Einstein bezeichnete die Verschränkung einmal als „spukhafte Fernwirkung“ – einen seltsamen Effekt der Quantenmechanik, bei dem das, was mit einem Atom geschieht, ein zweites Atom irgendwo anders beeinflusst. Die Verschränkung ist das Herzstück von Quantencomputern, -simulatoren und -sensoren. Bei der Delokalisierung handelt es sich wiederum um das Phänomen, dass sich ein einzelnes Atom an mehr als einem Ort gleichzeitig befinden kann.
Die Gruppe um James K. Thompson, die am Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) der University of Colorado forscht, hat Verschränkung und Delokalisierung jetzt kombiniert, um ein Materiewellen-Interferometer herzustellen, das erstmals Beschleunigungen mit einer Präzision messen kann, die über das Standard-Quantenlimit (eine Grenze für die Genauigkeit einer experimentellen Messung auf Quantenebene) hinausgeht. Künftige Quantensensoren könnten so eine präzisere Navigation erreichen, nach benötigten natürlichen Ressourcen suchen, fundamentale Konstanten wie die Feinstruktur und die Gravitationskonstante genauer bestimmen, dunkle Materie aufspüren oder sogar Gravitationswellen nachweisen.
Erzeugung von Verschränkung
Um zwei Objekte zu verschränken, müssen sie normalerweise extrem nah zusammengebracht werden, damit sie miteinander wechselwirken können. Die Thompson-Gruppe hat jetzt herausgefunden, wie man Tausende bis Millionen von Atomen verschränken kann, während sie Millimeter oder noch weiter voneinander entfernt sind.
Dazu verwenden die Forscher Licht, das zwischen Spiegeln, einem sogenannten optischen Hohlraum, hin- und herspringt, um Informationen zwischen den Atomen zu übertragen und sie in einen verschränkten Zustand zu versetzen. Mit diesem Ansatz haben sie einige der am stärksten verschränkten Zustände erzeugt, die jemals in einem atomaren, photonischen oder festen Zustand hergestellt wurden.
Basierend darauf wurden zwei experimentelle Ansätze entwickelt, die die Wissenschaftler beide in ihrer jüngsten Arbeit eingesetzt haben. Beim ersten Ansatz, der „Quanten-Nichtzerstörungsmessung“, führen sie eine Vormessung des mit den Atomen verbundenen Quantenrauschens durch und subtrahieren dieses dann von der endgültigen Messung. Beim zweiten Ansatz werden die Atome durch das in den Hohlraum eingestrahlte Licht in eine Richtung gedreht, wodurch das Quantenrauschen jedes Atoms mit dem Quantenrauschen aller anderen Atome korreliert wird, wodurch sie gemeinsam „ruhiger“ werden. „Die Atome sind wie Kinder, die sich gegenseitig zum Schweigen bringen, damit sie von der Party hören können, die der Lehrer ihnen versprochen hat, aber hier ist es die Verschränkung, die das Schweigen bewirkt“, sagt Thompson.
Interferometer mit Materiewellen
Einer der präzisesten und genauesten Quantensensoren aktuell ist das Materiewellen-Interferometer. Die Idee ist, Atome gleichzeitig zu bewegen und nicht zu bewegen, indem sowohl absorbiertes als auch nicht absorbiertes Laserlicht genutzt wird. Das bewirkt, dass sich die Atome im Laufe der Zeit gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten aufhalten.
Doktorand Chengyi Luo erklärt: „Wir bestrahlen die Atome mit Laserstrahlen, sodass wir das Quantenwellenpaket jedes Atoms tatsächlich in zwei Teile aufspalten, das heißt, das Teilchen existiert tatsächlich an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig.“ Spätere Laserpulse kehren den Prozess um und führen die Quantenwellenpakete wieder zusammen, sodass Veränderungen in der Umgebung wie Beschleunigungen oder Drehungen durch eine messbare Interferenz zwischen den beiden Teilen des atomaren Wellenpakets wahrgenommen werden können. Das läuft ähnlich ab wie bei Lichtfeldern in normalen Interferometern, hier jedoch mit De-Broglie-Wellen, also Wellen aus Materie.
Die JILA-Absolventen haben herausgefunden, wie all dies in einem optischen Hohlraum mit hochreflektierenden Spiegeln funktionieren kann. Sie konnten messen, wie weit die Atome aufgrund der Schwerkraft entlang des vertikal ausgerichteten Hohlraums fielen – eine Quantenversion von Galileis Gravitationsexperiment, bei dem Gegenstände vom schiefen Turm von Pisa fallen gelassen wurden, allerdings mit allen Vorteilen der Präzision und Genauigkeit, die die Quantenmechanik mit sich bringt.
„Das Unheimliche nutzbar machen“
Unter der Leitung von Chengyi Luo und Graham Greve gelang es schließlich, das Materiewellen-Interferometer in einem optischen Hohlraum zu betreiben. Dadurch waren die Forscher in der Lage, Licht-Materie-Wechselwirkungen zu nutzen, um eine Verschränkung zwischen den verschiedenen Atomen zu erzeugen und so eine präzisere Messung der Erdbeschleunigung vorzunehmen. Der Gruppe zufolge ist das das erste Mal, dass ein Materiewellen-Interferometer mit einer Genauigkeit über der Standard-Quantengrenze beobachtet wurde.
Luo und Thompson sehen in ihrer Entwicklung viele Vorteile für die Nutzung der Verschränkung als Ressource in zukünftigen Quantensensoren. „Ich denke, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, die Verschränkung in Materiewellen-Interferometer einzubauen, um Gravitationswellen im Weltraum aufzuspüren oder nach dunkler Materie zu suchen – Dinge, die der fundamentalen Physik auf den Zahn fühlen“, sagt Thompson. Aber auch Geräte, die für alltägliche Anwendungen wie Navigation oder Geodäsie genutzt werden können, gehören laut dem Wissenschaftler zu den möglichen Einsatzbereichen.
Thompson und sein Team hoffen, dass andere ihren neuen Ansatz des verschränkten Interferometers nutzen werden, um weitere Fortschritte auf dem Gebiet der Physik zu erzielen. Thompson ist optimistisch: „Wenn wir lernen, all das Unheimliche, das wir bereits kennen, nutzbar zu machen und zu kontrollieren, können wir vielleicht neue unheimliche Dinge über das Universum entdecken, an die wir noch gar nicht gedacht haben!“