Ingenieure und Biologen am MIT haben sich zusammengetan, um ein neues lebendes Material zu entwerfen: Ein hartes, dehnbares, biokompatibles Blatt aus Hydrogel, das mit lebenden Zellen injiziert wird. Diese sind genetisch programmiert, um in Gegenwart bestimmter Chemikalien zu leuchten.
Biosensoren auf der Haut
Zwei Teams am Massachusetts Institute of Technology produzierten verschiedene tragbare Sensoren aus dem zellinfizierten Hydrogel. Dazu gehört einen Gummihandschuh mit Fingerspitzen, die nach Berührung einer chemisch kontaminierten Oberfläche glühen. Außerdem entwickelten sie Verbände, die beim Aufpressen von Chemikalien auf der Haut aufleuchten.
Laut Professor Xuanhe Zhao kann das Design des lebenden Materials angepasst werden, um diverse Chemikalien und Kontaminanten aufzuspüren. Das wäre nützlich zur Untersuchung von Tatorten und die forensische Wissenschaft, zur Überwachung von Verschmutzungen und für die medizinische Diagnostik.
„Mit diesem Design können die Menschen verschiedene Arten von Bakterien in diese Geräte setzen, um Toxine in der Umwelt oder Krankheiten auf der Haut zu identifizieren“, ergänzt Timothy Lu, Professor für Biologie und Elektrotechnik und Informatik.
Den Materialien Leben einhauchen
Lu und seine Kollegen in der Synthetischen Biologie-Gruppe des MIT sind auf die Schaffung biologischer Schaltungen spezialisiert, die die biologischen Teile in lebenden Zellen wie E. coli genetisch neu programmieren. Das lässt sich mit den logischen Schritten in einem elektrischen Stromkreis vergleich - nur ist dieser in diesem Fall lebendig. Auf diese Weise können Wissenschaftler lebende Zellen rekonstruieren, um spezifische Funktionen auszuführen. Einschließlich der Fähigkeit, das Vorhandensein von Viren und Toxinen zu erfassen und zu signalisieren.
Das kurze Leben der künstlichen Zellen
Allerdings sind viele dieser neu programmierten Zellen nur innerhalb von Petrischalen überlebensfähig, wo Wissenschaftler sorgfältig die Nährstoffe, die notwendig sind , um die Zellen lebendig und aktiv zu halten, kontrollieren können - eine Umgebung, die sich als äußerst schwierig, in synthetischen Materialien replizieren lässt.
„Die Herausforderung, lebende Materialien herzustellen, ist, wie man diese Zellen lebensfähig und funktional ins Gerät zu bringen“, sagt Lu. „Sie benötigen Feuchtigkeit, Nährstoffe und Sauerstoff. Die zweite Herausforderung ist, wie man sie davon abhält, aus dem Material zu entkommen.“
Ein lebendiger Gastgeber
Die Zhaos Gruppe im MIT's Soft Active Materials Labor hat ein Material entwickelt, das sich als Gastgeber von lebenden Zellen eignet. In den vergangenen Jahren hat sein Team verschiedene Rezepturen von Hydrogel gefunden - ein hartes, hoch dehnbares, biokompatibles Material aus einer Mischung aus Polymer und Wasser.
Die neuesten Entwürfe der Forscher haben bis zu 95 Prozent Wasser enthalten und bieten eine Umgebung, die geeignet für die Erhaltung lebender Zellen ist. Das Material widersteht auch der Rissbildung, auch wenn es wiederholt gedehnt und gezogen wird - eine Eigenschaft, die helfen könnte, Zellen innerhalb des Materials zu enthalten.
3D-Druck vereint Zelle und Wirt
Die beiden Gruppen um Lu und Zhaos schlossen sich zusammen, um die genetisch programmierten Bakterienzellen von Lu in Zhaos Blätter des Hydrogelmaterials zu integrieren. Unter Verwendung von 3D-Druck und Mikromatentechnik stellten sie zuerst Schichten von Hydrogel und gemusterten schmalen Kanälen innerhalb der Schichten her.
Anschließend verschmolzen sie das Hydrogel zu einer Schicht aus Elastomer oder Gummi. Das ist porös genug, um Sauerstoff durch zu lassen. Sie injizierten im nächsten Schritt E. coli Zellen in die Kanäle des Hydrogels. Die Zellen wurden programmiert, um zu fluoreszieren, wenn sie mit bestimmten Chemikalien in Berührung kommen, die das Hydrogel passieren. In diesem Fall reagieren sie auf eine natürliche Verbindung, die als DAPG bekannt ist.
Die Forscher tränkten dann das Hydrogel, beziehungsweise das Elastomermaterial in einem Nährstoffbad. Die Nährstoffe verteilten sich im gesamten Hydrogel und halfen dabei, die Bakterienzellen mehrere Tage lang lebendig und aktiv zu halten.
Der Indikator funktioniert
Um die potentiellen Verwendungen des Materials zu demonstrieren, haben die Forscher zuerst ein Blatt des Materials mit vier getrennten, schmalen Kanälen hergestellt. Jeder Kanal enthielt jeweils eine Art von Bakterien, die in Reaktion auf eine andere chemische Verbindung grün glühten. Damit konnten die Forscher nachweisen, dass jeder Kanal zuverlässig beleuchtete, wenn er seiner jeweiligen Chemikalie ausgesetzt war.
Als nächstes formte das Team das Material zu einem Verband, gemustert mit Kanälen, die Bakterien enthielten, die für Rhamnose empfindlich waren, ein natürlich vorkommender Zucker. Die Forscher tupften das Handgelenk eines Freiwilligen mit einem in Rhamnose getränkten Wattebausch, wandten dann den Hydrogel-Verband an, der sofort als Reaktion auf die Chemikalie aufleuchtete.
Der lebende Handschuh
Schließlich haben die Forscher einen Hydrogel-Handschuh hergestellt, dessen Fingerspitzen strukturelle Kanäle enthielten, von denen jede mit verschiedenen chemisch-sensierenden Bakterienzellen gefüllt war. Jede Fingerspitze glühte in Reaktion auf das Aufnehmen eines mit einer entsprechenden Verbindung getränkten Wattebausches.
Die Gruppe hat auch ein theoretisches Modell entwickelt, um anderen bei der Gestaltung ähnlicher lebender Materialien und Geräte zu helfen. „Das Modell hilft uns, lebende Geräte effizienter zu gestalten“, sagt Zhao. „Es erzählt dir Dinge wie die Dicke der Hydrogel-Schicht, die du verwenden sollst, die Distanz zwischen den Kanälen, wie man die Kanäle umgibt und wie viel Bakterien zu benutzen sind.“
Kleidung, die Krankheiten erkennt
Letztlich stellt sich Zhao Produkte aus lebenden Materialien vor, wie Handschuhe und Gummisohlen, die mit chemisch-sensierendem Hydrogel ausgekleidet sind oder Verbände, Patches und sogar Kleidungsstücken, die Anzeichen einer Infektion oder Krankheit erkennen können. Diese Forschung wurde zum Teil durch das Amt für Marineforschung, die National Science Foundation und die National Institutes of Health unterstützt.