Länder und Kommunen steckten sich derzeit ehrgeizige Ziele, wenn es ums Energiesparen geht. Technologien wie die Wärmepumpe sollen im Eilschritt in deutschen Haushalten und Unternehmen eingebaut werden. Gleichzeitig gab es die ersten Betriebsschließungen aufgrund gestiegener Energiekosten.
Sind die Deutschen energiesparmüde? Dieser Frage ist Reichelt Elektronik in einer Umfrage nachgegangen. 500 Industrieunternehmen wurden befragt, wie es dort um das Thema Energiesparen steht, wo die größten Sorgen für die Zukunft liegen und wie hoch die Motivation für weitere Investitionen ist. Die grundsätzliche Bilanz: Die deutsche Industrie investiert viel – aber steht auch unter großem Druck.
Erste Erfolge: Investitionen in neue Technologien
Energiesparen ist nicht nur in den Medien allgegenwärtig – auch in Unternehmen ist das Thema angepackt worden. 61 Prozent der Befragten geben an, im letzten Jahr in diesem Bereich investiert zu haben. Weitere 25 Prozent planen Investitionen in diesem Jahr. Bereits durchgeführt sind schnelle und weniger komplexe Maßnahmen wie der Austausch herkömmlicher Lampen durch LEDs (51 Prozent), Sensibilisierung der Belegschaft (43 Prozent) oder das Herunterregulieren der Raumtemperatur (42 Prozent).
Darüber hinaus investieren Firmen vor allem in neue Technologien. Etwa die Hälfte (54 Prozent) hat bereits oder will dieses Jahr in den Bau einer Photovoltaikanlage investieren. Ebenso viele (55 Prozent) setzen auf den Tausch einer alten Gas- oder Ölheizung durch ein alternatives Heizsystem wie eine Wärmepumpe.
Noch weiter fortgeschritten sind Unternehmen bei der Investition in ressourcensparende Technologie. So nutzen schon 65 Prozent smarte Technologie oder eine andere Regelungstechnik, um den Energieverbrauch von Maschinen zu senken – oder sie führen diese Systeme gerade ein. 63 Prozent ersetzen alte Maschinen komplett durch neuere, energiesparendere Modelle.
Mit diesen Investitionen können Unternehmen handfeste Erfolge vorweisen. Etwa ein Viertel von ihnen (24 Prozent) konnte im vergangenen Winter zwischen sechs und zehn Prozent Energie sparen. Ein knappes Drittel (28 Prozent) konnte sogar Einsparungen zwischen elf und 20 Prozent erzielen.
Größte Hürde: Unsicherheit
Dennoch gibt es auch Nachteile und Hürden. Die meisten Unternehmen, die keine Investitionen durchgeführt oder geplant haben, geben fehlendes Budget (25 Prozent) oder keine weiteren Einsparmöglichkeiten (25 Prozent) an. Bei 23 Prozent fehlt auf Führungsebene die Überzeugung für die Wichtigkeit oder Dringlichkeit der Investitionen.
Die größte Hürde für das Energiesparen ist jedoch die Unsicherheit. Ein Drittel (30 Prozent) der Unternehmen berichtet von der Schwierigkeit, zu wissen, welche Technologie sich langfristig durchsetzen wird. Knapp dahinter kommen die Klagen über Bürokratie: 29 Prozent finden, bürokratische Prozesse und Genehmigungsverfahren machen Projekte langwierig und teuer. Den dritten Platz (26 Prozent) teilen sich komplizierte Förderung und ständig wechselnde Regularien.
Diese Zahlen bedeuten nicht, dass deutsche Unternehmen Regularien oder Gesetzesmaßnahmen für überflüssig oder schlecht halten. 67 Prozent sind zufrieden mit den bestehenden sowie den beschlossenen Regelungen für Unternehmen zum Energieverbrauch. Zudem ergreifen sie Maßnahmen nicht nur aus Zwang, sondern auch aus Überzeugung. 80 Prozent stimmen zu, dass Umweltschutz für ihr Unternehmen wichtig ist, um einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.
Zwischen Frust, Energiesparmüdigkeit und Existenzangst
Alles in allem scheint die Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen (74 Prozent) zufrieden mit ihren Maßnahmen zu sein. Auf der anderen Seite zeigt sich Frust und Ermüdung. Ein Drittel (33 Prozent) ist frustriert über hohe Energiekosten und fast ebenso viele (29 Prozent) meinen, ihr Unternehmen mache immer noch zu wenig. In jedem fünften Unternehmen (23 Prozent) führen die Energiesparmaßnahmen laut den Befragten nicht zum gewünschten Ergebnis.
Zudem scheint sich eine Energiesparmüdigkeit in Industrieunternehmen einzuschleichen. So werden die Mitarbeitenden in 35 Prozent der Unternehmen wieder nachlässiger in Bezug auf Energiesparreglungen. In anderen werden weniger Investitionen getätigt (28 Prozent), Ideen zum Energiesparen vorgebracht (27 Prozent) oder begonnene Projekte nicht beendet (23 Prozent). In 86 Prozent der Unternehmen kann mindestens eines dieser Phänomene beobachtet werden.
Dieser Frust lässt sich vor allem auf die aussichtslose Situation zurückführen, in der sich viele Unternehmen durch die hohen Energiepreise sehen. Fast zwei Drittel (65 Prozent) sagen, ihre Wettbewerbsfähigkeit sei beeinträchtigt, wenn die Energiepreise so hoch bleiben. Schlimmer noch: Die Hälfte der Unternehmen (50 Prozent) können laut Befragung nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, sollten die Preise so hoch bleiben.
Deshalb wünschen sich 46 Prozent der Befragten von der Politik mehr Unterstützung für Unternehmen, die besonders hart von hohen Energiekosten getroffen sind. Ebenso viele (45 Prozent) würden es auch begrüßen, wenn Subventionen leichter beantragt werden könnten und weniger Bürokratie erforderten.
Abwanderung als einzige Lösung?
Trotz aller Investitionen zur Energieeinsparung bleibt deshalb vielen nur die Abwanderung ins Ausland. 45 Prozent verlegen derzeit energieintensive Prozesse ganz oder zumindest teilweise ins Ausland – oder sind diesen Schritt bereits gegangen. Weitere 19 Prozent planen diesen Schritt.
„Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache“, sagt Christian Reinwald, Head of Product Management und Marketing bei Reichelt Elektronik. „Für etwa die Hälfte der Industrieunternehmen scheint Deutschland kein geeigneter Standort mehr zu sein, um wirtschaftlich arbeiten zu können – ein erschreckendes Zeugnis für die bundesdeutsche Wirtschaftspolitik. Die Lage ist derzeit nicht einfach, und ich verstehe Frust und Resignation bei allen Beteiligten – schließlich ist der Umwelt nicht geholfen, wenn Firmen in Ländern wie USA und China mit günstigem, aber umweltbelastendem Strom produzieren und Produkte um den ganzen Globus geschickt werden müssen. Als Industrienation und Exportland brauchen wir Produktion vor Ort. Steuern müssen auf ein vernünftiges Maß gesenkt werden und Regulationen das globale Gefüge im Auge behalten – der Umwelt und der deutschen Wirtschaft zuliebe.“