Embedded & Mikroprozessoren Die Jagd nach dem Billig-PC

02.04.2012

Ein Billig-PC in Scheckkartengröße sorgt für Aufruhr unter Entwicklern und Distributoren. Dabei war das mit dem Raspberry PI alles ganz anders geplant.

700 Vorbestellungen pro Minute, insgesamt mehr als 200.000 Bestellungen in zehn Tagen, es gibt Verzögerungen bei der Lieferung, die halbe Technik-Welt ist am Rande des Nervenzusammenbruchs. Nein, die Rede ist nicht vom neuen iPad, sondern von einem 35-US-Dollar-Mini-PC namens Raspberry. Dabei steckte hinter dem Irrsinn eigentlich eine einfache und harmlose Idee: Die britische Wohltätigkeitsorganisation Raspberry Pi wollte ursprünglich angehenden Entwicklern eine preiswerte Plattform bieten, um Möglichkeiten des Embedded-Computing in einer Linux-Umgebung auszuloten. „Wir wollen Menschen dazu bringen, über ganz neue Möglichkeiten und Ideen nachzudenken“, erklärt Pete Lomas, einer der Entwickler von Raspberry.

Überraschender Start

Verkauft werden soll der Raspberry ausschließlich über die beiden britischen Distributoren Farnell und RS Components - die aber bei Ankündigung des Produkts ihr blaues Wunder erlebten: Zeitweilig sollen 700 Bestellungen pro Minute eingegangen sein, nach zehn Tagen waren es alleine bei RS Components insgesamt etwa 200.000 - bei einer geplanten Serie von 10.000 Boards. Das führte dazu, dass die Webseiten der Distributoren teilweise lahmgelegt waren. „Wir haben noch nie ein derartiges Interesse für ein neues Produkt erlebt, und es ist eine große Herausforderung, dieser unerwartet hohen Nachfrage gerecht zu werden“, erklärt Glenn Jarrett, Head of Electronics Marketing bei RS Components. „Wir möchten, dass unsere Kunden wissen, dass wir eine Reihe von Maßnahmen gestartet haben, um ihnen zu helfen, diese Computer-Boards so schnell wie möglich zu erhalten. Wir werden sie über die Entwicklung der Lieferfähigkeit in den nächsten Wochen auf dem Laufenden halten.“ Auch bei der Raspberry Pi Foundation hat man keine Zweifel an der Arbeit der Distributoren. Liz Upton, eine Sprecherin der Organisation, erklärt: „Wir sind uns sicher, dass die von uns ausgewählten Distributoren alles Mögliche tun werden, um die starke Nachfrage nach unserem ersten Produkt zu erfüllen. Das enorme Interesse und die Menge der Vorbestellungen haben uns überrascht und erfreut, aber wir wissen, das RS alle verfügbaren Kräfte einsetzt, um mit dem Anlauf der Produktion die Lieferungen des Raspberry Pi so schnell wie möglich sicherzustellen.“ Dabei liegt das Problem in Wirklichkeit überhaupt nicht bei den Distributoren. Dass die Nachfrage derart ausfallen würde, war von niemandem vorherzusehen. Daher werden für die erste Serie auch gerade einmal 10.000 Raspberrys gefertigt - die innerhalb von 24 Stunden ausverkauft waren. Wirklich problematisch war ein Produktionsfehler, der die Auslieferung noch einmal deutlich verzögert hat. In den Werken in China und Taiwan, wo der Raspberry gefertigt wird, hatte man versehentlich einen nicht-magnetischen Ethernet-Stecker auf das Board gebaut. Damit wäre eine Internet-Verbindung unmöglich gewesen - und der Raspberry nahezu unbrauchbar. Dieses Problem hat man nun laut der Raspberry Pi Foundation im Griff, Ende März sollen die ersten Boards tatsächlich an die Kunden gehen. Auch wenn sich die Wartezeit dadurch verlängert: An der offenen Kommunikation der Foundation sollten sich viele Hersteller ein Beispiel nehmen.

Mini-PC zum Mini-Preis

Aber was ist nun dieser geheimnisvolle Raspberry genau? Wenn man es ganz einfach zusammenfassen will: Ein Billig-PC in Scheckkartengröße. Denn gedacht war der Raspberry weniger für Entwickler und Hobby-Bastler in der ganzen Welt, sondern vielmehr als günstige Lösung, um Schülern und Studenten die Möglichkeiten der Entwicklung näherzubringen. Die technischen Daten im Überblick:

SoC Broadcom BCM2835 (CPU, GPU, DSP, DRAM) CPU: 700 MHz ARM1176JFZ-S core (ARM11-Familie) GPU: Broadcom VideoCore IV, OpenGL ES 2.0, 1080p h.264/MPEG-4 AVC high-profile decoder Speicher: 256 MByte SDRAM Video-Ausgänge: Composite RCA, HDMI Audio-Ausgänge: 3,5 mm jack, HDMI Onboard-Speicher: SD-, MMC-, SDIO-Kartenslot 10/100-Ethernet-RJ45-Onboard-Netzwerk, 2x USB

Dass bei den Daten viele Entwickler hellhörig werden, ist kein Wunder. Denn mit einem derartigen System lässt sich bereits eine ganze Menge anfangen. Neben dem so genannten Model B soll es künftig auch ein Model A ohne Ethernet und USB geben - zu einem Preis von 25 US-Dollar.

Software-Paket schon verfügbar

Im Gegensatz zur Hardware steht mit dem Raspberry Pi Fedora Remix schon ein Software-Paket zur Verfügung. Das Software-Paket basiert auf dem Fedora-ARM-Projekt und enthält einige zusätzliche Pakete, die verändert wurden oder aus lizenzrechtlichen Gründen nicht im Fedora-Paket enthalten sind. Dazu gehören beispielsweise die Bibliotheken für den Videocore des Raspberry. Insgesamt soll das SD-Karten-Image für die Software 640 Pakete enthalten, sowohl für LXDE und XFCE. Dazu gehören unter anderem eine grafische Benutzeroberfläche, Programmiersprachen, Anwendungen und Systemtools.Beim Linux-Kernel im Fedora Remix-Paket handelt es sich um den Raspberry Pi 3.1.9 Kernel von Github mit einem kombinierten Fedora- und Raspberry-Konfigurationsfile. Die Konfiguration soll Unterstützung für den System-on-Chip, die meisten USB-Geräte und Netzwerk-Funktionen einschließlich IP6 unterstützen. Neben Programmiersprachen wie Phython, Perl, Ruby und Bash gehören auch die Textverarbeitung Abiword, die Tabellenkalkulation Gnumeric, das Grafikprogramm GIMP und Firefox. Insgesamt sind von Fedora ARM mehr als 16.000 Software-Pakete verfügbar, die für die Nutzung mit dem Raspberry angepasst werden können.

Asien ist günstiger

Auch wenn die Raspberry Pi Foundation eine britische Organisation ist und mit dem Vertrieb britische Distributoren beauftragt hat: Gefertigt wird trotzdem in Asien. Die Begründung der Foundation: Es war nicht möglich, diese Mengen zu diesem Preis in Großbritannien fertigen zu lassen. Man habe zwar die Absicht gehabt, in UK fertigen zu lassen, musste dann aber wieder Abstand davon nehmen. So wäre es nicht möglich gewesen, den ursprünglich geplanten Zeitrahmen einzuhalten. Und in vielen Fällen hätte die Foundation auch noch draufzahlen müssen - bei der Produktion in Fernost soll noch ein Gewinn von 5 US-Dollar pro Board drin sein. Und nicht zuletzt soll das britische Steuersystem ein Grund für die Produktion in China und Taiwan gewesen sein. So erklärte die Foundation, dass es günstiger sei, die Boards im Ausland zu fertigen und sie dann wieder zu importieren. Bleibt die Frage: Was macht man mit dem Raspberry tatsächlich? Wird er die Welt revolutionieren oder am Ende doch nur in den Zimmern der Hobby-Bastler landen? Wenn Ende März tatsächlich die ersten Boards ausgeliefert werden sollten, erfahren wir vielleicht mehr. Haben Sie einen Raspberry erhalten? Erzählen Sie uns, was Sie damit machen.

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