Smart Sensors „Wir wollen die größte unabhängige Ingenieurssozietät für Funktechnik in Europa werden.“

02.07.2012

Prof. Dr. Peter Waldow, Mitgründer und Geschäftsführer der IMST GmbH, blickt im Gespräch mit E&E-Chefredakteur Michael Brunn auf die 20-jährige Firmengeschichte zurück.

Wie ist das Unternehmen entstanden?

Das war eine ganz spannende Geschichte: Der Hauptgründer, Prof. Wolff, hatte einen Ruf an die Akademie der Wissenschaften in Berlin erhalten. Parallel dazu wollte das Land Nordrhein-Westfalen ein Institut aufbauen, um das damals aufkommende Thema digitaler Mobilfunk zu begleiten. Das war die Zeit, in der die D-Netze entstanden sind, und in NRW waren die beiden großen Netzbetreiber Mannesmann Mobilfunk und Deutsche Telekom. So wurde 1992 in Kamp-Lintfort IMST gegründet. Angefangen haben wir mit einem Team von 23 Mitarbeitern. Zwei Jahre lang haben wir das alte Rathaus der Stadt genutzt und in dieser Zeit einen Neubau mit 4.000 qm Labor- und Nutzfläche auf die Beine gestellt. So stand uns ab 1995 eine professionelle Entwicklungsumgebung für unsere Arbeit zur Verfügung.

In welchen Bereichen ist IMST heute tätig?

Diese Frage konnte man früher sehr einfach beantworten - digitaler Mobilfunk, also GSM, UMTS. Wir haben uns mit Entwicklung und Forschung im digitalen Mobilfunk beschäftigt, u.a. für Firmen wie Siemens Mobilfunk, Alcatel, Bosch/Blaupunkt und andere. Siemens Handys bis zum S65 sind zum großen Teil in Zusammenarbeit mit unseren Ingenieuren entstanden.

Wir haben daher unseren Fokus erweitert und man kann heute sagen: Wir beschäftigen uns mit allem, was in irgendeiner Weise funkt. Dazu gehören Themen wie drahtlose Sensortechnik, Gebäude- und Industrieautomation, Car2Car-Kommunikation und Infotainment in Fahrzeugen, Sicherheitstechnik aber inzwischen auch Medizintechnik. Ein ganz wichtiges Feld ist die Satellitenfunktechnik. Hier kooperieren wir erfolgreich mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der ESA.Wir decken inzwischen den gesamten Bereich der Mikroelektronik ab, aber in der Regel ist bei dem, was die Kunden bei uns nachfragen, immer eine Funk-Komponente dabei.

Was macht IMST aus? Was sind die Erfolgsfaktoren?

Wir sind eines der größten Ingenieurbüros in den Bereichen Funktechnik und Mikroelektronik. Neben der hervorragenden Labor-Ausstattung heben uns zwei wesentliche Alleinstellungsmerkmale aus der Masse der Ingenieurbüros heraus: Erstens hat die Mannschaft von IMST eine sehr breite Expertise in allen Funktechnologien und zweitens bietet IMST den Kunden die komplette Dienstleistungskette einer Produktentwicklung von der Machbarkeitsstudie bis zum zertifizierten Produkt. Zudem bieten wir über unsere Vernetzung in der Universitätslandschaft und europäischen Forschungsnetzwerken unseren Kunden stets die neuen Technologien an - wir verkaufen also Wettbewerbsvorteile.

Was waren die Produkt- und Entwicklungshighlights der ersten 20 Jahre?

In der Goldgräberstimmung des digitalen Mobilfunks hatte die Firma Blaupunkt 1995 die Idee, das Autoradio mit einem GSM-Mobilfunktelefon zu verbinden. Da man das intern nicht zufrieden stellend lösen konnte, wurde das Projekt ausgelagert. Lucent, Debis Systemhaus und IMST haben gemeinsam innerhalb von 18 Monaten das erste Radiophone bis zur Serienreife entwickelt. Mit diesem Meisterstück waren wir hervorragend in der Szene etabliert und konnten uns dann relativ schnell ein gutes Standing bei Siemens im Bereich Mobilfunk-HF-Entwicklung und bei Alcatel im Bereich Antennenentwicklung erarbeiten.Im Bereich der Satellitenfunktechnik arbeiten wir eng mit dem DLR und Satellitenherstellern zusammen. So können wir stolz berichten, dass auf Satelliten wie z. B. TerraSAR-X und TanDEM-X, Mikrowellentechnik von IMST installiert ist - ein Stück Kamp-Lintfort fliegt mit! In guter Kontinuität arbeiten wir gerade mit dem DLR an der Bestückung der Heinrich-Hertz-Mission, mit der Deutschland zeigen will, dass wir in der Lage sind, einen Kommunikationssatelliten ins All zu schießen. Und - ohne zu übertreiben - mit unserer Kompetenz im Bereich der Technologie und Mikrowellentechnik sind wir ein Schlüsselfaktor für die Mission!

Worauf sind Sie besonders stolz?

Wir haben hier eine gewisse Metamorphose durchgemacht. Wir sind ins Leben gerufen worden, um mit Wissenschaft und Forschung den Mobilfunk zu begleiten. Aber seit Ende der 90-er Jahre mussten wir immer eigenständiger wirtschaften und haben uns von einem Forschungsinstitut zu einer profitabel arbeitenden Ingenieurssozietät mit 180Mitarbeitern entwickelt. Die Mannschaft hat sich durch hervorragende Arbeit in den letzten Jahren ihren Stellenwert an den internationalen Märkten erarbeitet. Im Jahr 2000 hatten wir 100 Mitarbeiter und heute, zehn Jahre später, sind es 180. Wir haben ein kontinuierliches und sehr gesundes Wachstum erreicht und wir denken, dass wir auch zukünftig weiter wachsen.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten 20 Jahren gewandelt?

Am Anfang waren wir stark von der Forschung geprägt. Hier haben wir uns über die Jahre einen guten Ruf erarbeitet, so dass wir heute in Konsortien ein sehr gefragter Partner sind. Aus derartigen multilateralen Forschungskonsortien ergeben sich häufig bilaterale Kooperationen kommerzieller Natur. Mittlerweile ist das Hauptgeschäft sehr zielorientiert unter industriellen, kommerziellen Gesichtspunkten. Stand früher die Technologieentwicklung im Mittelpunkt, so ist das Kerngeschäft heute die Entwicklung von Funklösungen für konkrete Anwendungen im Auftrag der Kunden. Diesem Trend trugen wir vor zwei Jahren Rechnung durch die Einrichtung des Kompetenzzentrums Automobiltechnik (KAT). Hier entwickeln und integrieren ca. 20 Ingenieure drahtlose Kommunikationstechnik für automobile Anwendungen. Ein Schwerpunkt liegt hier in der Integration von intelligenten Multibandantennen ins Kfz. Ein anderer Bereich ist die Medizintechnik. Wir haben eine intensive Kooperation mit dem Klinikum Essen. Techniken, die wir entwickelt haben, werden jetzt verwendet, um die Spulen in Kernspintomographen zu optimieren. Neben unserer Entwicklungsdienstleistung bieten wir auch Produkte an. Hervorheben möchte ich unseren Feldsimulator Empire XCcel und unsere WiMOD-Funkmodule für die ISM-Frequenzbänder. Diese Diversifizierung in verschiedene Themenfelder und die Arrondierung der Wertschöpfungskette sind im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmenskultur für uns ganz entscheidend.

In den letzten Jahren sind Themen aufgekommen, die vor 20 Jahren keine oder nur eine geringe Rolle gespielt haben. Sind Bereiche wie Erneuerbare Energien oder Elektromobilität für IMST wichtig?

Das Thema Car2Car-Kommunikation haben wir frühzeitig als Schlüsseltechnologie aufgegriffen. Ein anderer Bereich ist die drahtlose Energieübertragung. Auch dieses Thema ist für uns hochinteressant. Aber auch weitere Themen, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind, haben eine hohe Relevanz. Beispielsweise Smart Metering: In meiner Heimatstadt Mülheim werden derzeit Haushalte mit Smart-Meter-Systemen ausgerüstet. Das ist ein Thema, das wir sowohl von der forschungsorientierten Entwicklung als auch von der kommerziellen Seite beleuchten. Wir haben bereits eines der besten Wireless-M-Bus-Module im Markt, können aber auch alle anderen Anbindungen via Funk wie ZigBee, WLAN oder Mobilfunk anbieten - so vernetzten wir die Kommunikationstechnik mit der Energietechnik.

Viele Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel. Ist das bei Ihnen auch ein Problem?

Bei deutschen Absolventen besteht tatsächlich ein Mangel. Aber durch die auslandsorientierten Studiengänge an fast allen deutschen Universitäten und unserem Angebot an Praktika und Diplomarbeiten in Zusammenarbeit mit vielen Hochschulen finden wir immer noch sehr gute Absolventen. Aus den europäischen Projekten haben wir ein ganzes Netzwerk mit ausländischen Universitäten und Akademien. Darüber ist es uns gelungen, zahlreiche Absolventen, beispielsweise aus Spanien und Griechenland, zu gewinnen. Das sind ganz hervorragend ausgebildete junge Leute, denen wir gezielt die Möglichkeit bieten, mit europäischen Mobilitätsstipendien hier herzukommen. und nach Ablauf des Stipendiums eine spannende Position in der Entwicklung einzunehmen. Mittlerweile kommen etwa 30Prozent unserer Mitarbeiter aus dem Ausland.

Jetzt haben wir viel über die letzten 20 Jahre gesprochen - wie sehen die nächsten 20 aus? Was sind Ihre nächsten großen Projekte?

Wir haben uns als Ziel gesetzt, in den nächsten 20 Jahren die größte unabhängige Ingenieurssozietät im Bereich Funktechnik im Wirtschaftsraum Europa zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, intensivieren wir den Bereich Chipdesign. Dafür haben wir in den letzten Jahren eine eigene Abteilung gegründet, die sich mit dem Entwurf von integrierten Schaltungen für eigene Produkte als auch für Auftragsentwicklungen beschäftigt. Das ist der am schnellsten wachsende Bereich und wir gehen davon aus, dass wir da noch weiter personell wachsen. Außerdem werden wir den Bereich der eigenen Produkte weiter ausbauen. Was mit den Softwaretools begann und in den letzten Jahren mit den Funkmodulen fortgesetzt wurde, soll in den kommenden Jahren um Gateways und komplette Lösungen erweitert werden.

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