Grüner Wasserstoff „Das wird ein Wettrennen“

Pepperl+Fuchs SE

„Bezüglich der technischen Sicherheit sind die Experten derzeit der Ansicht, dass die Anforderungen aus dem Gasbereich bezüglich Explosionsschutz auch für Wasserstoff hinreichend sind“, weiß Wolfgang Weber, Global Industry Manager für Erneuerbare Energien bei Pepperl+Fuchs.

Bild: Pepperl+Fuchs
14.03.2023

Wer den Klimawandel bremsen will, kommt an Wasserstoff nicht vorbei. Das Gas ist ein Schlüsselfaktor für die Dekarbonisierung von Wirtschaft, sofern es ohne CO2-Ausstoß gewonnen wurde. Wolfgang Weber, Global Industry Manager für Erneuerbare Energien bei Pepperl+Fuchs, sprach mit der P&A über die Herausforderungen auf dem Weg zu grünem Wasserstoff.

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Welche Rolle spielt Wasserstoff in der Industrie?

Das faszinierende an Wasserstoff sind seine nahezu unbeschränkten Einsatzmöglichkeiten, die alle Bereiche betreffen und natürlich auch die Industrie. Hier kann es um lokale Stromerzeugung mittels Brennstoffzellen gehen, um den Ersatz von Treibstoffen in Fahrzeugen und Aggregaten, aber auch als Ersatz für Ausgangsstoffe in chemischen Anlagen oder Reduktionsmittel im Prozess der Stahlerzeugung. Und nicht zuletzt generell um die Erzeugung von Wärme. 

Im Zuge von Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung nimmt grüner Wasserstoff einen großen Stellenwert ein. Wie ist hier der aktuelle Stand: Welche He­rausforderungen sehen Sie auf dem Weg zum grünen Wasserstoff, damit das Thema auch so gelebt werden kann, wie es gewünscht/gefordert wird? 

Derzeit stehen keine nennenswerten Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung. Die Produktion muss also massiv hochgefahren werden. Da befürchten viele das berüchtigte Henne/Ei-Problem. Also, können Erzeugung und Bedarf zeitlich parallel hochgefahren werden? Ich persönlich sehe dies aber nicht als Problem, da allein die Substituierung des derzeit verwendeten grauen durch grünen Wasserstoff alle geplanten Kapazitäten der nächsten zehn Jahre auslasten könnte. Wir haben also ganz klar in erster Linie ein Verfügbarkeitsproblem von grünem Wasserstoff.

Bis genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, werden CCS und blauer Wasserstoff die wichtigsten Brückentechnologien sein. Kurz zusammengefasst: Inwiefern unterscheiden sich grüner und blauer Wasserstoff? 

Leider neigen wir in Deutschland zu eher idealistischen und weniger pragmatischen Denkweisen. Deswegen wollte man hier den blauen Wasserstoff gerne aus der Diskussion verbannen. Das hat sich inzwischen geändert. Blauer Wasserstoff wird ebenso wie grauer Wasserstoff aus Erdgas gewonnen, wobei nun aber das dabei freiwerdende CO2 in Kavernen abgespeichert wird und damit nicht in die Atmosphäre gelangen kann. Staaten wie Norwegen bauen hierzu große Kapazitäten auf. Damit wird es zudem möglich sein, CO2 aus schwer dekarbonisierbaren Prozessen wie der Zementherstellung abzunehmen. Grüner Wasserstoff hingegen wird aus reinem Süßwasser mit Hilfe von elektrischem Strom hergestellt. Letzterer sollte natürlich ebenfalls grün sein, wobei sich Windkraftanlagen und Solarkraftwerke anbieten. Da aber der grüne Strom auch für die zunehmende Elektrifizierung benötigt wird, entsteht hier eine Konkurrenzsituation. Der Zubau muss also massiv gesteigert werden. Man spricht hier von einer Vervierfachung. Das wird eine gewaltige Herausforderung. Wenn man wirklich die CO2-Emissionen signifikant verringern will, dann muss man alle Möglichkeiten nutzen, die technisch und ökonomisch realisierbar sind.

Wie ist Ihre Einschätzung: Wann können die am Markt benötigten Mengen an grünem Wasserstoff bereitgestellt werden?  

Das wird definitiv ein Wettrennen. Meine Einschätzung geht eher dahin, dass die Bedarfe schneller wachsen als die Liefermöglichkeiten. Wir beobachten gerade, dass weltweit in allen Bereichen nach Möglichkeiten der Dekarbonisierung oder besser Defossilierung gesucht wird. Auch bei uns fahren die ersten Züge und die ersten LKWs mit Wasserstoff durchs Land – dabei wollte die Politik eigentlich erst die Schwerindustrie umbauen. Aber das Thema gewinnt eine Eigendynamik, die von der Politik nur noch schwer zu steuern ist.

Die Verwendung von grünem Wasserstoff soll bis 2030 mehr als vertausendfacht werden. Ist Wasserstoff auch langfristig eine sichere Technologie?  

Sicherheit hat verschiedene Aspekte. Bezüglich der technischen Sicherheit sind die Experten derzeit der Ansicht, dass die Anforderungen aus dem Gasbereich bezüglich Explosionsschutz auch für Wasserstoff hinreichend sind. Das wird vermutlich noch einmal kritisch hinterfragt, spätestens wenn ein Problem auftauchen sollte. Bezüglich der Versorgungssicherheit kann man sagen, dass derzeit schon mit Salzwasser gearbeitet wird und damit de facto unbegrenzte Mengen zur Verfügung stehen. Ebenso entfällt die mögliche Konkurrenz zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Wenn es um den grünen Strom geht, dann erinnern wir uns daran, dass allein die Sonne ungefähr das 10.000-fache der insgesamt weltweit benötigten Energie auf die Erde abstrahlt. Solarkraftwerke in der Sahara könnten den gesamten Weltbedarf abdecken. Wir sprechen hier auch von der „Demokratisierung“ der Energieversorgung, weil Wind-und Solarkraftwerke mit vergleichsweise geringem Aufwand und Risiko in jedem Land aufgebaut und auch gut skaliert werden können. Das gleiche gilt auch für Elektrolyseure zur Produktion von Wasserstoff. Wir werden hier also ganz neue Player in der nahen Zukunft sehen.

Viele Unternehmen scheitern an der Skalierung und Automatisierung bei der Umsetzung von Wasserstofftechnologien. Wie ist hier eine schnelle Abhilfe möglich?

Ich fürchte, dafür gibt es kein Patentrezept. Es fehlt auch an Personal. Es wird nicht so schnell gehen, wie wir es uns wünschen. Deswegen muss man auch alle Möglichkeiten nutzen und nicht noch zusätzliche Hürden aufbauen. Mit Interesse höre ich gerade, dass der Ruf nach Standardisierung lauter wird: Um Skaleneffekte zu erreichen, muss man in der Lage sein, ein bestimmtes Produkt für eine gewisse Zeit in gleicher Weise zu bauen und nicht alle zwölf Monate eine Leistungssteigerung zu erzwingen. Auch wenn mehrere Hersteller sich bei Komponenten auf Standards einigen könnten, würde das für die Lieferanten Möglichkeiten zur Kostensenkung und Stückzahlsteigerung ergeben. 

Wasserstoff-Technologien „Made in Germany“ sollen künftig im großen Stil exportiert werden. Gleichzeitig fehlt es an genügend Strom aus regenerativen Energien, um grünen Wasserstoff in großen Mengen herzustellen. Ist dies nicht ein Widerspruch?  

Das sehe ich so nicht. Wir produzieren Elektrolyseure und Brennstoffzellen, die wir in alle Welt exportieren. Das gilt heute auch schon für Windkraftanlagen, denn Deutschland hat am weltweiten Kapazitätszubau nicht einmal mehr zwei Prozent Anteil. Die Technik ist das eine, die Produktion ist das andere. Wir müssen aber hart daran arbeiten, wettbewerbsfähig zu bleiben, damit wir nicht das Schicksal der Photovoltaik-Industrie ebenfalls erleiden. Die Produktion von grünen Wasserstoff wird in Deutschland überschaubar bleiben. Wenn wir den Energieimport von 70 Prozent auf vielleicht 60 Prozent drücken könnten, dann wäre schon viel erreicht. Energie-Autarkie ist für uns eine Illusion, es sei denn, es kommen irgendwann tatsächlich die Fusionskraftwerke. Zugleich ist die verstärkte europäische Zusammenarbeit doch absolut wünschenswert. Wir bauen derzeit die Vernetzung mit Norwegen massiv aus. Spanien möchte mit seinen großen Sonnen-Ressourcen und Flächen ein großer Wasserstofflieferant auch für Deutschland werden. Das ist sehr positiv. Es hilft wirtschaftlich schwachen Regionen und stärkt mit der Zusammenarbeit auch den Zusammenhalt.

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