Sensorik & Messtechnik Messen unter SIL-Kontrolle

Bild: ThomasTroy
07.04.2015

Die Norm IEC/EN 61508 definiert die Zuverlässigkeit der Sicherheitsfunktionen elektronischer Systeme. Bei der elektrischen Temperaturmessung betrifft das den Messumformer bzw. Transmitter - jedoch nicht den Sensor und damit das eigentliche Thermometer. Weil aber der Einsatz des einen ohne den anderen keinen Sinn macht, müssen Messstellen unter dem SIL-Aspekt ganzheitlich betrachtet werden.

Ein Thermometer, das man überall einsetzten kann – das wäre für manchen Anlagenplaner ein Traum. Denn die Temperatur ist die häufigste Messgröße in der Prozessindustrie. Doch ein solches Gerät gibt es nicht, die Messgeräte und ihre Konstruktionsvarianten haben sich in den Milliardenbereich fortentwickelt. Genauigkeit und Beständigkeit sind die bestimmenden Faktoren. Die Messgeräte müssen immer höheren Anforderungen genügen: Elektrische Thermometer sollen hohe Drücke, Temperaturen, Strömungen, starke Vibrationen oder aggressive Medien aushalten. Zugleich wünschen sich die Anwender eine hohe Genauigkeit bei kurzen Ansprechzeiten, stabile Signalverarbeitung und eine hohen Isolations-, Durchschlags- und EMV-Festigkeit. Auch die technische Realisierung wird durch eine Vielfalt von Richtlinien und Standards erschwert. Die SIL betreffende IEC/EN 61508 und die IEC/EN 61511 liefern konkrete Vorgaben.

Die Zahl der nach SIL qualifizierten Applikationen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Der Planungsaufwand dafür ist sehr umfangreich, wie man am Beispiel einer sicherheitsrelevanten Temperaturmessstelle sehen kann. Herzstück einer solchen Anordnung ist der Temperatur-Messumformer im Anschlusskopf. Im hier dargestellten Fall handelt es sich um den Typ T32.xS von Wika. Dieser Messumformer kam vor acht Jahren auf den Markt und war bislang das einzige Gerät dieser Art, dessen Hard- und Firmware zugleich nach der SIL-Norm entwickelt und durch eine vollständige Bewertung (Full Assessment) des Tüv Rheinland zertifiziert wurde. Der Transmitter eignet sich für den Einsatz in einer SIL-Applikation bis zur Stufe drei. Messumformer oder andere intelligente Geräte mit der Klassifizierung Betriebsbewährtheit sind höchstens SIL-2-fähig. Ein nach IEC/EN 61508 entwickeltes Gerät hat z. B. einen höheren SFF-Wert als ein Gerät, das nicht auf einer solchen Entwicklung beruht.

Die Sicherheitsintegrität gemäß IEC/EN 61508 bezieht sich stets auf ganze Systeme. Der angestrebte Grad ermittelt sich aus der SIL-Summe aller beteiligten elektronischen Komponenten, neben dem Messumformer also auch der Daten-Übermittlungsstrang zur Leitebene und die Verarbeitung der Werte dort.

Keine SIL-Qualifizierung für den Sensor

Der Temperaturfühler ist im Anschlusskopf mit dem Transmitter verschaltet und somit eine Komponente im SIL-Regelkreis. Da der Sensor aber keine Elektronik hat und sich nicht selbst beurteilen kann, kann er keine SIL-Qualifizierung bekommen. Trotzdem muss man die Tauglichkeit eines Fühlers unter SIL-Gesichtspunkten betrachten. In der elektrischen Temperaturmessung werden hauptsächlich zwei Arten verwendet: das Widerstandsthermometer mit Pt100-Sensor und das Thermoelement. Auf eine allgemeingültige Orientierung, welcher Sensor am besten mit der jeweiligen SIL-Anwendung harmoniert, können Anwender nicht zurückgreifen.

Um sicher zu sein, muss man detailliert nachfragen. Dabei ist unter anderem wichtig, welche Konstruktion sich hinter dem Pt100 verbirgt und welche Kontaktierung der Sensor hat. Wichtig sind auch die verwendeten Werkstoffe in der mineralisolierten Mantelleitung des Messeinsatzes und die Qualität des Platins in der Kupferdrahtlegierung. In der Praxis kann man diesen Aufwand nicht leisten. Von der Namur ist eine verbesserte Richtlinie zu erwarten. Sie hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und wird ihre Empfehlung NE24 „Anforderungen an Messeinsätze für Temperatursensoren zum Einsatz in eigensicheren Stromkreisen“ stärker konkretisieren.

Neben den technischen Maßgaben benötigen Anwender Werte für die Ausfallwahrscheinlichkeit des Temperaturfühlers. In Nachschlagewerken finden sich eher allgemeine Infos dazu. Daher sollte man sich bei diesem Punkt der Messstellen-Sicherheit auf die tatsächliche Anwendung konzentrieren und darauf, negative Einflüsse zu verhindern. Dafür ist unter anderem die Schutzarmatur zuständig. Sie besteht aus Schutzrohr, Halsrohr und Thermometer-Anschlusskopf. Das Schutzrohr schirmt den Fühler ab und ermöglicht einen Ausbau des Fühlers zur wichtigen Rekalibrierung, ohne den Prozess zu unterbrechen. Das vereinfacht die wiederkehrende Überprüfung, wie sie für SIL-Messstellen vorgeschrieben ist.

Ausbau ohne Prozessunterbrechung

Bei Wika werden Schutzrohre auf Basis einer komplexen Software unter Einbeziehung aller Prozessparameter geplant. Das betrifft nicht nur die Abwehr thermischer Einwirkungen und aggressiver Substanzen, sondern auch Schwingungsbelastungen. Die Rohre müssen diese bruchsicher ertragen und gleichzeitig verhindern, dass die Schwingungen den Messeinsatz beeinflussen und den Messwert verfälschen. Ein Transmitter teilt dem Leitsystem zwar jede Veränderung des Messwerts mit, aber er kann nicht erkennen, was sie hervorgerufen hat: eine Temperaturänderung oder ein Sensorfehler.

Bei der Auslegung sicherheitsrelevanter Messstellen unter SIL-Betrachtung müssen sich Planer und Anwender weiterhin mit einer Vielzahl von Standards beschäftigen, was einen immensen Aufwand bedeutet. Ökonomischer ist die Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Hersteller, der die notwendigen Managementsysteme anwendet. Für die tatsächlichen SIL-Komponenten fordert es die IEC/EN 61508 ohnehin.

Bildergalerie

  • Aufbau einer typischen Thermometerarmatur mit Anschlusskopf, Halsrohr, Prozessanschluss, Schutzrohr und Thermometermesseinsatz.

    Aufbau einer typischen Thermometerarmatur mit Anschlusskopf, Halsrohr, Prozessanschluss, Schutzrohr und Thermometermesseinsatz.

    Bild: Wika

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel