Sebastian Gitte ist bei Schubert Motorsport für die Reparatur und den Nachbau von Autoteilen aus Carbonfaser-Verbundmaterial zuständig. Das Motorsportteam entwickelt und baut Tourenwagen. Und so ähnlich, wie sich ambitionierte Autobastler das ausmalen, geht es bei Schubert in der Werkstatt auch zu.
„Ich erhalte ein defektes Bauteil und entscheide individuell, wie ich es repariere“, sagt Gitte und zeigt auf eine Frontspoiler-Stoßstange, die er gerade bearbeitet. Ein Teil ist abgerissen und muss ersetzt werden. Am Materialquerschnitt ist sichtbar, welche Materialien verwendet wurden – in diesem Fall Carbon.
Der Composite-Experte fertigt zunächst ein Kunststoffwerkzeug, das er in der Regel vom Bauteil abformt, sofern noch genügend Material hierfür vorhanden ist. Oft ist es notwendig, ein gleichartiges Original-Bauteil als Modellgrundlage für den Formenbau zu verwenden.
Lufteinschlüsse herausziehen
In diesem Formwerkzeug wird anschließend das Ersatzteil aus Carbonmaterial gefertigt. „Beim Handlaminierverfahren werden meist ein bis zwei Carbonmatten-Lagen in die Form gelegt, die vorher mit einem semipermanenten Trennmittel und Gelcoat bestrichen wurde“, erklärt Gitte. Dies sei notwendig, damit die Form nach Fertigstellung des Leichtbauteils wiederverwendet werden könne. „Die Matten bestreiche ich mit flüssigem Harz, das zuvor mit einem Härter gemischt wurde.“ Der Faserverbund wird noch mit einem Vlies belegt, bevor die Form samt Inhalt in einen Foliensack gepackt wird.
Gitte verschließt das sogenannte Bag luftdicht mit einem Bagging-Tape. Dabei legt er einen Schlauch seitlich ein, durch den das Bag mittels Unterdruck anschließend evakuiert werden soll. „Mit diesem Verfahren werden alle Lufteinschlüsse aus dem Carbon-Harz-Verbund herausgeholt“, sagt Gitte. Für die Qualität und die Optik des nachgebauten Ersatzteils sei dies entscheidend.
Der Schlauch wird mit Umweg über einen Topf, der angesaugtes Material auffängt, an ein Vakuumpumpen-System von Atlas Copco angeschlossen. „Wir haben zwei Vakuumpumpen vom Typ GVS 40“, so Gitte. „Jede liefert einen für uns perfekten Druck von unter einem halben Millibar absolut.“
In weniger als einer Minute sei das Bag evakuiert. Der Faserverbund härtet dann unter Vakuum je nach Anforderungen bis zu zehn Stunden, bevor das fertige Teil aus Folie und Werkzeugform gelöst wird. „Die ersten Versuche haben wir mit einer kleinen Werkstattpumpe gemacht“, blickt Gitte auf die Anfänge der Carbonfertigung bei Schubert zurück. „Bei etwa 100 Litern Luft im Bag hätte es Stunden gedauert, um diese zu evakuieren.“
Druckluft- und Vakuumbedarf stieg
Als Schubert 2016 den Standort erweiterte, um mehr Möglichkeiten für den Neuaufbau und die Weiterentwicklung der Fahrzeuge zu haben, wurde auch die Carbonabteilung eingerichtet. Hierdurch stieg der Bedarf an Druckluft und Vakuum deutlich. Repariert werden Stoßstangen, Flügel, Aerodynamikteile, Seitenschweller und auch große Komponenten wie Motorhauben. Die damalige Werkstattpumpe hätte dafür nicht ausgereicht, heißt es bei dem Motorsport-Team.
Die neue Anlage, entworfen von Dr. Weigel Anlagenbau, Handelspartner von Atlas Copco, ist auf einem Podest auf halber Hallenhöhe untergebracht. Der Unterdruck wird von zwei ölabgedichteten Drehschieber-Vakuumpumpen des Typs GVS 40 erzeugt. Die Pumpen mit einem Saugvermögen von 40 m3/h verdichten auf unter 0,5 mbar (absolut).
„Bisher wechseln sich die beiden GVS ab, eine würde derzeit unseren Bedarf decken“, sagt Gitte. „Aber wir sind ja noch in der Anfangsphase. Wenn die Auslastung höher werden sollte, was wir uns erhoffen, sind wir hierfür gut aufgestellt.“ Welche Vakuumpumpe in Betrieb geht, wird von der übergeordneten Steuerung des Typs ES 6V ausgewählt, damit beide gleichmäßig ausgelastet werden.
Neue Technologie zur Drehzahlregelung
Auf dem Podest steht auch ein öleingespritzter Schraubenkompressor GA 11 VSD+ FF. Er versorgt Exzenterschleifer, Schlagschrauber und Sandstrahlgerät mit Druckluft. Die Werkzeuge werden unter anderem zur Bearbeitung der Form und für die Montage der Getriebe genutzt.
Der Kompressor ist drehzahlgeregelt (VSD = Variable Speed Drive) und damit in der Lage, die erzeugte Druckluftmenge automatisch an den Bedarf der Maschinen anzupassen. GA-VSD+-Kompressoren sollen durch ihren Permanentmagnetmotor (Wirkungsgrad gemäß IE4) und eine neue Technologie zur Drehzahlregelung (erkennbar am „+“ in „VSD+“) besonders effizient arbeiten. Der Schraubenkompressor ist außerdem mit einem integrierten Kältemitteltrockner ausgestattet (dafür steht das FF = Full Feature). Ergänzt wird die Station von einem OSC-32-Ölabscheider und einem 800 Liter fassenden Druckluftbehälter.
Begehbarer Ofen für hitzebeanspruchte Bauteile
Anschlüsse der Vakuumleitungen sind einerseits in der Werkstatt vorhanden, in der Sebastian Gitte die Handlaminierungen vornimmt. Ebenso führen Leitungen im Nebenraum direkt in einen begehbaren Ofen, in dem einige Carbonteile unter Vakuum aushärten. „Je nachdem, wo das Bauteil später eingesetzt wird, ist eine Aushärtung unter Wärmeeinwirkung notwendig“, sagt Gitte. Bauteile, die später starker Hitze standhalten sollen, müssten auch bei solchen Temperaturen aushärten. Die Frontspoiler-Stoßstange, die Gitte gerade bearbeitet, braucht nicht in den Ofen gelegt zu werden, weil sie im Rennen nur normalen Außentemperaturen ausgesetzt ist.
Je nach Anforderungen des Bauteils – etwa an Stabilität und Crash-Resistenz – stehen verschiedene Härter mit unterschiedlichen Aushärtezeiten zur Verfügung. Und auch die Viskosität der Harzmischung gilt als Stellschraube in der Carbonteilefertigung.
„Beim Harzinfusionsverfahren wird das Harz per Unterdruck in den trockenen Gewebeaufbau eingesaugt“, erklärt Gitte. Bei diesem Verfahren, das sich zum Beispiel für sehr große Bauteile eigne, treibe das Harz sozusagen die Luft vor sich her. „Hierbei ist es wichtig, dass es flüssig genug ist, um das Material zu durchdringen, bevor es aushärtet. Zu flüssiges Harz überrennt das Gewebe zu schnell, sodass Lufteinschlüsse bleiben können.“ Am Ende des Tages löst Gitte das neue Ersatzteil aus der Folie und schleift es passend in Form. Dann wird es an die Stoßstange anlaminiert. „Das ist jetzt genauso stabil, wie es das nicht zerstörte Originalteil war.“
Seit 2016 hat das Schubert-Team rund 50 Formwerkzeuge gebaut, mit denen Carbonteile gefertigt werden; Tendenz steigend. Auch im Rennsport ist E-Mobilität und damit Leichtbau ein Thema, heißt es aus Oschersleben. „Für mehr Geschäft in dieser Richtung sind wir mit den GVS-Vakuumpumpen und unserer Druckluftstation gut aufgestellt“, meint Gitte. Um auch an der Rennstrecke mobil fertigen zu können, hat Schubert zudem eine hierfür geeignete Pumpe bei Atlas Copco angefragt.