Embedded & Mikroprozessoren Das Netz in der Wolke

28.04.2012

In der vernetzten Welt stellt die Vereinigung der realen und virtuellen Umgebung nur einen logischen weiteren Schritt dar. Zu den Elementen auf dem Weg in die Umsetzung derartiger Netze zählen Cyber-Physical Systems (CPS), die sich aus der Verknüpfung von Embedded-Systemen untereinander sowie mit Web-basierten Diensten ergeben. Die damit verbundenen Herausforderungen betreffen Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.

Der Themenkreis CPS (der letztlich zum „Internet der Dinge“ gehört), das Umfeld sowie das gesamte Spektrum setzen visionäres Denken voraus. Denn die Beherrschung dieser komplexen Systeme führt zu einem tiefgreifenden Wandel mit einer Dynamik, hinter der Anforderungen, Flexibilitäts- und Produktivitätspotenziale als Triebfedern stehen und die tief in unternehmerische Strategien eingreift. Wirtschaftlich gesehen hängt das CPS-Potenzial eng mit dem Wandel von Produkten zu integrierten, interaktiven Dienstleistungen und Lösungen zusammen. Die Wertschöpfungen, die dabei in wirtschaftlichen Ökosystemen erbracht werden, erfordern neue Architekturen und Geschäftsmodelle sowie offene Standards und Plattformen für die Interoperabilität von Systemen.Alleine in Deutschland werden mit eingebetteten Systemen nach Meinung von Experten nahezu 20 Milliarden Euro umgesetzt - darunter in so bekannten und weit verbreiteten Anwendungen wie dem ABS-System im Auto, in Fertigungssteuerungen, in der Unterhaltungselektronik oder in der Medizintechnik, wo sie weitgehend unbemerkt ihre unverzichtbare Arbeit verrichten. Diese mit einem Mikroprozessor (MCU oder CPU) ausgerüsteten und von Sensoren angesteuerten, bislang alleinstehenden Applikationen sollen künftig - drahtgebunden, drahtlos oder über das Internet - miteinander Verbindung aufnehmen, sich austauschen und über Aktoren oder rückgekoppelte Befehle entsprechend den Vorgaben sinnvolle Reaktionen auslösen.

Gesteigerte Komplexität für Entwickler

Diese Cyber-Physical Systems bilden Systemlandschaften und soziotechnische Systeme mit innovativen, oft revolutionären Anwendungen. Die exponentielle Zunahme an verfügbarer Rechenleistung, Übertragungs- und Speicherkapazität erschließt in Verbindung mit der Mikrosystemtechnik den vernetzten Peripherie-, Kommunikations- und Steuerungssystemen zahllose komplexe Anwendungen. Durch IT-Systeme in Verbindung mit dem Internet werden softwareintensive Systeme und Geräte zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Aber die mit CPS verbundenen Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen. Der Umgang mit heterogen vernetzten Gebilden stellt höchste Ansprüche vor allem an Softwareingenieure, die beispielsweise bei facettenreichen Verknüpfungen in der Produktion oder im Kraftfahrzeug auch Problemstellungen aus dem Maschinenbau, aus der Elektrotechnik sowie der Informatik mit berücksichtigen müssen. Zu den erforderlichen Kompetenzen im Software-Engineering zählt unter anderem eine hohe Abstraktionsfähigkeit als Basis für eine erfolgreiche Modularität und Wiederverwendung.Künftige CPS werden faszinierende Beiträge zu Lebensqualität, Sicherheit und Effizienz sowie zur Versorgungssicherheit in den Bereichen Energie, Wasser oder Medizin leisten und damit zur Lösung zentraler Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen. Die Experten erwarten auch, dass diese Systeme auch Versorgung, selbstbestimmtes Leben und Sicherheit im Alter übernehmen. Zum Beispiel können Smart-Health-Systeme mittels Sensoren Gesundheitsdaten erfassen, sie vernetzen Patientendaten und Patienten, �?rzte und Therapeuten miteinander und ermöglichen Ferndiagnosen sowie medizinische Versorgung zu Hause. Intelligente CPS koordinieren den Verkehrsfluss, unterstützen Menschen in kritischen Situationen und reduzieren den Energieverbrauch - sowohl im Verkehr als auch im Smart Grid. Es entsteht ein nachhaltiger Strom von Innovationen, der gestaltet werden muss. Ungelöst sind in solchen Zusammenhängen noch Probleme des Datenschutzes, des Schutzes der Privatsphäre sowie der Mensch-Maschine-Interaktion. Dazu kommen Fragen, deren Beantwortung die CPS-Akzeptanz beeinflusst, etwa nach individueller Handlungsfreiheit, Governance und Fairness in der verteilten Steuerung, nach Selbstorganisation und -steuerung von Infrastruktur- und Versorgungssystemen.

Einsatzbereiche sind zahlreich

Deutschland gehört hinsichtlich der CPS-Vorstufen (Embedded-Systeme, integrierte Sicherheitslösungen und Engineering komplexer Systemlösungen) zu den Weltmarktführern und hat die Chance, zum Leitanbieter zu werden - entsprechende Kooperation von Industrie und Politik vorausgesetzt. Cyber-Physical Systems werden in allen relevanten Infrastrukturbereichen eine Rolle spielen und zu bahnbrechenden Entwicklungen führen. Als Nutzen hinter allem winken, je nach Anwendung, höherer Komfort, Zeitsouveränität, Ubiquität, Zuverlässigkeit, Information und Effizienz. Dabei sind den Einsatzbereichen keine Grenzen gesetzt. Zu den technischen Fragestellungen gesellen sich zwangsläufig unternehmerische und gesellschaftliche Aspekte, die nur in enger, vorwettbewerblicher Zusammenarbeit von Großunternehmen, KMU, Forschungseinrichtungen und Verbänden hinreichend analysiert werden können - so geschehen in einer umfangreichen Untersuchung der Acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften), deren Ergebnisse jetzt vorgelegt wurden („Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems“ vom März 2012). Die als Arbeitsakademie organisierte Acatech vertritt die Interessen der deutschen Technikwissenschaften im In- und Ausland und berät Politik und Gesellschaft in technikwissenschaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Die CPS-Studie zeigt klar das Innovationspotenzial auf und identifiziert ein breites Spektrum konkreter Handlungsfelder. Im nächsten Schritt gilt es, die entsprechende Technologie- und Handlungskompetenz für CPS durch gemeinschaftliche Forschungsprojekte voranzutreiben. Die Erschließung dieses Innovationsfelds erfordert gezielte politische, wirtschaftliche, technologische und methodische Anstrengungen. Zu bewältigen ist ein Komplex von Fragen und Herausforderungen für die bedarfsgerechte Gestaltung und Nutzbarmachung von Cyber-Physical Systems samt Anwendungen. Zitat aus der Studie: „Die gute Ausgangsposition kann unter dem hohen Innovationsdruck der CPS nur gehalten und ausgebaut werden, wenn Deutschland auch seine diesbezügliche Innovationsführerschaft sichert und die Marktführung bei eingebetteten Systemen ausbaut, um den Wandel hin zu Cyber-Physical Systems und deren Potenziale zu nutzen.“ Es ist erklärtes Ziel des Projekts AgendaCPS und der vorliegenden integrierten Forschungsagenda, einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, der die Notwendigkeit aufzeigt, an der CPS-Evolution und dem damit einhergehenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur teilzunehmen, sondern diese Revolution im globalen Wettbewerb mit anderen Industrien und Technologiestandorten maßgeblich mitzugestalten. Der Wandel durch Cyber-Physical Systems schafft neue wirtschaftliche Möglichkeiten und führt in wichtigen Branchen zu disruptiven �?nderungen von Märkten und Geschäftsmodellen. Dieses Moment zu nutzen erfordert schnelles Handeln. Deshalb analysiert und charakterisiert die AgendaCPS die Fähigkeiten, Potenziale und Herausforderungen von Cyber-Physical Systems: Nutzen und Mehrwert für Gesellschaft und Wirtschaft sowie Anforderungen an Technologie, Forschung, Wirtschaft und Politik zur Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Wesentliche Beiträge sind die Analyse der Herausforderungen und offenen Fragen hinsichtlich Sicherheit, Risiken und Akzeptanz von CPS-Technik sowie die Ableitung entsprechender Maßnahmen.

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