In den letzten 30 Jahre hat sich die CFD-Simulation für die frühzeitige Betrachtung der Wärmewege in elektronischen Geräten und Systemen etabliert. Am Anfang beschränkte sie sich noch auf die reine Wärmeleitungsbetrachtung mit überschlagenen Wärmeübergangskoeffizienten. Mittlerweile ist sogar die Simulation echter Luftbewegungen durch den Wärmeauftrieb möglich. Auch die Wärmestrahlung ist inzwischen als drittes wichtiges Transportmedium, neben den Wärmetransporten
via Wärmeleitung und Konvektion, in der thermischen Simulation integriert.
Steigende Anforderungen mit immer kleiner werdenden Sicherheitstoleranzen erschweren es seit einiger Zeit, die Realität in entwicklungsbegleitenden Simulationen möglichst genau wiederzugeben. Mittlerweile muss bei vielen Geräten etwa auch die Wärmelast durch Sonnen
einstrahlung berücksichtigt werden.
Zum Beispiel bereitete die Wärmelast bei Antennenanlagen oder GPS- und Mobilfunksystemen immer schon Probleme, da sich gerade diese Geräte direkt durch Sonneneinstrahlung oder indirekt durch den sonnenbestrahlten Einbauraum erhitzen. Die bisher berücksichtigte Wärmestrahlung kalkulierte als Wärmetransportweg ausschließlich den Infrarotbereich mit ein. Jeder warme Körper strahlt im infraroten Spektrum. Warme und kalte Flächen tauschen Energie aus, wobei die Energiemenge von verschiedenen Faktoren abhängig ist.
Zum einen spielen die Luftgeschwindigkeit unmittelbar an der Oberfläche und die Oberflächenbeschaffenheit selbst eine Rolle. Zum anderen sind auch der Temperaturunterschied beider Flächen, der Strahlungswinkel und die Größe des sichtbaren Parts des Strahlungspartners relevant. Ist die Luftgeschwindigkeit an der Oberfläche sowie der Turbulenzgrad hoch, steigt der Energieaustausch (Wärmeübergangskoeffizient) mit der Luft und der Anteil der Wärmestrahlung sinkt. Sofern die warme Oberfläche den Strahlungspartner nur teilweise, beziehungsweise in einem flachen Winkel, sieht oder der Temperaturunterschied weniger als 20 Kelvin beträgt, ist davon auszugehen, dass nicht viel Wärme mittels infraroter Wärmestrahlung ausgetauscht wird.
Die Intensität mit welcher eine Oberfläche überhaupt am infraroten Strahlungsaustausch teilnimmt, beschreibt die Emmissivität, ein Wert zwischen 0 und 1. Es handelt sich um eine dimensionslose Zahl, welche die Oberflächenbeschaffenheit beschreibt. Eine blanke, leicht oxidierte Metalloberfläche weist beispielsweise eine Emmissivität von 0,15 – 0,2 auf. Ist diese Oberfläche lackiert, erhöht sich der Wert auf 0,65 – 0,8. Selbst eine eloxierte Oberfläche wirkt gegen eine Pulverbeschichtung effizienter in der Wärmeübertragung.
Sonneneinstrahlung und Wärmelast
Die Oberflächenfarbe fand bislang keine Erwähnung, da im infraroten Wellenlängenbereich alle Objekte grau sind. Relevant wird sie erst in Bezug auf die Sonneneinstrahlung. Darunter ist die von der Sonne emittierte Strahlung zu verstehen. Das elektromagnetische Spektrum der Sonne hat die größte Intensität im Bereich des sichtbaren Lichts. Selbst in der einschlägigen Literatur finden sich unterschiedliche Aussagen über die Wärmeleistung, die auf der Oberfläche der Erde ankommt. Zudem wird die Sonnenleistung für die Photovoltaik gerne mit der Wärmelast vermischt und verwechselt. Beide umfassen Sonnenstrahlung und beide werden in W/m2 angegeben. Es ist davon auszugehen, dass die maximale Wärmelast auf der Erde bei klarem Himmel und mindestens 50 km Sicht unter 1000 W/m2 liegt.
Die Wärmelast ist, ähnlich der infraroten Wärmestrahlung, von verschiedenen
Einflussfaktoren abhängig. Die Sonne ist weit von der Erde entfernt und um ein Vielfaches größer, so dass weitestgehend parallele Sonnenstrahlen vorhanden sind. Durch die approximierte Form der Erde, nämlich einer Kugel, ist der Weg der Sonnenstrahlen zwischen Atmosphäre und Erdoberfläche an verschiedenen Positionen auf der Erde zur selben Uhrzeit unterschiedlich lang. Senkrecht einfallende Sonneneinstrahlung am Äquator um 12:00 Uhr mittags hat einen kurzen Weg und ist viel intensiver als Sonneneinstrahlung zum selben Zeitpunkt in Sibirien. Variiert man den Tag und die Uhrzeit, wird diese Beschreibung noch viel komplexer.
Ein entscheidender Faktor, welcher die Höhe der Wärmelast auf den Einbauraum oder das Gerät selbst beeinflusst, ist zudem die Farbe der Oberfläche. Im sichtbaren Spektrum beschreibt der Reflexionsgrad der Farbe den Anteil der reflektierten Wärmelast. Auch dieser Wert liegt, ähnlich der Emmissivität, zwischen 0 und 1. Der Absorbtionsanteil, der sich direkt in einer Temperaturerhöhung der bestrahlten Oberfläche niederschlägt, errechnet sich, indem der Wert für den Reflektionsgrad von 1 subtrahiert wird.
Assistent für virtuellen Testaufbau
Eine branchenspezifische CFD-Simulationssoftware wie 6SigmaET bietet die Eingabemöglichkeiten und Automatismen, um all diese Faktoren zu berücksichtigen. Die implementierte Solvererweiterung für das Einbeziehen der Sonnenlast ermöglicht es, die Wärmelast und den Einstrahlwinkel entweder per Hand zu definieren oder den integrierten Taschen
rechner für die solare Strahlung zu nutzen. Zudem hilft ein Assistent, Schritt für Schritt die Umgebungsbedingungen des Testaufbaus nachzustellen: Der Nutzer gibt die Position auf der Erde mit Längen- und Breitengrad ein, ferner den Tag und die Uhrzeit im Jahr, den Bewölkungsgrad, die Fernsicht in Kilometer und die Luftfeuchtigkeit in kg/kg. Aus diesen Daten berechnet 6SigmaET automatisch die richtige Wärmelast und den Winkel, unter dem die Sonnenstrahlen das zu prüfende Objekt aufheizen. Die Definition der Zahl an einfallenden Strahlen – zu verstehen als Unterteilung/Rasterweite des Simulationsraums – bestimmt die Auflösung, unter welcher die Oberflächenabschattungen in der Simulation berücksichtigt werden soll.
Gerade für Automobilzulieferer sind diese Funktionen hilfreich, da sie ihre
Elektroniksysteme unter dem heißen Blechmantel des Fahrzeugs verbauen müssen. Aber auch Telekommunikationsunternehmen sind auf Simulationen angewiesen. Gerade im Bereich der Antennensysteme, die direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, ist eine frühe Kalkulation der Wärmelast wichtig.