Prognosen kündigen ein starkes Wachstum des Industrie-4.0-Markts an: Er soll bis 2026 voraussichtlich von 70 Milliarden US-Dollar (2019) auf 210 Milliarden US-Dollar steigen. Damit rückt der nächste Schritt der Evolution in der Fertigung für viele Unternehmen näher – Betriebe wollen von den Möglichkeiten der Industrie 4.0 profitieren und nehmen sie ins Visier. Sich den Zeichen der Zeit nicht zu verschließen ist intelligent, die Adaption beziehungsweise Implementierung aber nicht ganz ohne Risiko.
Denn Industrie 4.0 kann zwar die Produktionsergebnisse verbessern, ist aber kein garantiertes Allheilmittel. Deshalb ist ein durchdachter, gut ausgeführter Plan die Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang zu Industrie 4.0. Das schließt eine Analyse und Bewertung des aktuellen Status genauso ein wie grundlegende Strategieentscheidungen oder notwendige Veränderungen in der Unternehmenskultur. Im Idealfall gehen damit auch technologische Verbesserungen und eine höhere Datensicherheit einher.
Mit dem richtigen Vorgehen ein Scheitern verhindern
Ein solches Vorgehen kostet Zeit – ist aber zwingend notwendig, wenn das Projekt ein Erfolg werden soll. Denn nur so stellt man sicher, dass alle Grundlagen abgedeckt sind und verringert gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit eines kostspieligen Fehlschlags. Man muss sich immer wieder bewusst machen: es handelt sich hierbei nicht einfach nur um eine neue Methode oder Herangehensweise – es ist die vierte industrielle Revolution, die Weiterentwicklung unserer Produktionsanlagen mit Hilfe moderner Technik. Sie ist geprägt von 3 Kernelementen:
Geschwindigkeit – manche Industrien werden sehr schnell verdrängt werden
Umfang und Systeme – eine Vielzahl von Unternehmen und ihre Systeme werden betroffen sein
Starke Verschiebung der Technologie – neue Richtlinien werden Innovationen vorantreiben
Zu den Technologien, die häufig in Industrie-4.0-Programmen eingesetzt werden, gehören unter anderem Datenkonnektivität, Automatisierung, das industrielle Internet der Dinge (IIoT), künstliche Intelligenz (KI), Software, Roboter sowie die Kommunikation zwischen den Anlagen (M2M).
Industrie 4.0 stellt damit einen grundlegenden Wandel in traditionellen Fertigungs- und Industriepraktiken hin zur Nutzung moderner, intelligenter Technologien dar. Das Idealbild verspricht Geräte und Anlagen, die in der Lage sind, sich selbst zu überwachen und so ausgestattet sind, dass sie Probleme ohne menschliche Beteiligung erkennen, analysieren und reagieren können. Das alles setzt die entsprechenden Daten voraus, die systematisch erfasst, kombiniert und korreliert, verarbeitet und analysiert werden können.
Wo Industrie 4.0 vom Kurs abkommen kann
Wenn aus diesen Daten keine Informationen und Einsichten gewonnen, sie nicht zu Prognosen weiterverarbeitet werden können, bleiben sie wertlos. Analysetools und Algorithmen allein können das bislang nicht leisten. Hier hängen Unternehmen leicht dem Fehlglauben an, dass Daten automatisch vom System verarbeitet und sinnvoll ausgegeben werden. Dem ist nicht so: Aus den gesammelten Daten einen Mehrwert zu generieren, erfordert Fachwissen und Expertise - die Analyse kann nur bis zu einem gewissen Grad automatisiert werden; es braucht menschliches Knowhow. Zur künstlichen Intelligenz kommt deswegen als weitere Komponente die „erweiterte Intelligenz“: Erkenntnisse werden mithilfe von Datenwissenschaftlern und erfahrenen Fachleuten gemeinsam genutzt, so dass Unternehmen in der Lage sind, eine Vielzahl von Entscheidungen auf einer validen Datenbasis zu treffen.
Denn auch erfahrene Datenwissenschaftler liefern nicht per se die notwendigen Erkenntnisse aus den zur Verfügung stehenden Daten. Sie sind zwar in der Lage, die Daten zu interpretieren, aber das bedeutet nicht, dass sie industrielle Produktionsprozesse verstehen oder über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen, wie man sie in der Praxis anwendet. Hinzu kommt, dass moderne Sensoren in Produktionsanlagen eine riesige Datenmenge erzeugen, die richtig bewertet werden muss, um sie im Tagesgeschäft einsetzen zu können.
Deswegen sollten Unternehmen, die Industrie 4.0-Methoden anwenden möchten, entweder Experten einstellen oder mit ihnen zusammenarbeiten. Das Team sollte eine Reihe von Fähigkeiten mitbringen, angefangen mit Experten aus dem Tagesgeschäft, über Betriebs- und IT-Manager, bis hin zu Statistikern und Datenwissenschaftlern. Diese Vielfalt kann dann sicherstellen, dass die richtigen Herausforderungen angegangen und umgesetzt werden und schließlich zum geschäftlichen Nutzen führen. Externe Unterstützung ist auch deswegen sinnvoll, da bei der internen Bewältigung des Themas zwar viele Ressourcen verbrannt werden, oftmals aber dennoch nicht das optimale Ergebnis erzielt wird.
Instandhaltung mit Industrie 4.0
Ein konkreter Use Case für Industrie 4.0 ist die Instandhaltung. Grundsätzlich ist eine solide Datenbasis eine wichtige Voraussetzung für den Instandhaltungsplan und seine kontinuierliche Optimierung. Er fußt in der Regel auf den Säulen ausfallorientierte Instandsetzung, vorbeugende Instandhaltung (Preventive Maintenance), vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) und proaktive Instandhaltung. Dafür gilt es, Daten zentral auf einer leistungsfähigen Plattform zu sammeln, zu verbinden, zu verwalten und zu analysieren. Über Analysen, Algorithmen und Augmented Intelligence („erweiterte Intelligenz“) können dann Schäden früh erkannt und auch wiederkehrende Probleme identifiziert werden. Eine solche Plattform sollte sich durch ihre Offenheit für andere Systeme und Sensoriken auszeichnen, um Daten aus verschiedenen Quellen ziehen zu können.
Im Sinne der Industrie 4.0 ermöglicht sie dann den Schritt von Predictive zu Prescriptive Maintenance, von der vorausschauenden Instandhaltung hin zu einer agilen Strategie der Instandhaltung, die konstant optimiert, die Leistung steigert und Risiken weiter minimiert. Dafür werden Daten aus verschiedenen Quellen, Geräten, Sensoren und der Historie zusammengeführt – mit standardisierter Konnektivität sowie IoT-Protokollen. Sie werden angereichert und unter Gesichtspunkten von Big Data und Machine Learning prozessiert. So lassen sich neue Einsichten gewinnen, um die Instandhaltung stetig zu optimieren. Prescriptive Maintenance geht also einen bedeutenden Schritt weiter: Während Predictive Maintenance nicht die Entstehung eines Schadens verhindert, sondern nur hilft, einen sich entwickelnden Schaden frühzeitig zu entdecken und so einen ungeplanten Stillstand zu vermeiden, stellt Prescriptive Maintenance hingegen die Frage, was getan werden muss, damit der Schaden erst gar nicht entsteht.
Die Gestaltung des Instandhaltungsplans mit Technologie der Industrie 4.0 kann die Anlagenverfügbarkeit signifikant erhöhen. Ungeplante Ausfälle lassen sich so vermeiden und Investitionen können an den richtigen Stellen getätigt werden. Ein 4.0-Team, bestehend aus Predictive Maintenance Spezialisten, Schwingungsanalytikern, Verfahrensingenieuren, Reliability-Ingenieuren, Statistikern und Datenspezialisten, macht sich hier schnell bezahlt.
Fazit
Unternehmen, die ihre Instandhaltung im Sinne der Industrie 4.0 aufstellen wollen, benötigen nicht nur Daten, sondern auch eine zentrale Plattform, auf der alle erhobenen Daten und Berichte integriert, konsolidiert und für die Weiternutzung bereitgestellt werden. Sie sollten aber nicht dem Fehlglauben anhängen, dass die neuen Technologien wie KI oder Machine Learning ausreichen, um die Daten bestmöglich einzusetzen. Hier ist nach wie vor menschliche Expertise notwendig – am besten in einem interdisziplinären Team.