Im Verlauf der Corona-Pandemie experimentierten viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem Homeoffice und machten dabei Erfahrungen, die im Durchschnitt besser ausfielen als erwartet – auch beim Thema Produktivität. „Unsere Studie zeigt, dass zwischen der subjektiven Wahrnehmung möglicher Produktivitätseffekte und dem langfristig geplanten Einsatz von Homeoffice ein Zusammenhang besteht“, sagt Dr. Daniel Erdsiek, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ und Co-Autor der Studie. „Unter den befragten Unternehmen fällt der geplante Anstieg der Homeoffice-Nutzung deutlich stärker aus, wenn sie die Arbeit im Homeoffice im Vergleich zur Arbeit vor Ort als gleichwertig oder gar produktiver bewerten.“
An der ZEW-Befragung beteiligten sich zwischen Dezember 2020 und Juni 2022 rund 800 Unternehmen der Informationswirtschaft, die sich aus IKT-Branche, Mediendienstleistern und wissensintensiven Dienstleistern zusammensetzt. Mehr als jede dritte Firma in diesem Bereich hat im Laufe der Pandemie ihre Einschätzung der Produktivität im Homeoffice verbessert. Bei großen Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten blicken mittlerweile sogar knapp 60 Prozent optimistischer auf die Produktivität der Beschäftigten im Homeoffice als vor Corona.
Positive Einstellung, also mehr Homeoffice – eine klare Sache?
Zunächst erscheint die Annahme naheliegend, dass Unternehmen eher gewillt sind, das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen, wenn sie keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität erwarten. Allerdings wird der empirische Nachweis dieses kausalen Zusammenhangs dadurch erschwert, dass vielfältige Ursachen zu einem positiven Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Produktivität und der Homeoffice-Nutzung beitragen könnten. Die ZEW-Studie basiert daher auf zwei Umfrageexperimenten, durch die sich der Effekt isoliert betrachten lässt.
Im ersten Experiment wurde die Reihenfolge der Fragen variiert, sodass ein Teil der befragten Arbeitgeber zuerst über mögliche Produktivitätseffekte nachdenken musste, bevor Fragen bezüglich der geplanten Nutzung beantwortet wurden. Diese zufällig ausgewählten Unternehmen dienten im Experiment als Treatment-Gruppe. Als Kontrollgruppe wurden die restlichen Unternehmen herangezogen, die zuerst zu ihren Homeoffice-Plänen befragt wurden.
Der erwartete Homeoffice-Schub berechnet sich dabei aus der Differenz des Beschäftigtenanteils, der laut Einschätzung der befragten Unternehmen nach der Pandemie mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten wird, und dem entsprechenden Beschäftigtenanteil vor der Pandemie. Die Einschätzung der Produktivität bezieht sich auf Beschäftigte im Homeoffice im Vergleich zum geschäftlichen Büro.
Skeptische Arbeitgeber vergeben langfristig weniger Homeoffice
Der erwartete Homeoffice-Schub fiel umso höher aus, je vorteilhafter Unternehmen mögliche Produktivitätseffekte bewerteten – das galt für die Kontrollgruppe ebenso wie für die Treatment-Gruppe. Die veränderte Reihenfolge der Fragen hatte allerdings einen Effekt auf die langfristigen Homeoffice-Pläne, wenn Unternehmen von einer geringeren Produktivität im Homeoffice ausgingen: Bei diesen eher skeptischen Arbeitgebern führte das vorherige Nachdenken über die Homeoffice-Produktivität zu einer im Durchschnitt geringeren erwarteten Nutzung von Homeoffice.
Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich die subjektive Wahrnehmung der Produktivitätseffekte auf die langfristig erwartete Verbreitung von Homeoffice in deutschen Unternehmen auswirkt. Ein zweites Umfrageexperiment der ZEW-Wissenschaftler unterstützte diese Schlussfolgerung.