Im internationalen untertägigen Labor Mount Terri in der Schweiz lagern zu Forschungszwecken seit Jahrzehnten statt realen radioaktiven Abfällen ungefährliche elektrisch beheizte Behälter in tiefen Tonschichten. „Bei den geotechnischen Berechnungen zur Sicherheit eines Endlagers geht es nicht nur um Radioaktivität, sondern auch um die Temperatur. Die Endlagerbehälter geben Wärme ab, die in der Umgebung der Behälter Temperaturen von etwa 100 Grad Celsius erzeugen kann. Das Gebirge darf dabei nicht unzulässig geschädigt werden, um den Einschluss der radioaktiven Stoffe langfristig zu gewährleisten“, erklärt Geotechnik-Professor Thomas Nagel. Die Langzeit-Daten aus dem Schweizer Labor analysierte sein Team nun erstmals mit der verbesserten Berechnungssoftware für geotechnische Sicherheitsanalysen.
Verschiedene Prognosen: Verbesserte Software für Behörden verfügbar
Wie bei Wetter- und Klimamodellen, müssen bei den geotechnischen Sicherheitsuntersuchungen verschiedene Varianten und Bandbreiten wahrscheinlicher Entwicklungen untersucht werden. „Durch die Analyse der Daten mit Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung verstehen wir jetzt besser, wie Parameterunsicherheiten auf der einen Seite und geotechnische Merkmale des Bergwerks auf der anderen Seite die Vorhersage einer Schädigung des Gebirges beeinflussen. So detailliert für weite Bereiche im Gebirge konnte die Berechnungssoftware das bisher noch nicht kalkulieren“, sagt der Geotechniker.
Für die Erweiterung arbeiteten die Freiberger Geotechniker mit dem UFZ Leipzig, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und der TU Chemnitz zusammen. Behörden und anderen Anwendern stehen die verbesserten Simulationsmethoden jetzt in einer Open-Source-Software zur Verfügung. Um die komplexen Sachverhalte möglichst intuitiv darzustellen, entwickelte das Team interaktive visuelle Darstellungen der Ergebnisse. So erfahren Interessierte, wie sich Änderungen einzelner Eingabewerte der Berechnungen auf Temperatur oder Gebirgsbelastung auswirken.
„Wir können – und müssen nicht – mit beliebig hoher Präzision vorhersagen, wie sich ein Endlager über eine Million Jahre hinweg entwickeln wird. Aber wir müssen die Berechnungssoftware so erweitern, dass Forschung und Behörden abschätzen können, wie genau die Ergebnisse der Berechnung eigentlich sind. Unsicherheit bezüglich der Werte bestimmter Parameter bedeutet nicht, dass ein Endlager als solches unsicher ist. Sie bedeutet lediglich, dass wir mit Bandbreiten und Wahrscheinlichkeiten möglicher Entwicklungen arbeiten müssen. Die Berücksichtigung von Unsicherheit in geotechnischen Sicherheitsuntersuchungen kann so die Interpretierbarkeit der Ergebnisse für Behörden verbessern und für die Öffentlichkeit vertrauenswürdiger machen.“
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Hintergrund: Forschungsnetzwerk URS
Die Professur für Bodenmechanik und Grundbau der TU Bergakademie Freiberg koordinierte in den vergangenen drei Jahren das Forschungsnetzwerk URS (Ungewissheiten und Robustheit mit Blick auf die Sicherheit eines Endlagers für hoch-radioaktive Abfälle), in dem zahlreiche Forschende aus 18 Institutionen zusammenarbeiteten. In einem Graduiertenkolleg wurden insgesamt 17 Doktorandinnen und Doktoranden ausgebildet. Das Netzwerk wurde von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) initiiert und finanziert. Es umfasste sechs Forschungsprojekte, darunter das Cluster-Projekt MeQUR der TU Bergakademie Freiberg und TU Chemnitz, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).