Masse kann in Energie und umgekehrt Energie in Masse umgewandelt werden. Dieses Grundgesetz der Äquivalenz von Masse und Energie geht auf die Spezielle Relativitätstheorie zurück, die Albert Einstein 1905 aufgestellt hat und mit seiner wohl berühmtesten Formel E = mc2 beschreibt.
„Ein völlig leerer Raum, also ein Vakuum, verliert seine Stabilität, wenn dort extrem starke elektrische Felder herrschen“, sagt Kohlfürst. Instabil bedeutet, dass das Vakuum eben nicht mehr völlig leer ist, also Materie in Form von Elektronen und Positronen entsteht. Nötig sind dafür elektrische Spannungen von rund 1.000 Billiarden Volt pro Meter – Werte, die selbst die Hochspannung von Blitzen um viele Größenordnungen übersteigen.
Auf den Spuren von Nobelpreisträgern
Doch das hindert Kohlfürst und seine Kollegen nicht, sich diesen extremen Bedingungen theoretisch mit komplexen Modellen und Berechnungen zu nähern. Damit treten sie in die Fußstapfen von berühmten Vorgängern. Denn erstmals schlug der österreichische Physiker Fritz Sauter diesen Effekt bereits 1931 vor. Eine weiter reichende theoretische Erklärung gelang dem amerikanischen Physik-Nobelpreisträger Julian Seymour Schwinger 20 Jahre später. Beide sind heute die Namenspatronen dieses Sauter-Schwinger-Effekts.
Kohlfürst und sein Team ergänzen die bisher aufgestellten Theorien um einen wesentlichen Aspekt. Ihnen gelang es, das Zeitfenster einzugrenzen, in dem aus starken elektrischen Feldern Materie entsteht. „Dieser Prozess verläuft nicht instantan, also ohne jeden Zeitverlust. Es dauert ein bisschen, bis sich Elektronen und Positronen gebildet haben“, erläutert Kohlfürst.
Doch so extrem stark die elektrischen Spannungsfelder sein müssen, so extrem kurz sind diese Zeitfenster. Länger als ein bis zwei Zeptosekunden – das sind ein bis zwei Billionstel einer Milliardstel Sekunde – brauchen Elektronen und Positronen gemäß den numerischen Simulationen der drei Physiker nicht, bis sie aus der Leere des Vakuums in der Realität auftauchen.
Basis für weitere Forschungen
„Unsere Arbeit ist Grundlagenforschung und basiert auf der Quantenelektrodynamik, die das Wechselspiel von geladenen Teilchen und dem Elektromagnetismus auf Quantenebene beschreibt“, sagt Kohlfürst. Doch die Ergebnisse könnten auch Impulse für andere Forschungsfelder von der Festkörper- über die Astrophysik bis zur Plasmaforschung für zukünftige Fusionsreaktoren liefern. Denn das Entstehen von Materie aus starken elektrischen Feldern lässt sich als ein Tunnelprozess beschreiben.
In diesem Bild schaffen die starken elektrischen Felder tiefe Täler und hohe Berge in einer Potentiallandschaft. Elektronen und Positronen können durch einen Tunnel diese Berge passieren und am Tunnelausgang quasi in der Realität ankommen. „Mit unserer Studie bezifferten wir die Verweildauer von Elektronen und Positronen in diesem Tunnel“, sagt Kohlfürst.
Nun treten Tunnelprozesse auch in Kristallen und dünnen Schichten, fernen Sternen und Galaxien oder in energiereichen Wolken aus geladenen Teilchen auf. So ist es nicht ausgeschlossen, dass die neuen Erkenntnisse auch bei Festkörper-, Astro- oder Plasmaphysikern auf Interesse stoßen.
„Nach der Verweildauer eines Elektrons im Tunnel wollen wir nun versuchen, auch die Länge dieses Tunnels zu bestimmen“, verweist Kohlfürst auf geplante weitere numerische Arbeiten. Das ist alles andere als trivial. Denn niemand weiß, wie schnell sich die Elektronen in diesem Tunnel bewegen. Solche Studien ebnen auch den Weg, das spontane Entstehen von Materie im Vakuum im Experiment zu zeigen. Vorstellbar sind diese Versuche beispielsweise an der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF), die das HZDR am European XFEL in Schenefeld betreibt. „Bisher sind aber selbst die leistungsfähigsten Laser nicht stark genug, um die nötigen elektrischen Felder aufzubauen“, sagt Kohlfürst.
Höhere Energien und damit eine Lösung für diese Herausforderung könnten pfiffige Kombinationen aus starken Lasern und Elektronen- oder Ionen-Strahlen bieten. „Und wir würden uns sehr freuen, wenn unsere theoretischen Arbeiten anderen Arbeitsgruppen helfen, ihre Experimente besser und zielgerichteter planen und aufbauen zu können.“