Die kosmologischen Beobachtungen der Bahnen von Sternen und Galaxien erlauben eindeutige Rückschlüsse darauf, welche anziehenden Gravitationskräfte zwischen den Himmelskörpern wirken. Die erstaunliche Erkenntnis lautet: Die sichtbare Materie reicht bei weitem nicht aus, um die Entwicklung und Bewegungen der Galaxien zu erklären.
Dies legt die Vermutung nahe, dass es dort eine andere, bisher unbekannte Form von Masse gibt. Bereits 1933 schloss deshalb der Schweizer Physiker und Astronom Fritz Zwicky auf die Existenz von sogenannter dunkler Materie.
Dunkle Materie ist eine postulierte Form von Materie, die nicht direkt sichtbar ist, aber über die Gravitation wechselwirkt und dabei etwa fünfmal mehr Masse umfasst als die uns bekannte Materie.
Nun ist es einem internationalen Forschungsteam durch eines am Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern entwickelten Präzisionsexperiments gelungen, den Spielraum für die Existenz von dunkler Materie deutlich einzuschränken. Das AEC mit seinen über 100 Mitgliedern ist eine der international führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Teilchenphysik.
Mysterium dunkle Materie
„Woraus dunkle Materie besteht, ist noch völlig unklar“, erläutert Ivo Schulthess, Doktorand am AEC und Erstautor der Studie. Sicher sei aber, dass sie nicht aus denselben Teilchen aufgebaut ist, aus denen die Sterne, unsere Erde oder wir selbst bestehen. Weltweit wird mit immer sensitiveren Experimenten und Methoden nach möglichen dunklen Materieteilchen gesucht – bis heute jedoch ohne Erfolg.
Eine vielversprechende Kategorie von Kandidaten für dunkle Materieteilchen bilden bestimmte hypothetische Elementarteilchen, die sogenannten Axionen. Ein wichtiger Vorteil dieser extrem leichten Teilchen ist, dass sie gleichzeitig weitere wichtige, bisher unverstandene Phänomene der Teilchenphysik erklären könnten.
Berner Experiment bringt Licht ins Dunkel
„Unserem Team ist es gelungen, dank langjähriger Expertise eine extrem empfindliche Messapparatur zu konzipieren und zu bauen – das Beam-EDM-Experiment“, erklärt Florian Piegsa, Professor für Niederenergie- und Präzisionsphysik am AEC, der 2016 für seine Forschung an Neutronen einen der renommierten ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrats erhielt. Falls die schwer fassbaren Axionen tatsächlich existieren, so sollten sie eine charakteristische Signatur in der Berner Messapparatur hinterlassen.
„Mit unserem Experiment lässt sich die Drehfrequenz von Neutronen-Spins bestimmen, welche sich durch eine Überlagerung von elektrischen und magnetischen Feldern bewegen“, erklärt Schulthess. Der Spin jedes einzelnen Neutrons fungiert dabei als eine Art Kompassnadel, welche sich aufgrund des Magnetfeldes wie der Sekundenzeiger einer Armbanduhr dreht – allerdings fast 400.000-mal schneller.
„Diese Drehfrequenz haben wir permanent genau gemessen und nach kleinsten periodischen Fluktuationen untersucht, welche durch die Wechselwirkung mit den Axionen hervorgerufen werden würden“, erklärt Piegsa. Die Ergebnisse des Experiments waren eindeutig: „Die Drehfrequenz der Neutronen blieb unverändert, was bedeutet, dass es in unserer Messung keinen Hinweis auf Axionen gibt“, so Piegsa.
Parameterbereich erfolgreich eingegrenzt
Durch diese Messungen, welche zusammen mit Forschenden aus Frankreich an der Europäischen Forschungsneutronenquelle des Instituts Laue-Langevin durchgeführt wurden, konnte ein bisher komplett unerforschter Parameterbereich der Axionen experimentell ausgeschlossen werden. Dabei konnte nach hypothetischen Axionen gesucht werden, welche mehr als 1.000-mal schwerer wären, als dies bislang mit anderen Experimenten möglich war.
„Obwohl die Existenz dieser Teilchen auch weiterhin mysteriös bleibt, konnten wir erfolgreich einen wichtigen Parameterraum der dunklen Materie eingrenzen“, bilanziert Schulthess. Zukünftige Experimente können nun auf dieser Arbeit aufbauen.
„Die endgültige Beantwortung der Frage nach der dunklen Materie würde uns einen bedeutsamen Einblick in die Grundlagen der Natur ermöglichen und uns einen grossen Schritt näher an ein vollständiges Verständnis des Universums bringen“, so Piegsa.