Sicherheitstechnik ist ein Markt, der in den vergangenen Jahren konstant gewachsen ist. Der Grund: Zum einen hat das Bewusstsein für Sicherheit stetig zugenommen, zum anderen haben gesetzliche Bestimmungen einen entsprechenden Rahmen vorgegeben. Auch Automatisierer und Maschinenbauer setzen sich intensiv damit auseinander, sichere Lösungen anzubieten. „Dabei hat Sicherheitstechnik den Charme, dass es gleichzeitig auch um Verfügbarkeit und Effizienz geht“, merkt Jürgen Grauer an, der bei SEW-Eurodrive das Produktmanagement für funktionale Sicherheit leitet. Weil Sicherheitstechnik jedoch im Laufe der Zeit - auch durch die zunehmende Integration von sicheren Antriebsfunktionen - immer komplexer geworden ist, ist der Beratungsbedarf enorm gestiegen.Um am Ende dem Maschinen- oder Anlagenbetreiber eine gesamtheitliche und geprüfte Sicherheitslösung ausliefern zu können, ist tiefgreifendes und umfangreiches Wissen gefragt. Es gilt zahlreiche mögliche Fehlerquellen zu vermeiden, zum Beispiel in der Dokumentation. „Sicherheitsprodukte zu verkaufen, reicht allein mit Sicherheit nicht aus“, erklärt Grauer. Nötig sei ebenso ein intensives Verständnis, wie die gesamte Sicherheitslösung aussieht, die alle normativen Anforderungen erfüllt, die der Kunde im Rahmen der CE-Kennzeichnung einzuhalten hat. Weil das Thema so vielschichtig sei, gebe es bei einigen Kunden jedoch auch erhebliche Probleme. „Viele unserer Kunden können es sich nicht leisten, dafür eigene Experten abzustellen“, erklärt er. Die Zeit dafür fehle im Tagesgeschäft schlichtweg. Zusätzlich ändern sich die Normen regelmäßig.Die Umstellung von der EN 954-1 auf die EN ISO 13849-1 ist dafür ein Beispiel. Auch nach zwei Jahren Schonfrist - die Vermutungswirkung der EN 954-1 wurde um zwei Jahre verlängert - war die Unsicherheit unter den Maschinenbauern, was die Anforderungen der neuen Norm anbelangte, noch groß. „Hier sehen wir aber auch eine Chance, als Lieferant mit unseren Kunden enger zusammenzuarbeiten“, sagt Grauer. Zusammen ließen sich neue Lösungswege finden, Regalbediengeräte oder hochdynamische Maschinen seien dafür ein Beispiel. Natürlich könnte man auch einen Zaun um ein solches Objekt bauen, um Gefahren für die Mitarbeiter zu vermeiden - das allerdings ist nicht mehr zeitgemäß und vor allem teuer für den Konstrukteur oder wenig platzsparend für den Betreiber.
Die Sicherheit steckt im Produkt
„Sicherheit soll intelligenter werden“, merkt Grauer an. Deshalb wandert immer mehr Intelligenz in die Komponenten. Das Ziel bei SEW-Eurodrive ist, immer mehr Sicherheit in die Standardprodukte zu integrieren. Safe Torque Off ist ein Beispiel dafür. Am Anfang war die Funktion, Impulse des Antriebs zu löschen, ein Zusatz. Mittlerweile ist sie standardmäßig verbaut, wie auch die Funktionen Safe Stop und Safety Limited Speed.Ein weiteres Thema, das für die Kunden völlig neu sei: die sichere Bremse respektive der sichere Getriebemotor. Bislang haben sich die Maschinen- und Anlagenbauer hauptsächlich mit der Elektronik beschäftigt. „Früher hat man den Motor einfach weggeschaltet“, erklärt Grauer. Nun müssten sich auch Zertifizierer wie der TÜV neu in diese Themen einarbeiten. Aber nicht nur die Technik allein stellt Maschinen- und Anlagenbauer vor neue Herausforderungen, sondern auch die Dokumentation. Sie müssen nämlich belegen, dass ihre Maschinen den Anforderungen der Maschinenrichtlinie entsprechen und der Anwender damit sicher produzieren kann. „Dokumentation ist das A und O“, verdeutlicht Freddy Heinzelmann, Produktmanager für sichere Antriebstechnik, „wenn Lücken in der Dokumentation vorhanden sind, ist der Hersteller angreifbar.“ Mit Lösungspaketen, die der Kunde individuell zusammenstellen kann, versucht SEW-Eurodrive auf die spezifischen Bedürfnisse einzugehen. „Weil die Aufgabenstellungen an Maschinen und Anlagen immer komplexer werden, wird es immer wichtiger, gesamtheitliche Lösungspakete für die unterschiedlichen Applikationen zu schnüren“, erklärt Tobias Ebert, Projektmanager für funktionale Sicherheit.
Variable Lösungen
Das Bruchsaler Unternehmen hat deshalb die so genannten Variolution-Pakete für skalierbare Antriebslösungen entwickelt. Sie sind auf den Maschinen- und Anlagenbau angepasst. Als Beispiel nennt Ebert dynamische Regalbediengeräte in Palettenlagern. „Für den Kunden steckt da ganz viel Potenzial drin“, sagt der Projektmanager. Der Einsatz von funktionaler Sicherheitstechnik im Antriebssystem biete ganz neue Möglichkeiten - zum einen können durch integrierte Sicherheitsfunktionen die normativen Anforderungen an die Anlage erfüllt werden. Zum anderen lassen sich wirtschaftliche Vorteile herausarbeiten. Eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf 70 Prozent in den Endbereichen der Gasse ermöglicht es, die Endpuffer zu reduzieren. „Das bedeutet letztendlich einen Gewinn an Lagerplatz“, sagt Ebert. Mithilfe eines sicheren Bremssystems in der Fahrachse können die Endpuffer sogar komplett ersetzt werden. Ein dafür im Antriebssystem integrierter Bremsentest ermöglicht die automatisierte Diagnose der Bremsen und somit einen reduzierten Wartungsaufwand. Die zur manuellen Bedienung der Anlage notwendige Personen- und Anlagensicherheit wird mittels Begrenzung von Geschwindigkeit und Bewegungsrichtungen realisiert. Ein parametrierbares Applikationsmodul koordiniert die verschiedenen Bewegungsachsen und ermöglicht durch eine verbesserte Verfahrbewegung eine Energieeinsparung bis zu 25 Prozent. Im Falle einer Abschaltung wird gewährleistet, dass die Synchronität der verschiedenen Bewegungsachsen nicht verloren geht und die Abtriebe geregelt in den sicheren Zustand gefahren werden. Das Beispiel zeigt, welchen Mehrwert Maschinen- und Anlagenbauer für ihre Kunden erzielen können, wenn sie gültige Normen beachten und moderne Technik einsetzen. Wer sich der Aufgabe nicht gewachsen sieht, diesen Schritt allein zu gehen, kann kompetente Hilfe heranziehen.