Der Earth Overshot Day – der Tag, an dem die Ressourcen des Jahres eigentlich schon aufgebraucht sind – war 2022 bereits am 28. Juli, so früh, wie niemals zuvor. Die 700 Millionen Menschen aus den westlichen Industrieländern tragen eine wesentliche Verantwortung dafür, dass wir so sehr über unsere Verhältnisse leben. Etwa zehn Prozent der Menschen verursachen zum Beispiel – direkt oder indirekt – mehr als 50 Prozent der globalen CO2-Emissionen.
Die Folgen könnten drastisch werden. Klimaforscher prognostizieren, dass die Erde sich bis zum Jahr 2100 um zwei bis vier Grad Celsius erwärmen wird, wenn wir nicht jetzt entschlossen gegensteuern.
Wenn wir weiterhin in Wohlstand leben wollen, dann dürfen Ökonomie und Ökologie kein Widerspruch mehr sein. Doch wie kann das gelingen? Mit Digitalisierung. Denn wir müssen auf klimaneutrale Energie umstellen, energiesparende Techniken möglichst effizient miteinander kombinieren und No-Waste-Kreisläufe etablieren. Wir müssen die Zusammenhänge und das Wechselwirken vieler Faktoren verstehen. Das gelingt uns, indem wir Daten erfassen, aggregieren und auswerten. Ohne Digitalisierungstechniken – wie IoT, KI oder Digital Twin – können wir das nicht, denn die Datenmassen sind gewaltig und die Abhängigkeit zwischen all den relevanten Faktoren ist bemerkenswert komplex.
Blockchains etwa können helfen, den CO2-Fußabdruck (PCF) von komplexen Produkten – wie Maschinen und Anlagen – zu minimieren. Der PCF eines Produkts bezeichnet die Menge CO2, die während der gesamten Wertschöpfungskette erzeugt wird, also auch das Kohlendioxid, das bei der Herstellung der Einzelteile freigesetzt wurde. Die meisten Hersteller kaufen so viele Einzelteile und Komponenten ein, dass diese überwiegend den PCF des Endprodukts bestimmen. Wollen sie den PCF ihrer Produkte verbessern, dann sind sie auf zuverlässige Angaben ihrer Lieferanten zur Ökobilanz angewiesen. Blockchains, die Informationen fälschungssicher speichern, können dabei helfen, dass Unternehmen sich untereinander auf ihre Angaben verlassen können.
Ein Fallbeispiel aus Hawaii verdeutlicht die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Energiewende: Hawaii hat ideale Voraussetzungen – genug Sonne und Wind – um sich zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Eine stabile Stromversorgung muss aber auch sicherstellen, dass Stromabnahme und Stromeinspeisung sich immer in der Waage halten. In alten Energienetzen mit fossilen Energiewandlern wie etwa Gasturbinen, ist das einfacher. Die Turbinen sind direkt mit dem Stromnetz verbunden, ihre gewaltigen rotierenden Massen – ihre Rotationsenergie – gleicht Schwankungen aus. Solar- und Windenergieanlagen werden hingegen über leistungselektronische Wechselrichter mit dem Netz verbunden, die nicht über diese Fähigkeit verfügen.
Eine stabile Stromversorgung ist dennoch möglich – dank Digitalisierung: Ein digitaler Zwilling des Stromnetzes berechnet fortlaufend aus den aktuellen Betriebsdaten optimale Maßnahmen, die Schwankungen ausgleichen. Es gibt noch viele Beispiele für Dekarbonisierung durch Digitalisierung. Die Anschaffungskosten dieser Technologie mögen aktuell hoch sein, aber sie geben uns die Chance – vielleicht die letzte Chance – Ökonomie und Ökologie zu verbinden.