Überprüfungskonzept für Dampfmessstellen Dampf genau bewerten

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co.KG

Ohne Dampf geht nichts in der chemischen Industrie, so auch bei Rütgers.

Bild: iStock, ClaireMcAdams
15.11.2016

Durch ein mehrstufiges Überprüfungskonzept sichert das Chemieunternehmen Rütgers am Standort Castrop-Rauxel die Genauigkeit von Energiemessstellen ab.

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Ohne Dampf geht nichts in der chemischen Industrie, so auch bei Rütgers. Das Unternehmen nutzt an acht Produktionsstandorten weltweit ein Nebenprodukt der Steinkohleverkokung, um daraus unverzichtbare Grundstoffe für die Aluminium- und Stahlindustrie sowie technische Öle, Naphthalin und weitere Basis-Chemikalien zu produzieren. Damit stehen der Industrie entscheidende Grundstoffe zur Verfügung, aus denen wichtige Industriegüter entstehen wie Kohlenstoffelektroden, Feuerfestmaterialien, Klebstoffen und Gummiprodukten, beim Betonbau und in vielen anderen Bereichen. Dampf sorgt dabei in den Produktionsanlagen dafür dass in Reaktoren chemische Prozesse kontrolliert ablaufen, in Büro- und Verwaltungsgebäuden garantiert er angenehme Wärme.

Doch Dampf benötigt in der Herstellung viel Primärenergie und ist somit ein großer Kostentreiber. Am Standort Castrop-Rauxel hat Rütgers deshalb in den vergangenen Jahren in eine umweltschonende Herstellung investiert: Im Jahr 2004 nahm man dort ein eigenes Energiecenter mit einer Gas- und Dampfturbinenanlage in Betrieb, die allein den CO2-Ausstoß des Standorts um ein Drittel senken konnte. Nun rückt auch das Thema Energiekostenreduktion, Aufdeckung und Minimierung von Bilanzierungsverlusten sowie ein aktives Energiemanagement verstärkt in den Fokus der Unternehmenssteuerung. Eine Zertifizierung des Energiemanagementsystems gemäß ISO 50001 ist in Vorbereitung. Doch auch hier gilt: Nur was man messen kann, kann auch gesteuert werden. Und das was man misst, sollte nachweislich genau sein.

Dampfmessstellen praxisgenau bewerten

Die Situation bei Rütgers ist vergleichbar mit vielen anderen Chemiestandorten: Ein Kraftwerk, betrieben von einem externem Energieversorger liefert Energie und Dampf, der gemessen und verrechnet werden muss. Innerhalb des Standortes wird der Dampf über mehr als 100 Messstellen in verschiedene Betriebsteile zu den Abnehmern weiterverteilt. Um nun die teilweise seit Jahrzehnten betriebenen Messstellen hinsichtlich ihrer aktuellen Praxisgenauigkeit zu bewerten, wäre eine Überprüfung durch Verifikation oder Kalibrierung die genauste Lösung.

Da die Hilfskreisläufe und Versorgungsenergien in den meisten Fällen jedoch nicht einfach unterbrochen werden können und Prüfungen im Falle eines Verdachts auf Messabweichungen bei herkömmlicher Messtechnik nicht möglich sind oder zu kostenintensiv wären, hat man sich bei Rütgers zunächst auf ein alternatives Lösungskonzept verständigt. Dieses ermöglicht die Berechnung der maximalen theoretischen Gesamtmessunsicherheit unter Prozessbedingungen, also auch bei ungünstigsten Betriebsbedingungen, die erfahrungsgemäß zu den maximalen Messabweichungen führen.

Die Berechnung erfolgte mit dem Applicator Sizing Energy Tool von Endress+Hauser. Dessen Kernfunktion ist die Berechnung der Durchfluss- und Energieströme unter Angabe der Messgenauigkeit. Diese ist eine wichtige und häufig die entscheidende Größe für die Qualität einer Messung. Hierbei werden die Messunsicherheiten aller verwendeten Sensoren und Messgeräte einzeln ermittelt, gewichtet und daraus die kombinierte Messunsicherheit (Gesamtmessunsicherheit) der Messstelle gemäß ISO-Richtlinien berechnet. Die kombinierte Berechnung der Unsicherheit ist für den Anwender großer Bedeutung – derartige Berechnungen sind nur von wenigen Experten zu bewerkstelligen und oft selbst kaum durchführbar.

Das Überprüfungskonzept bei Rütgers wird in mehreren Stufen umgesetzt. Eine erste Messstellenauflistung und Kategorisierung hinsichtlich Relevanz und Kritikalität übernimmt Rütgers selbst. Ein Servicetechniker von Endress+Hauser führt anschließend für jede als kritisch eingestufte Messstelle durch eine Anlagenbegehung eine Bewertung der Einbausituation, Betriebsbedingungen und Arbeitsbereiche durch. Diese Bewertungen werden dann bei der sich anschließenden Genauigkeitsberechnung individuell berücksichtigt. Der Techniker erstellt abschließend für jede Messstelle ein Berechnungsprotokoll in der die Gesamtmessunsicherheit ausgewiesen ist, welches als Basis für weitere Maßnahmen dient.

Durchgängige Validierung

Sollte eine Berechnung angezweifelt werden oder liegt die berechnete Gesamtgenauigkeit außerhalb des akzeptierten Fehlerniveaus, kann die theoretisch berechnete Genauigkeit der Komplettmessstelle praktisch überprüft werden. Hierzu bietet Endress+Hauser als akkreditierter Kalibrierdienstleister gemäß ISO/IEC 17025 eine durchgängige Messstellen-Validierung. Dazu gehört eine Vor-Ort-Kalibrierung und -Verifikation zur nachhaltigen Überprüfung von Dampfmessstellen. Jede Komponente einer Messstelle lässt sich generell durch Einzelkalibrierungen vor Ort mit rückführbaren Kalibratoren überprüfen. Ein Ausbau zur Kalibrierung der Geräte ist dabei nur zum Teil notwendig. Ist eine Kalibrierung nicht möglich, können durch eine Verifikation mittels Fieldcheck und Heartbeat-Technology Durchflussmessgeräte auch im eingebauten Zustand ohne Prozessunterbrechung kontrolliert werden.

Abschließender Baustein der Validierung ist eine Gesamtgenauigkeitsberechnung, die im Unterschied zur theoretischen Berechnung die Kalibrier- und Verifikationsergebnisse sämtlicher Messstellenkomponenten berücksichtigt. Die Genauigkeitsberechnung wird in einem Messstellen-Validierungsbericht dokumentiert und stellt somit einen Nachweis der Präzision der Dampfmessungen des Messsystems dar. Neben der Spezifizierung der Gesamtmessunsicherheit enthält der Bericht eine anteilige Darstellung der Einzelkomponenten des Messkreises, die zu der Gesamtmessunsicherheit beitragen. Diese Darstellung bildet somit die Informationsbasis für mögliche Verbesserungen der Messstelle, wie der Austausch einer defekten oder unzureichend genauen Messkomponente durch ein Messgerät mit höherer Genauigkeit. Durch das mehrstufige Überprüfungskonzept haben sich die Ursachen von Messabweichungen und darauf aufbauend geeignete Verbesserungsansätze schnell gefunden.

Bildergalerie

  • Die Validierung von Dampfmessstellen umfasst neben einer Kalibrierung und Verifikation eine Gesamtgenauigkeitsberechnung, die Kalibrier- und Verifikationsergebnisse sämtlicher  Messstellenkomponenten berücksichtigt.

    Die Validierung von Dampfmessstellen umfasst neben einer Kalibrierung und Verifikation eine Gesamtgenauigkeitsberechnung, die Kalibrier- und Verifikationsergebnisse sämtlicher Messstellenkomponenten berücksichtigt.

    Bild: Endress+Hauser

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