Vielleicht muss man sich Werner Hauff ein bisschen wie den weitaus bekannteren Dübel-Erfinder Artur Fischer vorstellen. Wie Fischer stammt Hauff aus dem Tüftler-Ländle Baden-Württemberg und schaffte seinen Durchbruch mit einem Kunststoff-Bauteil, das ebenfalls beim Bauen äußerst nützliche Dienste leistet: "Es war die Zeit, in der viele Trafo- und Netzspannungshäuschen mit Wasser vollgelaufen sind, wenn ein Regenguss kam", charakterisiert der heutige Firmenchef Dr. Michael Seibold den Status quo der Nachkriegszeit. Die Aussparungen in der Gebäudewand waren natürlich zur Durchführung der Kabel essentiell - aber eben nicht dicht, weil zwischen Kabel und Beton unweigerlich Lücken blieben.
Die Frage, auf welche Weise ein Loch in der Wand reproduzierbar und einfach eine definierte Gestalt bekommen kann, ließ Werner Hauff nicht ruhen. Sein 1955 gegründetes Unternehmen hatte damals schon einige Jahre Erfahrung als Dienstleister in der aufkeimenden Welt der Kunststoffspritzgussteile, überall dort, wo ein Behältnis oder ein Kunststoff- oder Spritzgussteil benötigt wurde. Die Lösung suchte Hauff daher in einem runden Kunststoffspritzgussteil, oberflächlich modifiziert, damit der umhüllende Beton anhaftet. "Dann braucht man ein weiteres Teil, das auf das Energiekabel sauber abdichtet und mechanisch verspannt werden kann", beschreibt Geschäftsführer Dr. Seibold den Grundgedanken.
Vom Patent zum Millionen-Unternehmen
Der Schwabe Hauff hatte nicht nur eine bald patentierte Idee, sondern auch eine im Umgang mit Menschen "patente, sehr offene Frau an seiner Seite. Sie war das Vertriebsgenie", erinnert sich Dr. Seibold. So brauchte das Paar gerade mal zweieinhalb Jahre von der Patentschrift zum ersten Stand auf der Hannover Messe. Mit einigen Atempausen ging es auch in den folgenden Jahrzehnten überwiegend stürmisch nach oben, so dass Hauff-Technik heute unter Leitung ihres - dank schwäbischer Beständigkeit erst - dritten Geschäftsführers ein Unternehmen mit rund 40 Millionen Euro Umsatz geworden ist und mittlerweile eine große Vielfalt an Abdichtungen fertigt, nicht nur in Trafostationen, sondern in so gut wie allen Gebäuden. "Immer dann, wenn man eine feste Leitung, ein Kabel oder eine Kommunikationsleitung einbringt", definiert Dr. Seibold die Anwendungsfälle. "Das ist zwar eine Nische, aber die kommt verdammt oft vor."
Die Lösungen haben viele Formen angenommen, aber die Grundidee ist gleich geblieben: das benötigte Loch einerseits flexibel für Kabeldurchführungen zu nutzen, andererseits aber gründlich zu verschließen - also nicht etwa einfach durch Poly-urethanschaum, der auf der Baustelle immer zu Hand ist, weil er Fenster und Türen mechanisch fixiert, aber eben nicht richtig abdichtet.
Es gilt, das Loch "ingenieurmäßig zu verschließen", um den Erfolg seiner Arbeit bewerten zu können. Das geht mit Schaum nicht, weil er keine definierten Endzustände hat. Der Erfolg der Arbeit beruht da auf handwerklicher Kunst, Tagesform, Temperatur und solchen Unwägbarkeiten. Das ist wenig beruhigend angesichts von Anlagen im Kabelkeller, die in einer heutigen Trafostation sechsstellige Werte erreichen können. "Da würde ich als Bauleiter zum Schluss gerne mit meiner Unterschrift sagen, der Job ist so erledigt, wie es der Spezifikation entspricht."
Genau damit ist das Ziel von Hauff-Technik beschrieben: "Ein reproduzierbares, kontrollierbares Dichtsystem anzubieten, das industriell vorgefertigt ist und bei dem der menschliche Eingriff auf ein Minimum reduziert ist - auch aus ökonomischen Gründen", wie Dr. Seibold anmerkt. "Dichten ist ein relativ komplexer Prozess", fasst Dr. Seibold zusammen und denkt dabei nicht nur an Feuchtigkeit, Gase oder sogar Feuer, sondern auch an die in Städten allgegenwärtigen Ratten. "All das möchte man nicht in seiner Schaltanlage haben."
Bis heute gibt es jedoch keinen DIN- oder EN-Standard für Kabel- und Rohrdurchführungen. "Das ist etwas, das auf bilateraler und individueller Basis in Spezifikation abgearbeitet werden muss", sagt Dr. Seibold. Und er ist stolz darauf, dass die Hauff-Kabeldurchführung in dieser kleinen Nische eine Art "Tempo-Taschentuch der Durchführungstechnik" geworden ist: "Es ist uns gelungen, ein Produkt zum Synonym einer technischen Lösung werden zu lassen", mit dem Hauff nicht mehr nur die Versorgungsbranche beliefert, sondern auch Industrie und Baubranche.
Die Spuren der Energiewende
Dabei ist das Kundenumfeld des in Herbrechtigen nördlich von Ulm ansässigen Unternehmens ständig im Wandel, insbesondere seit Liberalisierung und Energiewende die Energie-branche auf Trab halten. Sehr viele Energieerzeuger stehen vor der Aufgabe, die Transport- und Verteilnetze umzubauen. "Heute hat man einen Verbraucher, der gleichzeitig Energieerzeuger ist", sagt Dr. Seibold. "Das heißt, man speist von unten nach oben ein und zwar in Netze, die dafür erst mal von ihrer Kapazität aber auch von ihrer Intelligenz her in die Lage versetzt werden müssen."
Hinzu kommt, dass erneuerbare Energien eine immer größere Rolle spielen. Beispiel Biogaserzeugung, "eines unserer wichtigen neuen Geschäftsfelder", wie Dr. Seibold verrät: In den Reaktoren führen Versorgungsleitungen ein und aus. "Das verlangt angesichts der korrosiven Flüssigkeiten und Gase "hochqualitative Dichtungstechnik" und ist ein Feld mit sehr individuellen Anforderungen. Die dort vorherrschende vielfältige Kundenstruktur - also viele kleinere Kunden - bringt es mit sich, dass nicht Katalogware, sondern hauptsächlich On-Demand-Fertigung gefragt ist. "Zwei Drittel dieser Aufträge werden kundenspezifisch gefertigt", weiß der Firmenchef.
Das erfordert einen relativ hohen Invest in Forschung und Entwicklung: "Da liegen wir bei etwa acht Prozent vom Umsatz, also für die Branche weit über den typischen Ausgaben von etwa zwei bis vier Prozent." Auch wenn es den Kunststoffprodukten nicht immer sofort anzusehen ist: Entscheidend ist heute, mit 3D-Verfahren am Rechner und Rapid Prototyping schnell auf Kundenanforderungen reagieren zu können und "hinunter zur Stückzahl eins eine maßgeschneiderte Dichtung zu liefern" (siehe Interview).
Hinzu kommen Anwendungen mit der empfindlichen Glasfaser. "Ein Glasfaserkabel verlangt bestimmte Biegeradien", beschreibt Dr. Seibold die Anforderungen. "Die Glasfaser wird in ein Röhrchen eingeblasen, das nicht verengt werden darf, es darf also keinerlei Temperaturbehandlung geben."
Heute ist die Versorgungsinfrastruktur an ganz vielen Stellen im Umbruch und vielfältiger denn je: "Vor zwanzig Jahren hatte man im Keller eine Abwasserleitung, eine Stromleitung und vielleicht noch eine Gasleitung und eine Wasserleitung. Heute gibt es eine ganze Menge mehr, Erdwärme, Kommunikationstechnik, Regenwassernutzung und so weiter", zählt Dr. Seibold auf.
Kommunikationstechnik und Smart Grids
"Regionale Energieversorger wollen heute Kommunikations-leitungen aus zwei Gründen verlegen", ist die Erfahrung von Dr. Seibold: "Zum einen für das Smart Metering und zum andern um neben Wasser, Strom und Gas auch noch Entertainment anzubieten." Solche Glasfasern lassen sich heute ohne Aufgraben der Vorgärten verlegen: "Das ist eine Welt, die wir angehen und für die wir Produkte entwickeln."
Im Land der etwa 950 kommunale Versorger eine sicher nicht einfache Aufgabe, die Hauff-Technik aber als willkommene Herausforderung sieht: "Ohne das werten zu wollen, liegt darin eine Chance, denn die dezentrale Energieversorgung tut sich mit dezentralen Eigentümerstrukturen leichter", philosophiert der Geschäftsführer mit Blick auf die Zukunftsperspektiven der kommunalen Energiewirtschaft.
Schon in der Vergangenheit ist das Unternehmen mit neuen Anforderungen stetig gewachsen und 2013 gerade dabei, unweit seines heutigen Hauptsitzes 16 Millionen Euro in einen neuen Standort zu investieren. "Wo wir gerade sitzen, haben in den 60er Jahren Spritzgussmaschinen gerattert und man ist damals direkt von der Produktion ins Wohnzimmer marschiert", erklärt Dr. Seibold dem Besucher.
"German" Energiewende als Erfolgsmodell
Gleichzeitig weitet sich der Blick über die deutschsprachigen Märkte hinaus: "In weitere europäische Nachbarländer zu gehen, ist ein wesentlicher Aspekt, den wir hier vor Augen haben", verrät Dr. Seibold. "Nehmen wir Polen als Beispiel, das ist ein Markt, den wir derzeit intensiv beackern, weil es ein relativ bevölkerungsreiches Land mit großer Landfläche ist. Wir besetzten sukzessiv solche Leuchttürme, zum Beispiel auch in Westeuropa." Das sei auch im Sinne des Investors, der an einem nachhaltigen Gedeihen des Unternehmens interessiert sei. Hinzu komme noch Australien, wo es sehr hohe Löhne und eine hohe Bereitschaft gebe, in Infrastruktur zu investieren. "Obwohl englisch geprägt bei den Standards, ist das Land sehr affin für deutsche Technik."
Wird dort die deutsche Energiewende also nicht als Spinnerei abgetan? "Das ist genau das Überraschende. Man wundert sich dort über unseren Mut und fragt sehr differenziert nach, ob der Wille zur Entscheidung oder das Wissen um die Umsetzung zuerst da waren", ist die Erfahrung, die der Hauff-Technik-Chef auf seinen Auslandsreisen sammelt.
Allzu ungestüm wird die Expansion aber nicht verlaufen: "Wir müssen realistisch sein und wissen, was wir als kleine Firma leisten können", warnt Dr. Seibold. "Das Geschäftsmodell von Hauff-Technik ist organisches Wachstum."
Reicht das, um den Platz als "europaweit marktführender Lösungsanbieter für Kabel- und Rohrdurchführungssysteme" zu beanspruchen? Dr. Seibold ist sich sicher, dass er dazu noch ein Markenversprechen in die Waagschale zu werfen hat, das er als "Hauff-Genom" bezeichnet: immer wirtschaftlich, anwenderfreundlich und vorausschauend zu agieren.