Nationales Forschungsprogramm Demokratie, Fairness, Anonymität: Wie wird Big Data dem gerecht?

Der Umgang mit Daten wird immer mehr zu einer Kernkompetenz unserer modernen Gesellschaft. Welche Chancen birgt Big Data, welche Risiken?

Bild: iStock, peterhowell
08.03.2023

Viele Daten, viele Herausforderungen: Bei einem verantwortungsvollen Umgang kann Big Data zahlreiche Vorteile liefern, geht aber auch mit einigen Schwierigkeiten einher. Das nationale Forschungsprogramm „Big Data“ des Schweizerischen Nationalfonds hat jetzt Möglichkeiten und Herausforderungen verschiedener Technologien untersucht.

Der Einsatz von Big Data kann im Alltag an vielen Stellen behilflich sein – etwa bei der medizinischen Versorgung, der Mobilitäts- und Energieeffizienz oder der Versorgung mit Informationen. Gleichzeitig fordert der vermehrte Einsatz von Big Data heraus, beispielsweise bei der Sicherung demokratischer Prozesse, der Gleichbehandlung und Fairness und dem Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum. Wer versteht die Prozesse, die hinter den Benutzeroberflächen stattfinden? Wofür können sie eingesetzt werden? Und wie können die Datenströme sinnvoll geregelt werden?

Diesen und weiteren Fragen hat sich das nationale Forschungsprogramm „Big Data“ (NFP 75) gewidmet. 37 Forschungsprojekte haben wesentliche Aspekte von Big-Data-Technologien und deren Anwendungen untersucht. Dazu zählen etwa Techniken zur Reduktion der benötigten Datenmenge, Karten zur Eignung erneuerbarer Energiequellen oder ethische Gesichtspunkte von Big Data im Versicherungs- und Personalwesen.

„Das Programm fördert das Wertschöpfungspotenzial von Big Data in vielen Bereichen und stärkt die hervorragende Forschung zu diesem Thema in der Schweiz“, sagt Christian S. Jensen, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 75 und Professor an der Universität Aalborg in Dänemark. Er hält aber gleichzeitig fest: „Die geleistete Arbeit weist auch auf die Herausforderungen hin. Diese gilt es zu bewältigen, um Big Data verantwortungsvoll einzusetzen und gleichzeitig sein Potenzial auszuschöpfen.“

Von Zuversicht bis Misstrauen

Die Projekte des NFP 75 haben einige neue Anwendungen hervorgebracht. Darunter finden sich Prototypen zur automatischen Erkennung von Überschwemmungen, zur Überwachung des Gesundheitszustands von Patienten auf Intensivstationen oder zur Erforschung politischer Szenarien. Die Arbeiten an den Projekten haben gezeigt: um Innovationen mitzugestalten und damit die Entscheidungsautonomie zu wahren, bedarf es auch regulatorischen Fortschritts. „Technischer Fortschritt ist ohne die notwendigen gesetzlichen Grundlagen nicht umsetzbar“, sagt Emanuela Keller, Leiterin der Neurointensivstation am Universitätsspital Zürich.

Für den größtmöglichen Nutzen von Big Data spielt die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von qualitativ hochwertigen Daten eine entscheidende Rolle. Erfassung und Verwendung von Daten sind jedoch eine gleichermaßen gesellschaftliche wie technische Herausforderung. „Unsere Umfrage und Medienanalyse zeigt, dass die Bevölkerung Big Data nicht nur Misstrauen entgegenbringt, sondern auch an seine Potenziale glaubt“, sagt Markus Christen, Geschäftsführer der Digital-Society-Initiative an der Universität Zürich. Damit allerdings ein gerechtfertigtes Vertrauen in die datenverarbeitenden Prozesse aufgebaut werden kann, ist ein verantwortungsvoller Umgang nötig.

Hier ist auch die Gesetzgebung in der Pflicht. Projekte, die sich mit gesellschaftlichen, rechtlichen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Nutzung von Big Data befassten, zeigten regulatorische Defizite auf, wenn es zum Beispiel um potenziell diskriminierende Algorithmen im Personal- oder Versicherungswesen geht. Andere Projekte befassten sich mit den rechtlichen Konzepten von Autonomie und Eigentum. Diese spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die Formulierung neuer Gesetze zur Nutzung von Big Data geht.

Besondere Stellung der Schweiz

Daten sind ein zunehmend wertvolles Wirtschaftsgut; grenzüberschreitende Harmonisierungen in der Regulierung werden allerdings durch nationale Unterschiede bei Datenschutz und Sicherheit erschwert. Die Ergebnisse aus einem Projekt zum internationalen Handelsrecht unterstreichen dessen wachsende Bedeutung und zeigen Wege auf, wie das Recht in datengesteuerten Volkswirtschaften besser genutzt werden kann.

„Die Schweiz könnte dabei als innovatives und global vernetztes Land eine wichtige Rolle spielen“, sagt Mira Burri, Professorin für Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Luzern. Aufgrund der zahlreichen internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz befindet sich das Land in einer Position, um die Harmonisierungsaktivitäten der transnational ausgerichteten Institutionen zu unterstützen.

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