Die additive Fertigung lässt sich allgemein in vier Phasen unterteilen: Entwurf, 3D-Modellierung, Druck und Nachbearbeitung. Unabhängig von dem verwendeten Fertigungsverfahren ist der letzte Schritt besonders wichtig, da er den gedruckten Teilen die gewünschte Oberflächenbeschaffenheit verleiht. Zusätzlich haben zahlreiche Nachbearbeitungsverfahren das Ziel, die physikalischen und mechanischen Eigenschaften der Teile zu verbessern. CFIP ist eine neue Technologie zur Nachbearbeitung, die einen Meilenstein in der additiven Fertigung darstellen könnte. Bei dem vom Startup-Unternehmen Reinforce3D entwickelten patentierten Verfahren werden 3D-gedruckte Teile durch das nachträgliche Einspritzen von Endlosfasern verstärkt. Der Vorteil liegt in einer Erhöhung der mechanischen Belastbarkeit bei gleichzeitiger Erhaltung der Leichtbaueigenschaften.
Ursprünglich war Reinforce3D ein Projekt in dem Technologiezentrum Eurecat in Katalonien, Spanien. Gemeinsam mit Eurecat und dem ehemaligen Entwicklungsleiter Marc Crescenti gründeten die Investoren BeAble Innvierte Kets Fund (BIKF) im Jahr 2022 ein Startup, um die CFIP-Technologie weiterentwickeln zu können. Unter der Geschäftsleiterin Blanca Garro konnte das Unternehmen seine Technologie in kurzer Zeit zur Marktreife bringen. 2023 begann Marc Roselló als neuer Leiter für die Automatisierung mit der Entwicklung der Delta-Maschine, die schon im gleichen Jahr auf der Messe Formnext in Frankfurt vorgestellt wurde. Zielsetzung des jungen Unternehmens war es, die bis dahin geltenden Grenzen für die Nachbearbeitung von 3D-Druckteilen aufzuheben.
Teile von innen verstärken
Anstatt die Teile während der Herstellung zu verstärken, wie beim herkömmlichen 3D-Druck üblich, verbessert CFIP die Eigenschaften der Teile in einem nachfolgenden Schritt. Bei dieser Methode werden Endlosfasern in speziell dafür entworfene röhrenförmige Hohlräume in den Teilen injiziert, was ihre Festigkeit erheblich verbessert. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Verwendung von Endlosfasern anstelle von Kurzfasern, weil diese die Stabilität exponenziell statt nur schrittweise verbessern. Außer der Verstärkung von Bauteilen ermöglichen Endlosfasern auch die integrale Verbindung verschiedener Komponenten, da die Fasern durch die Verbindungsstellen hindurch injiziert werden können. Durch die Faserkontinuität von einem Ende zum anderen entstehen stärkere Verbindungen als bei herkömmlichen Fügeverfahren, wie zum Beispiel Kleben. Als Träger für die Endlosfasern dient flüssiges Harz, das sich nach dem Aushärten nahtlos mit dem 3D-Druckmaterial verbindet und durch die neu entstandene physische Schnittstelle die strukturelle Festigkeit und damit die mechanische Belastbarkeit beträchtlich erhöht.
Neben Carbonfasern können für CFIP auch Glas- und Aramidfasern verwendet werden. Reinforce3D plant außerdem, das Spektrum in Zukunft auf Naturfasern auszuweiten. Ein weiterer Vorteil der vielseitigen Methode ist die Kompatibilität mit einer Vielzahl additiver Fertigungsverfahren. So können die Anwender 3D-Drucktechnologien nutzen, die eher für die Volumenproduktion geeignet sind, wie zum Beispiel bekannte, kommerziell erhältliche Systeme, die thermoplastische Polymere verwenden. Auch bei der Nutzung dieser vergleichsweise günstigen Materialien kann der Anwender durch die nachträgliche Verstärkung der Leichtbaumaterialien sehr gute Ergebnisse erzielen. Außer mit Kunststoffen funktioniert das Verfahren auch mit einer breiten Palette anderer 3D-Druckmaterialien wie zum Beispiel Metalle und Keramik.
Neuartiger Prozess und passgerechte Steuerung
Marc Crescenti, CTO von Reinforce3D, erklärt: „CFIP ist eine völlig neue Technologie, und Reinforce3D bewegt sich auf noch unbekanntem Terrain. Daher wollten wir eine Maschine entwickeln, die sowohl ausreichend zuverlässig ist, um hohen Anwendernutzen zu bieten, als auch flexibel genug, um zusammen mit der CFIP-Technologie weiterentwickelt zu werden. Nachdem wir alle verfügbaren Optionen evaluiert haben, kamen wir zu dem Schluss, dass uns Beckhoff die beste Automatisierungslösung für diese Anwendung bietet.“
Den Hardwarekern der Steuerungslösung bildet ein Embedded-PC CX5140. Der leistungsstarke und kompakte Rechner sei ideal für diese Anwendung, bei der ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechenleistung und Größe gefordert war. Roselló hebt den Vorteil der Flexibilität hervor, weil sich der CX5140 mit regelmäßig verfügbaren neuen Prozessorgenerationen einfach für künftige Anforderungen aufrüsten lasse. Dass dabei das Maschinendesign nicht verändert werden müsse, sei ein Anwendervorteil im Sinne der Einfachheit und Nachhaltigkeit der Automatisierung.
Für die komplexe Aufgabe der Faserinjektion war die Realisierung einer präzisen Schrittmotorsteuerung entscheidend. Diese wurde mit vier 1-Kanal-Motion-Interfaces EL7037 aus dem EtherCAT-Klemmen-Portfolio für die kompakte Antriebstechnik realisiert. Roselló hebt hervor: „Die Klemme vereinfacht die Verkabelung im Vergleich zu externen Schrittmotorsteuerungen erheblich. Außerdem erleichtert sie die Konstruktion des kompakten Schaltschranks, der sich nahtlos in das Design der Delta-Maschine einfügt.“
Ein weiterer kritischer Aspekt bei der Faserinjektion ist die präzise Steuerung der Injektionskraft, um einen Materialstau in den beliebig formbaren Teilestrukturen zu vermeiden. Das Feedback wird durch den Anschluss einer Wägezelle an eine analoge Eingangsklemme EL3351 zur direkten Anbindung von Widerstandsmessbrücken erreicht. Diese systemintegrierte Messtechnik macht einen externen Messverstärker überflüssig, was die Komplexität reduziert, Platz spart und den Verkabelungsaufwand minimiert. Weitere digitale und analoge I/O-Module sorgen zudem für die Einbindung der Prozessventile und einer Membranpumpe in die Steuerung der Harzversorgung.
Effiziente Implementierung mit TwinCAT
Der Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung der Präzisionssteuerung liege allerdings nicht nur in den Hardwarekomponenten, sondern auch in der Software-Suite TwinCAT von Beckhoff, sagt Roselló. Er attestiert der Automatisierungssoftware einen hohen Benutzerkomfort sowie hohe Leistungsfähigkeit, insbesondere in Verbindung mit den EtherCAT-Schrittmotorsteuerungen. Bei der Implementierung der softwarebasierten Punkt-zu-Punkt-Bewegungssteuerung habe sich TwinCAT 3 NC PTP bestens bewährt. Roselló führt aus: „Die Engineering-Schnittstelle, die Softwarearchitektur und die Benutzerfreundlichkeit von TwinCAT haben uns die Einarbeitungsphase sehr erleichtert. Die Programmierung ist einfach, erfordert minimalen Aufwand und ermöglicht uns letztendlich die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen.“
In Bezug auf die Lernkurve hebt er die Fülle an Schulungsressourcen hervor, die bei Beckhoff zur Verfügung stehen, kombiniert mit dem technischen Support. Die nicht nachlassende Bereitschaft von Beckhoff, bei der Bewältigung von auftauchenden Herausforderungen zu helfen, habe sich als Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Implementierung erwiesen.