„Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit dürfen nicht als Gegensätze verstanden werden“ Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Schneider Electric GmbH

Jessica Bethune, Vice President Industrial and Process Automation DACH bei Schneider Electric: „Mithilfe digitaler Technologien kann ich nicht einfach nur nachhaltiger wirtschaften – ich kann nachhaltiger und deshalb erfolgreicher wirtschaften.“

Bild: Schneider Electric
27.08.2024

Jessica Bethune, Vice President Industrial and Process Automation DACH bei Schneider Electric, spricht im Interview mit A&D über die zentrale Rolle der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit und höhere Energieeffizienz. Ihr Appell dabei: Unternehmen sollten die Herausforderungen als Chance sehen.

Sponsored Content

Sie verantworten die Factory- und Prozess-Automatisierung: Verschmelzen die Themen immer mehr?

Ja, zumindest was die Bedeutung von Digitalisierung, Automatisierung und KI für eine zukunftsfähige Industrie angeht. Wenn wir etwa über Datenanalyse, digitale Zwillinge, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit oder offene Automatisierung sprechen, dann sind das Themen, die in beiden Industriezweigen heute einfach elementar sind. Auch die engere Verzahnung von IT und OT ist in beiden Bereichen äußerst wichtig. Gleichzeitig bleibt es aber natürlich dabei, dass – wenn es an die konkrete Umsetzung geht – die jeweiligen Herangehensweisen, in der Fertigungs- oder Prozessindustrie sehr unterschiedlich sind. Oder besser gesagt: Wenn wir über Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen sprechen, dann müssen diese immer – egal in welchem Segment – sehr genau auf die individuellen Anforderungen einzelner Unternehmen zugeschnitten sein. Insofern, ja, es gibt gemeinsame Trendthemen – und das wollen wir mit der Zusammenlegung der beiden Bereiche konsolidiert angehen –, aber wenn es an die konkrete Lösungsfindung geht, braucht es sowohl in der Prozess- als auch in der Fertigungsindustrie immer einen hohen Grad an Individualisierung.

Sie haben das Thema Digitalisierung angesprochen. Wie wichtig ist die Digitalisierung für die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Industrie?

Aus meiner Erfahrung ist Digitalisierung tatsächlich nichts weniger als eine Schlüsseltechnologie, wenn es um nachhaltiges und energieeffizientes Wirtschaften geht. Denn mit digitalen Technologien ist es möglich, Nachhaltigkeit zu der entscheidenden Eigenschaft zu machen, die einem Unternehmen auch langfristig zum Erfolg verhilft. Insofern macht die Digitalisierung das Thema Nachhaltigkeit auch unternehmerisch attraktiv. Ein Beispiel: Datentransparenz. Wenn es mir mit digitalen Hilfsmitteln gelingt, Ineffizienzen oder andere neuralgische Stellen in meiner Produktion zu identifizieren, dann kann ich gezielt Verbesserungsmaßnahmen auf den Weg bringen, die mir helfen, Ressourcen nachhaltiger zu nutzen – und das senkt dann auch automatisch meine Betriebskosten. Mithilfe digitaler Technologien kann ich also nicht einfach nur nachhaltiger wirtschaften – ich kann nachhaltiger und deshalb erfolgreicher wirtschaften.

Schneider Electric gilt als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Wie hat sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei Ihren Kunden während der Krisenzeiten verändert?

Das lässt sich so pauschal gar nicht sagen. Allein unsere Industriekunden kommen aus so vielen unterschiedlichen Branchen, da haben sich die diversen Krisen natürlich sehr unterschiedlich ausgewirkt. Grundsätzlich steht aber außer Frage, dass alle Unternehmerinnen und Unternehmer, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, nachhaltiger wirtschaften möchten. Da geht es um Verantwortung, aber auch um handfeste wirtschaftliche Erwägungen. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung („Sustainability Transformation Monitor“ von Februar 2024) geben sogar mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen an, dass Nachhaltigkeit für sie eine Chance sei. Das ist aus meiner Erfahrung aber keine ganz neue Entwicklung.

Dennoch gibt es wahrscheinlich einige Bremsklötze für die Industrie, wenn sie nachhaltiger werden wollen?

Ja, sicher. Denn auch wenn grundsätzlich niemand gegen mehr Nachhaltigkeit ist, ist vielen Unternehmerinnen und Unternehmen nicht so ganz klar, wie sie sich wirklich nachhaltiger aufstellen und davon profitieren können. Das liegt meist an fehlendem Know-how, fehlendem Personal und fehlender Infrastruktur – etwa digitalisierte Netze. Unter diesen Voraussetzungen ist es dann auch nachvollziehbar, dass sich gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise das Verständnis verfestigt, Nachhaltigkeit müsse man sich leisten können. Dass also Nachhaltigkeit und Profitabilität als Gegensätze geframt werden. Und ja, nur mit intrinsischer Motivation allein können sie ihre Fabrikanlage auch nicht nachhaltiger gestalten, es braucht die richtigen Rahmenbedingungen. Gerade wir als Hersteller haben hier eine enorme Verantwortung und haben deshalb bestimmte Eigenschaften in unsere Technologien eingeschrieben, zum Beispiel offene Standards, Skalierbarkeit oder hohe Nutzerfreundlichkeit, mit denen wir die digitale Transformation vereinfachen und wirtschaftlich attraktiver machen. Außerdem haben wir mittlerweile eine eigene Abteilung für das Digitalisierungs-Consulting aufgebaut, die nichts anderes tut, als für unsere Kunden individuelle Lösungen für eine nachhaltige, digitale Unternehmensentwicklung zu finden. Und das ist vielleicht mein wichtigster Rat an kleine und mittelständische Unternehmen: Verstehen Sie Digitalisierung als unternehmerische Kernkompetenz und suchen Sie sich einen Partner, der auch über die reinen Technologien hinaus Beratung anbieten kann.

Ein großes Problem bei der Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit ist wahrscheinlich auch die Vielzahl alter Bestandsanlagen?

Ja, und zwar unter anderem deshalb, weil dort fast immer proprietäre Automatisierungssysteme verbaut sind. Das führt zu Insel- oder Silolösungen und macht eine fabrikweite digitale Vernetzung – aber auch jede andere Art der Modernisierung – meist recht kompliziert. Für uns ist daher ganz klar, dass wir endlich eine Öffnung der Automatisierung brauchen. Als Mitglied der UniversalAutomation.Org engagieren wir uns zum Beispiel für einen technischen Ansatz, bei dem Hardware und Entwicklungsumgebung nicht länger herstellerspezifisch aneinandergebunden sind. Das macht die Wiederverwendung von Software und damit auch Migrations- und Integrationsvorhaben deutlich einfacher möglich.

Inwiefern spielen Partnerschaften und Kollaborationen eine Rolle in Ihren Nachhaltigkeitsstrategien?

Partnerschaften waren und sind für unsere Unternehmensentwicklung elementar. Wenn Sie in unsere gesamte, aber vor allem die jüngere Historie schauen, dann sehen Sie, dass wir mit unserem Geschäftsmodell und unserem Portfolio deshalb da stehen, wo wir heute stehen, weil wir eine sehr fokussierte M&A-Strategie betrieben haben. Und dazu zählen immer auch Partnerschaften, etwa mit Softwareanbietern, die unser Technologieangebot ergänzen. Gleichzeitig, und auch das gehört fest zu unserer Identität, pflegen wir natürlich in allen Regionen der Welt breit aufgestellte Partner-Netzwerke, um unsere Kunden bei der Implementierung und Wartung unserer Technologien zu unterstützen. Elektriker, Systemintegratoren oder Schaltanlagenbauer sind ganz wichtige Influencer für unsere Lösungen. Und im Sinne unserer sehr ambitionierten, unternehmenseigenen Nachhaltigkeitsziele kommt noch ein Aspekt hinzu: Denn wir wollen auf absehbare Zeit nicht nur in unseren eigenen Betriebsabläufen klimaneutral agieren (Scope 1 und 2), sondern auch die CO2-Emissionen unseres gesamten Wertschöpfungsnetzwerks bis 2050 auf Null reduzieren (Scope 3). Und das kann nur gelingen, wenn wir auch unsere Zulieferer und Partner mit entsprechenden Programmen zu nachhaltigerem Wirtschaften befähigen und kreislaufwirtschaftliche Prinzipien einführen.

Erzählen Sie über die Kreislaufwirtschaft bei Schneider Electric. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie in diesem Bereich?

Wenn Sie bedenken, dass wir derzeit rund 100 Kilotonnen Plastik pro Jahr verarbeiten, können Sie sich gut vorstellen, dass Kreislaufwirtschaft ein ganz zentraler Eckpfeiler unserer Nachhaltigkeitsstrategie ist. Bis 2025 wollen wir den Anteil an nachhaltigen Materialien in unseren Produkten auf 50 Prozent erhöhen. Und dazu zählt dann natürlich auch die Beschaffung von biobasiertem oder recyceltem Kunststoff. Klar ist aber auch: das ganze muss wirtschaftlich und ohne Qualitätsverlust umsetzbar sein. Und hier gibt es gerade im Bereich technischer Kunststoffe noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Zum Beispiel existiert noch kein flächendeckendes Rücknahmesystem für diese Art Plastik. Für Recyclingunternehmen ist es zurzeit einfach noch zu aufwendig und kostspielig für all die unterschiedlichen Arten technischer Kunststoffe – die alle wiederum je unterschiedliche Recyclingverfahren benötigen – eigene Linien zu unterhalten. Bei den vergleichsweise geringen Mengen, von denen wir hier sprechen, lohnt sich das einfach nicht.

Welche Rolle spielt für Sie Künstliche Intelligenz in diesem Kontext?

Ähnlich wie in anderen Industriebereichen bringt die Kombination aus Automatisierung, Digitalisierung und KI natürlich auch für das Kunststoffrecycling großes Potenzial mit. Viele solcher Anlagen stehen, was etwa die digitale Vernetzung und Datenverarbeitung angeht, aber noch ganz am Anfang. Bevor KI sinnvoll eingesetzt werden kann, muss also erst einmal ein Digitalisierungsschub erfolgen. Aber klar: Wenn es mithilfe der KI gelingt, das Automatisierungsniveau zu erhöhen und mehr Intelligenz und Flexibilität in die Betriebsabläufe zu bringen, dann kann das dazu beitragen, dass auch das Recycling kleinerer Losgrößen wirtschaftlich rentabel wird.

Welche weiteren neuen Technologien oder Entwicklungen sehen Sie in naher Zukunft auf uns zukommen?

Worüber wir uns, glaube ich, wirklich Gedanken machen müssen, ist Befähigung. Denn auf der einen Seite schreitet die Technologieentwicklung wirklich rasant voran: Bei der KI stehen wir noch ganz am Anfang, das Thema Quantencomputing steht bereits vor der Tür und auch im Bereich Virtual Reality sehe ich noch viel ungenutztes Potenzial. Auf der anderen Seite merke ich aber auch, dass die Überforderung zugenommen hat. Wenn Sie beispielsweise ein mittelständisches Unternehmen leiten, können Sie nicht gleichzeitig bei allen technischen Neuerungen auf dem Laufenden bleiben. Oder immer sofort rechtzeitig abschätzen, wie sich eine neue Technologie auf Ihr Geschäftsmodell oder Ihre Branche auswirkt. Aber aussitzen können Sie die ganzen Entwicklungen eben auch nicht. Daher vermute ich, dass sich in den kommenden Jahren – sozusagen als Gegengewicht zum rein technischen Fortschritt – auch neue Formen der Unternehmens- und Technikkommunikation gerade im Bereich von Beratung und Service herausbilden werden. Für Unternehmen wie uns kann das ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.

Was sind Ihre persönlichen Ziele für die nächsten Jahre bei Schneider Electric?

Da kann ich vielleicht eines unserer Firmenmottos zitieren: Impact Company. Das, was wir hier jeden Tag und auf der ganzen Welt tun, soll auch auf gesellschaftlicher Ebene eine positive Wirkung zeitigen. In Deutschland erleben wir zum Beispiel gerade eine echte Wirtschaftskrise, müssen gleichzeitig aber auch die Transformation zu einer klimafreundlichen Industrie bewältigen. Wir als Hersteller digitaler IoT-Technologien können da wirklich einen entscheidenden Beitrag leisten. Und mir ist es enorm wichtig, dass mein Team und ich diesen Auftrag sehr ernst nehmen. Ja, sicher ist das Ganze ein Geschäft, aber für uns kann es nur erfolgreich sein, wenn es einen positiven Einfluss auf Nachhaltigkeit und Resilienz unseres Wirtschaftsstandorts hat. In ein paar Jahren möchte ich zurückschauen und sagen: Ja, es hat funktioniert, die Krise ist überwunden!

Warum sollten sich Unternehmen an Schneider Electric wenden, wenn sie sich nachhaltiger aufstellen wollen?

Weil wir das mit der Nachhaltigkeit nicht erst seit gestern machen. Wir haben über fast zwei Jahrzehnte wirklich eine enorme Expertise zu praktisch allen Facetten nachhaltigen Wirtschaftens aufgebaut – und zwar egal, ob wir über Gebäude, Energieversorgung, Rechenzentren oder eben die Industrie sprechen. Dementsprechend können wir die nötigen Technologien, aber immer auch die dazu passende Beratung anbieten. Gleichzeitig nutzen wir unsere Expertise und unsere Technologien natürlich auch für das eigene Unternehmen. Unsere Nachhaltigkeitsziele sind sehr ambitioniert und viele unserer Standorte, auch in Deutschland, sind Vorzeigeprojekte für einen klimafreundlichen Gebäudebetrieb oder eine nachhaltige Produktion. Erst vor ein paar Wochen wurden wir von Times Magazine und Statista zum „Nachhaltigsten Unternehmen der Welt“ gekürt – und 2022 haben wir auch schon den renommierten deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten.

Gibt es noch etwas, das Sie unseren Lesern mitteilen möchten?

Ich möchte gerne für etwas mehr Optimismus werben. Mir ist klar, dass die wirtschaftliche Gemengelage derzeit sehr ernst ist und dass die Bewältigung einer solchen Krise wirklich schmerzhaft und mühsam sein kann. Und da hilft auch keine einseitige Schönmalerei. Die Debatte muss sachlich und ehrlich geführt werden. Aber Fakt ist auch: Es bringt rein gar nichts, wenn wir uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Stattdessen brauchen wir jetzt mehr denn je ein konstruktives Miteinander innerhalb der Gesellschaft, aber auch von Wirtschaft und Politik, bei dem alle mitziehen. Der Industriestandort Deutschland hat ein so unfassbar großes Potenzial – und dessen Möglichkeiten haben wir noch lange nicht ausgeschöpft!

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel