Fachbeitrag „Wir nehmen das selbst in die Hand“


Hubert Waltl ist Produktionsvostand der Marke Volkswagen

11.04.2012

Ein Viertel weniger Energie will Volkswagen als größtes deutsches Industrieunternehmen künftig verbrauchen. Die Treibhausgas-Emissionen für die Energieversorgung der Produktion sollen bis 2020 sogar um 40 Prozent fallen. Wie das funktioniert und warum nachhaltige Produktion immer wichtiger wird, erläutert Hubert Waltl, Produktionsvorstand der Marke Volkswagen.

Herr Waltl, als gelernter Werkzeugmechaniker wissen Sie, wie es in Fabriken zugeht. Wie reagieren Ihre Mitarbeiter in der Fertigung auf Ihre Zielsetzung einer nachhaltigeren Fabrik?

Hubert Waltl: Die Leute reagieren offen. Mein Eindruck ist sogar, dass sie erwarten, dass Volkswagen sich künftig noch stärker ökologisch engagiert. Unsere Mitarbeiter sind echte Markenbotschafter in ihrem privaten Umfeld. Da ist klar, dass sie lieber in einem Werk arbeiten, in dem auch die Schonung unserer Umwelt eine wichtige Rolle spielt. Wir haben unter unseren Mitarbeitern einen Ideenwettbewerb für ressourceneffiziente Produktion gestartet und sind überrascht, wie stark die Beteiligung ist.

Was für Ideen entstehen denn da?

Mittlerweile liegen Hunderte von Ideen aus unseren Werken vor, ein breites Spektrum intelligenter Maßnahmen: Wo kann man unnötigen Abfall vermeiden? Oder wo lassen sich zusätzliche Sensoren einbauen, damit das Licht automatisch ausgeht? Jeder Mitarbeiter schaut in seinem eigenen Arbeitsbereich danach, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen. Und nur so geht es. Wir möchten, dass die Mitarbeiter ökologische Verantwortung für ihr eigenes persönliches Arbeitsumfeld übernehmen, genauso wie wir es im Großen tun. Sobald wir dann eine gute Idee identifiziert haben, kommt diese in eine zentrale Datenbank, auf die künftig alle Werke weltweit Zugriff haben werden.

Das sind sicher kleine nützliche Ideen, aber wie wollen Sie so das Ziel von 25 Prozent weniger Energieeinsatz erreichen?

Wenn wir neue Produktionsstätten bauen, legen wir die nach den neuesten Erkenntnissen energieeffizient aus. Und für unsere bestehenden Werke haben wir gemeinsam einen individuellen Entwicklungspfad definiert. Kein Standort gleicht in dieser Hinsicht dem anderen.

Das heißt, jedes Werk muss 25 Prozent einsparen?

Ja, jedes Werk, ob das ein altes Werk ist oder nicht.

Die großen Energiefresser Lackiererei, Presswerk und Maschinenantriebe stehen also gar nicht im Vordergrund?

Dort, wo neu investiert wird, natürlich. So setzen wir zum Beispiel auf füllerlose Lacksysteme, die zu einer Kohlendioxid-Einsparung von 50 Kilogramm je Fahrzeug führen, unter anderem, weil auf diesem Wege ein energieintensiver Trocknungsprozess gespart wird. Bei den bestehenden Anlagen bestimmt das einzelne Werk über den jeweiligen Erfolgsweg, und wir unterstützen dabei zentral mit einem Katalog von derzeit mehr als 100 Maßnahmen. Dieser Katalog basiert auf unserer virtuellen „optimalen Fabrik“. In diesem Projekt haben wir die derzeit besten Technologien versammelt, sogar künftige Forschungsthemen, die erst in einigen Jahren umsetzbar sein werden. Ob, wann und wo eine dieser Technologien zum Einsatz kommen kann, das haben die Werke in ihrem eigenen Entwicklungspfad festgehalten.

Wie ehrgeizig sind denn 25 Prozent? Eigentlich müsste doch das Potenzial vor allem der gewachsenen Werke wie Wolfsburg höher sein.

Das Ziel von 25 Prozent haben wir unabhängig von der Anzahl der produzierten Einheiten gesetzt. Das ist aus unserer Sicht der richtige und transparente Weg. Wenn wir die Fabriken stärker auslasten - und das ist unser Ziel - dann ginge der Energieverbrauch je produzierter Einheit noch stärker zurück und das Ziel wäre schneller erreicht. Aber so rechnen wir bewusst nicht, denn im Umkehrschluss würde sich ein Rückgang in den Absatzzahlen ja auch negativ auf die Zielerreichung auswirken.

Aber glauben Sie nicht, dass Sie eines Tages den produktionsbedingten CO 2-Ausstoß für jedes einzelne Modell ausweisen müssen?

Es ist möglich, dass solche Regelungen langfristig kommen werden, und darauf möchten wir in der Produktion bei Volkswagen vorbereitet sein. Uns ist dabei aber auch klar, dass bezogen auf den kompletten Lebenszyklus eines Fahrzeuges die Produktion lediglich ein Fünftel des gesamten CO 2-Ausstoßes verursacht. Ich halte es aber dennoch für wichtig, bereits heute Verantwortung zu zeigen und zu realisieren, was wir realisieren können.

Es heißt immer, das größte Einsparpotenzial in Fertigung und Montage läge in energieeffizienten Antrieben.

Ja, das ist in der Tat ein wichtiger Hebel. In Summe haben wir durch die verstärkte Einführung energieeffizienter Antriebe in der Fertigung ein Einsparpotenzial von etwa acht Prozent identifiziert. Die Hälfte davon entfällt auf die Umstellung auf elektronische Frequenzregelungen. Und jeweils etwa zwei Prozent können wir mit effizienten Elektromotoren und mit besseren Pumpen holen. Da arbeiten unsere Werke bereits mit Nachdruck dran. Allein durch die Modernisierung der Hallenbelüftung haben wir im Motorenwerk Chemnitz 7,5 Prozent weniger elektrische Leistungsaufnahme.

Die CO 2-Emissionen aus Ihren Fabriken sollen noch stärker sinken als der Energieverbrauch.

Ja, denn wir stellen parallel unsere Energieversorgung um.

Wo liegt Volkswagen denn mit dem heutigen Energiemix?

Dieser Wert ist je nach Standort unterschiedlich. Wir haben langfristig jedoch eine große Vision: Die CO 2-neutrale Fabrik. Neben dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energie gehört dazu beispielsweise auch der Anbau schnell wachsender Hölzer, die das Kohlendioxid wieder auffangen, das in der Fabrik noch entsteht. Solche Hölzer bauen wir beispielsweise bereits auf dem Werkgelände in Emden an.

Das heißt, die 40 Prozent CO 2-Einsparung, die Sie sich bis 2020 vorgenommen haben, kommen wesentlich durch Ausgleichsmaßnahmen zustande?

Nein, Ausgleichsmaßnahmen werden auf das Ziel nicht angerechnet. Aber wenn Sie deutlich weniger Emissionen wollen, wird es nicht anders gehen. Ein Beispiel: Unser Werk im polnischen Polkowice setzt in der Produktion zu 100 Prozent auf grünen Strom, aber die Heizwärme wird von einem in der Nähe befindlichen fossilen Kraftwerk erzeugt. Für das hierbei entstehende Kohlendioxid forstet das Werk zum Ausgleich einen Wald in der Nähe auf.

Auf welche Technologien setzen Sie ansonsten beim Einsatz erneuerbarer Energie?

Das hängt wesentlich von den unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten ab. In Brasilien betreiben wir zwei Wasserkraftwerke zur Energieversorgung. In Südafrika sind besonders Sonne und Wind für uns interessant. Und an der deutschen Nordseeküste in Emden haben wir die größte Windkraftanlage der Welt stehen. Dort setzen wir beim Ausbau unseres Werkes zusätzlich auf die Geothermie: Aufgrund des Marschbodens müssen wir neue Gebäude auf dem Werkgelände ohnehin auf Pfähle setzen. In diese Pfähle setzen wir zusätzliche Sonden zur effizienten Nutzung der vorhandenen Erdwärme. Sie sehen, viele Maßnahmen bieten sich geradezu an, wir müssen sie in unseren Fabriken nur umsetzen - und genau das werden wir künftig konsequent tun!

Sind erneuerbare Energien nicht zu fluktuierend, um damit eine industrielle Stromversorgung zu sichern?

In Deutschland wird im Norden sehr viel Strom aus Windenergie erzeugt, viele industrielle Verbraucher sitzen jedoch im Süden. Das ist in der Tat eine logistische Herausforderung, der man mit dem Netzausbau begegnen kann. Volkswagen produziert jedoch ohnehin einen großen Teil seiner Energie selbst. Wir nehmen das selbst in die Hand. In Wolfsburg zum Beispiel bauen wir ein Gaskraftwerk, das deutlich günstigere CO 2-Emissionen aufweist als das bislang betriebene Kohlekraftwerk. Indem wir unsere eigene Energieversorgung selbst sicherstellen, können wir hier viel mehr gestalten.

Glauben Sie, dass andere Ihnen auf diesem eher ungewöhnlichen Weg folgen?

Volkswagen mag da durchaus eine gewisse Vorbildfunktion haben.

Die Energiebilanz eines Volkswagens wird doch ganz wesentlich durch die Lieferanten bestimmt, die für die Hälfte der Gesamtwertschöpfungstiefe stehen. Wie nehmen Sie da Einfluss?

Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsinitiative holen wir von unseren Lieferanten jeweils eine Bestätigung ein, dass Sie unsere Ziele kennen und ebenso unterstützen. Wir legen Wert darauf, dass unsere Qualitätsauditoren das Thema Nachhaltigkeit bei unseren Partnern abprüfen. Das geht so weit, dass wir beispielsweise bei unseren Stahllieferanten den gesamten Herstellungsprozess genau hinterfragen.

Was hat denn dazu geführt, dass Volkswagen jetzt das Thema Nachhaltigkeit so stark betont?

Wir sind davon überzeugt, dass es künftig einen klaren Wettbewerbsvorteil darstellt, wenn Produkte ökologisch verträglich hergestellt werden. Wir haben nur eine Umwelt, und mit der müssen wir sorgsam umgehen. Wir merken beispielsweise bei unseren Werkführungen, dass sich immer mehr Besucher explizit für Energiethemen interessieren. Im Werk Wolfsburg haben wir aus diesem Grunde einen eigenen „Energieweg“ eingerichtet, auf dem wir den Menschen in der Fabrik konkret an über 30 Stationen zeigen können, welche Maßnahmen wir in unserem Stammwerk bereits im Sinne einer „Think Blue. Factory“ umsetzen. Klar ist für uns: Nachhaltige Produktion wird immer wichtiger, auch wenn unsere Kunden weiterhin gerne flotte Autos fahren.

Das Gespräch führte Johannes Winterhagen, Energy 2.0.

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