen, von der Erzeugung über den Transport bis zur Nutzung. Die Ressource Energie steht so immer und überall bedarfsgerecht zur Verfügung und wird effizient eingesetzt. Auf die Gebäudetechnik übertragen bedeutet dies: konsequente Vernetzung aller Gewerke, Verzicht auf fossile Heiztechnik (Elektrifizierung) und Erhöhung der Automatisierungsgrade von Gebäuden. Bei Neubauten ist dies einfach umsetzbar, nicht jedoch bei Bestandsbauten.
Um alte Bestandsgebäude im Ansatz smart zu machen, ist es notwendig, alte Anlagen und Systeme grundlegend zu erneuern. Neuere oder renovierte Bestandsgebäude sind meistens automatisiert und es kommen smarte Feldgeräte zum Einsatz. Das können Pumpen oder Multisensoren sein, die zum Beispiel in Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen Anwendung finden und zunehmend mehr Daten nutzen oder zur Verfügung stellen können. Häufig sind smarte Geräte nur an die jeweilige Leittechnik innerhalb eines Gewerks angebunden und nicht mit anderen Geräten oder Systemen vernetzt. Doch wie lässt sich das ändern? Hier greift der Ansatz der gewerkeübergreifenden Kommunikation und Automation.
Kommunikation & Automation
Zunächst werden alle Geräte und Systeme eines Gebäudes, unabhängig davon, um welches Gewerk es sich handelt, in einem gemeinsamen Netzwerk miteinander verknüpft. Ethernet bietet dafür die Basis und erlaubt den Transport unterschiedlicher IP-basierender Protokolle über ein definiertes Medium.
Neben IT-Sicherheitsaspekten sind mit Ethernet deutlich höhere Bandbreiten zur Datenübertragung verfügbar, die mit den klassischen Feldbussen und seriellen Schnittstellen nicht erreicht werden. Falls Informationen nicht IP-basierend vorliegen, sind diese für eine gewerkeübergreifende Kommunikation und Automation entsprechend zu wandeln, sprich: Es muss eine Datennormalisierung stattfinden.
Liegen alle Informationen IP-basierend vor, greift die ganzheitliche Informationsverarbeitung nicht nur gewerkeübergreifend, sondern auch diensteübergreifend. Für das zuvor genannte Beispiel Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen sind dann Wetterprognosen aus dem Internet abrufbar, die vorab Einfluss auf Regelungsprozesse haben können. Energiespeicher lassen sich zum Beispiel vor einer Wetteränderung füllen, um das Gebäude optimal und mit sehr geringerem Energieeinsatz zu betreiben.
SPE und Ethernet-APL
Ethernet ist das führende Kommunikationsprotokoll für lokale Datennetzwerke (LAN) auf Unternehmens- und Betriebsleitebene. Single Pair Ethernet (SPE) steht für die parallele, hochleistungsfähige Übertragung von Daten und Leistung über ein Aderpaar vom Sensor bis in die Cloud. Die Technologie profitiert von Features aus dem Ethernet-Baukasten wie zum Beispiel durch Power over Data Line (PoDL), Time-Sensitive Networking (TSN) und OPC Unified Architecture (OPC UA). Es ermöglicht eine durchgängige IP-Kommunikation zwischen Endgerät und Cloud bei gleichzeitiger Stromversorgung komplexer IoT-Lösungen.
SPE basiert auf dem IEEE 802.3-Standard. Durch Eigenschaften wie reduzierte Verkabelung und erhöhte Reichweite lassen sich mit SPE neue Applikationen auf der Feldebene realisieren. Es kann als physikalische Schicht in jede Ethernet-Anwendung installiert werden und macht diese zukunftssicher. Somit ist SPE die Basistechnologie des IIoT. Die Grundlage für die barrierefreie Vernetzung unterschiedlicher Komponenten bilden normierte Steckgesichter. Hier treibt Phoenix Contact die Entwicklung eines Standards maßgeblich voran, zum Beispiel bei Steckverbindern für die Schutzklassen von IP20 bis hin zu IP6x. Die SPE-Technologie umfasst verschiedene Standards, die unterschiedliche Datenraten und Kabellängen unterstützen und somit für verschiedene Anwendungen geeignet sind. Man unterscheidet zwischen den Standards 10BASE-T1S, 10BASE-T1L, 100BASE-T1, 1000BASE-T1 und MultiGigBASE-T1.
Vergleicht man die Gebäudeautomation mit der Prozessautomation, dann werden Analogien sehr schnell offensichtlich. Zum einen sind sich die Feldgeräte und Funktionen sehr ähnlich, und zum anderen kommen große Distanzen von bis zu 1000 m im Feld durchaus vor. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die einfache und schnelle Installation von Rohleitungen.
Die Prozesstechnik setzt hier auf Advanced Physical Layer (APL), das den 10BASE-T1-L-Standard aus der IEEE 802.3cg zusammen mit dem IEC TS 60079-47, 2021-03 (2-WISE) Standard (2-WISE = 2-Wire Intrinsically Safe Ethernet) verwendet. Es unterstützt Methoden des Explosionsschutzes inklusive der Eigensicherheit und ermöglicht den direkten Anschluss von Geräten und Sensoren in den Ex-Bereichen prozesstechnischer Anwendungen. Durch die direkte Ethernet-Integration kann auf aufwendige Gateway-Lösungen verzichtet werden, wenn auf Daten aus dem Feldbereich zugegriffen werden soll.
In der Gebäudetechnik werden der Explosionsschutz und die Eigensicherheit von Geräten weitgehend nicht benötigt. Allerdings ist der direkte Anschluss eines Aderpaars an approbierte Leiterplattenklemmen im Anschlussraum der Feldgeräte vorteilhaft und bildet die wirtschaftliche Basis und kann Wegbereiter für das IoT in der Gebäudeautomation sein.
Fazit für das vernetzte Gebäude
Der Lösungsansatz mit Ethernet-APL ist ebenfalls für die Gebäudetechnik geeignet. Der Direktanschluss vereinfacht die Installation von Feldgeräten wesentlich, das Crimpen beziehungsweise Konfektionieren von Steckern entfällt. Darüber hinaus lassen sich Leitungswege bis zu 1000 m realisieren und die Anbindung an die Gebäudeleittechnik oder Cloud ist ohne Medienbrüche möglich. Die smarten Geräte kommunizieren dabei interaktiv mit anderen, am Steuerungs- oder Regelprozess beteiligten Teilnehmern. Dies führt zu optimalen Prozessabläufen, reduzierter Netzauslastung sowie einer höheren Verfügbarkeit von Anlagen und Systemen. Zudem werden Energiebedarfe reduziert und Betriebskosten minimiert. Die All Electric Society ist mit einer solchen zukunftssicheren Grundlage dann nicht mehr allzu fern.