Smart Traffic & Mobility Elektrotechnik für den Diesel

Antriebsvariante: Hybridantrieb mit elektrifiziertem Fahrantrieb, Nebenantrieb, Hochvoltspeicher und Bremswiderstand

Bild: Linde MH
23.05.2014

Der Antriebsmotor eines großen Nutzfahrzeugs versorgt in der Regel diverse Fahrzeugsysteme mit Energie. Diese Nebenantriebe zu elektrifizieren ist eine wirtschaftliche und simple Methode, die Energieeffizienz des Gesamtsystems zu steigern.

Zusatzhydraulik, Klimakompressor, Lenkhilfsaggregat und Lüfter: Dies sind Beispiele für Nebenantriebe, die sich einfach elektrifizieren lassen, um damit die Effizienz eines Fahrzeugs zu erhöhen. Das spart Energie und mindert Emissionen und zwar ohne dass große, kostenintensive Veränderungen am Hauptantrieb des Fahrzeugs notwendig wären – eine Alternative, die in vielen Bereichen umsetzbar ist, wie zum Beispiel. in der Agrartechnik, bei Baumaschinen, in Lastkraftwagen, Kommunalfahrzeugen oder Bussen.

Im Wesentlichen sind es dabei zwei Faktoren, die die Energieeffizient steigern. Zum einen werden die Antriebe elektrisch betrieben besser genutzt, da sie bedarfsgerecht zu- und abgeschaltet werden können. Zudem wird die Drehzahl in Abhängigkeit von der abgeforderten Leistung geregelt. Das heißt, die Leistung wird immer genau in dem Umfang bereitgestellt der benötigt wird. Um die Effizienz weiter zu erhöhen, lassen sich elektrische Antriebe auch generatorisch betreiben, um beispielsweise Bremsenergie in einer Batterie zu speichern.

Entscheidet sich ein Fahrzeughersteller dafür, Hilfssysteme elektrisch anzutreiben, profitiert er davon, dass der Verbrennungsmotor weniger Leistung erzeugen muss. So lassen sich unter Umständen strengere Abgasvorschriften erfüllen, ohne dass der Dieselmotor selbst modifiziert oder gar durch ein effizienteres Aggregat ausgetauscht werden müsste. Werden konsequent alle Nebenantriebe einer Zugmaschine elektrifiziert, lässt sich die vom Verbrennungsmotor abgerufene Leistung um bis 25 kW senken.

Technik aus der Staplerfertigung

Für die Umsetzung der Teilelektrifizierung bietet beispielsweise Linde Material Handling ein aufeinander abgestimmtes System, das aus Elektromotor, Zahnradpumpe, Leistungs­modul und Steuerung besteht. Es stammt aus dem Sortiment für die Serienfertigung von Gabelstaplern und Lagertechnikgeräten, bei denen die einzelnen Komponenten zum großen Teil selbst entwickelt und produziert werden.

Leicht umzurüstende Arbeitsmaschinen sind etwa eine Kehrmaschine oder ein Kommunalfahrzeug mit Salzstreuer. Bei konventionellen Fahrzeugen wird der Neben- oder Arbeitsantrieb über die Bordhydraulik versorgt. Dies kann durch eine drehzahlgeregelte 2-kW-Motoreinheit mit integriertem Getriebe ersetzt werden, mit dem Vorteil, dass zum Beispiel die Streuweite über die elektronische Steuerung und die Motordrehzahl nach Bedarf regelbar ist. Die dafür benötigte elektrische Energie kann von einem an der Schwungscheibe des Verbrennungsmotors angeflanschten Generator erzeugt werden. Die entstehende Wechselspannung wird von einem Gleichrichter auf die Gleichspannungsebene eines Zwischenkreises gebracht. In diesem Kreis ist typischerweise ein Pufferspeicher geschaltet, also in den meisten Fällen eine Batterie, die wiederum den Umrichter speist (Abbildung oben). Alternativ kann, abhängig von der benötigten Leistung, die im konventionellen Fahrzeug schon vorhandene 24-V-Batterie verwendet werden, um Nebenantriebe im niedrigen Leistungsbereich zu realisieren.

Breites Einsatzspektrum

Es sind elektrische Antriebssysteme in unterschiedlichsten Leitungsklassen verfügbar. Gemeinsam mit einem auf die Entwicklung von Klimaanlagen in der Bahn- und Sonderfahrzeugtechnik spezialisierten Unternehmen wurde beispielsweise ein elektrischer Klimakompressor mit 5 kW Leistung entwickelt. Kernstück des Antriebs sind der Motor und der Umrichter aus dem Linde-Sortiment. Je nach produktspezifischer Anforderung wird der Kompressor über den Keilriemen oder über eine Antriebswelle angetrieben, entweder direkt oder mittels einer elektrischen Kupplung. Ein Antriebssystem mit 3 kW Leistung kommt dagegen als Antrieb für eine elektro­hydraulische Lenkung zum Einsatz, mit deren Hilfe die Lenkung in modernen Hybridbussen unterstützt wird.

Aber auch batterieelektrische Fahrzeuge haben Neben­antriebe, etwa eine elektrisch betriebene Arbeitshydraulik, wie das Zweiwege-Fahrzeug „Rotrac E4“. Es wird zum Rangieren von Gleiswagen oder Zügen benutzt, zieht auf der Schiene 500 Tonnen und fährt auf der Straße zum Gleis. Angetrieben wird das Fahrzeug durch zwei elektrische Staplerachsen mit vier Fahrmotoren und insgesamt 50 kW Nominalleistung. Ein Pumpenmotor mit angeflanschter 19-ccm-Zahnradpumpe treibt die Arbeitshydraulik. Der Umrichter für diese Anwendung bringt mit 80 V Spannung 50 kW Leistung auf.

Die Arbeitshydraulik wird verwendet, um einerseits die Schienenführung des Fahrzeugs zu heben und zu senken und andererseits eine Bugrolle zu bewegen, die bei der Straßenfahrt zum Lenken verwendet wird. Auch hier ist der Vorteil gegenüber einem verbrennungsmotorischen System, dass die bedarfs­gerechte und leistungsoptimierte Ansteuerung leicht umzusetzen ist. Das „Gehirn“ des Fahrzeugs ist eine Steuerung, die die Befehle der Fernsteuerung in die Ansteuerung der Umrichter für den Fahrantrieb und natürlich auch der Arbeitshydraulik umsetzt. Berührungslose Schalter an der Bug­rolle und an der Schienenführung sowie Drucksensoren sorgen dafür, dass die Steuerung den Zustand und die benötigte Leistung der beiden Verbraucher kennt und eine optimale Regelung zustandekommen kann.

Über den Tellerrand

Komplexe Abgasaufbereitungssysteme oder Leistungssteigerung bei kleineren Motoren sind bei Herstellern verbrennungsmotorischer Arbeitsmaschinen oftmals der Reflex, wenn es gilt, neue Abgasnormen umzusetzen und Verbräuche dementsprechend zu reduzieren. Doch ein Blick über den Tellerrand in andere Branchen und auf andere Technologien lohnt. Die kostengünstige Elektrifizierung von Nebenantrieben heute kann morgen den finanziellen Spielraum für wichtige und grundlegendere Weiterentwicklungen im Bereich der Verbrennungsmotoren ermöglichen.

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