Um Ressourcenaufwände zu senken, zu optimieren und auszugleichen besteht die Aufgabe der Betriebe darin, den Medienverbrauch einzelner Produktionslinien und Verfahrensbereiche bis hinunter zum Sensor sowohl lokal als auch global zu erfassen – und das einfach und schnell. In den Bestandsanlagen der hybriden Industrie werden zur Lebensmittelherstellung unterschiedliche flüssige und gasförmige Medien eingesetzt, beispielsweise Erdgas-/Luftgemische zur Wärmebehandlung der Thermoprozesse im Back- und Schmelzverfahren oder in Kühlprozessen. Hier ist jeder Kubikmeter Erdgas respektive jeder Liter Wasser nicht nur effizient, sondern vor allem ressourcenschonend und intelligent zu nutzen.
Eine solche Methodik muss in einer sich ständig erweiternden und interoperabel vernetzenden Fertigung möglich sein, in der es keine Rolle spielt, ob die Anlage 20 Jahre und älter ist oder nachträglich eine neue Misch-, Schneide- oder Rühreinheit mit modernem Kommunikationssystem – zum Beispiel Prozess- und Leitsystem – installiert wird. Ebenfalls sollte es keine Bedeutung haben, ob es sich um einen diskreten oder verfahrenstechnischen Bereich innerhalb der Fabrik handelt.
Lösungen belegen Effizienzsteigerung
Als Lösung für eine CO2-neutrale Zukunft bietet sich die All Electric Society an. Diese Zukunftsvision beschreibt eine Welt, in der regenerativ erzeugte elektrische Energie als primäre Hauptenergieform fungiert, die im Überfluss, absolut wirtschaftlich und vollkommen CO2-neutral zur Verfügung steht. Die Industrie nimmt eine Schlüsselrolle bei der angestrebten Klimaneutralität ein, denn mit ihren Lösungen elektrifiziert sie sämtliche anderen Sektoren, etwa Gebäude, Mobilität, Energie und Infrastruktur.
Damit das Ziel der Net-Zero-Emission von der weltweit wichtigen Lebensmittelindustrie als einem der großen industriellen Sektoren einfach und wirtschaftlich erreicht werden kann, hat Phoenix Contact unter Beachtung der Rahmenbedingungen der All Electric Society die Digital Factory now geschaffen. Das Konzept stellt für den industriellen Sektor ein generisches, skalierbares sowie modular einsatzfertiges System bereit, das den Ansprüchen der Digitalisierung, Effizienz und Nachhaltigkeit gleichermaßen gerecht wird.
Wie viele Unternehmen der Lebensmittelindustrie hat Phoenix Contact als Elektronikhersteller das klare Ziel, bis 2030 entlang der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu agieren. Daraus ergibt sich für die System- und Applikationsentwicklung des Unternehmens, dass die Lösungen, die den Anwendern unter anderem zur Effizienzsteigerung in einer nachhaltigen Produktion angeboten werden, vorher in den eigenen Fabriken und deren Netzwerken erprobt worden sind. Dies geschieht beispielsweise industrieunabhängig und offen in der Digital Factory am Standort Bad Pyrmont. Aus der Untersuchung resultierte des Weiteren der Anwendungsfall „Medienmessung und Berichtswesen mit der eigenen Cloudlösung Proficloud.io und dem offenen Ecosystem PLCnext Technology“.
Aufgrund der Erweiterung der Richtlinien zur nachhaltigen Wesentlichkeitsanalyse und gesellschaftlichen Verantwortung der Wirtschaft zum Beispiel um die CSR-Definition (Corporate Social Responsibility) muss die komplette Industrie handeln. Gemäß dem Statistischen Jahrbuch 2019 (destatis.de), Statistics | Eurostat (europa.eu) sind davon in Deutschland mehr als 45.000 und in Europa über zwei Millionen fertigende Unternehmen betroffen. Wollen die Verantwortlichen ihren Betrieb in eine wirtschaftlich erstrebenswerte, smarte und digitale Zukunft führen, erweist es sich als unerlässlich, eine Fabrik ganzheitlich zu betrachten und zu analysieren.
Nahtlose Steuerung und Auswertung
Insbesondere wegen der aktuellen wirtschaftlichen und weltpolitischen Situation der Ressourcenknappheit hat Phoenix Contact im Kontext der Digital Factory now ein modulares Digitalisierungs- und offenes Lösungskonzept erarbeitet. Dieses beinhaltet neben anderem fertige ebenso wie individuelle Schaltschranklösungen gemäß dem Black-Box-Prinzip für jede Produktionsumgebung, also auch explosionsgefährdete Bereiche. Das Konzept lässt sich über das eigene globale Cloudsystem Proficloud.io für eine einzelne wie zahlreiche Fabriken weltweit ausrollen.
Dabei ist es unerheblich, ob Erdgas, Wasser, Stickstoff, Schweröl, elektrische Energie oder andere Medien erfasst werden sollen. Das PLCnext-basierte IIoT-Framework ermöglicht die nahtlose Steuerung, Darstellung und Auswertung von Verbräuchen und Mischverhältnissen. Darüber hinaus können Daten offen sowie ohne weitere Datensilos zwischen der Feldebene und den überlagerten Systemen – beispielsweise Enterprise Resource Planning (ERP), Manufacturing Execution System (MES), Distributed Control System (DCS) oder Cloud – zugriffssicher ausgetauscht werden.
Gerade jetzt nutzen diese Eigenschaften den Betreibern von Erdgas-Luft-beheizten Schmelz- und Backöfen. Das wichtige Verbrennungsverhältnis wird im Bestandsprozess mit nur minimalinvasiven Angleichungen parallel optimiert, ohne in die Stationen, Maschinen oder Anlagen im CE-Prozess einzugreifen. Stillstände sind somit ausgeschlossen und kostspielige externe Installationskosten werden vermieden.
Durch den konsequenten Einsatz von freien, offenen Machine-Learning-Apps über den digitalen Marktplatz PLCnext Store lässt sich eine zustandsorientierte Überwachung und Diagnose pro Sensor in das selbstlernende System integrieren oder nachrüsten. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob es um Differenzdruckwächter, Thermoelemente im Backofen respektive im Erdgas oder den Mengenmessumformer in der Luftzuführung geht. Mit wenig Investitionen gelingt so ein wirtschaftlich nachhaltiger CO2-Fußabdruck pro Brötchen, Waffel oder Keks im parallelen Betrieb mit hoher Zeitersparnis und Effektivitätssteigerung.
In der Fertigung von Phoenix Contact am Standort Bad Pyrmont hat sich die Gesamtanlageneffektivität mit diesem Ansatz in lediglich 18 Monaten auf der Grundlage von nur drei bis fünf Prozent der anfallenden Daten pro Anlage um mehr als zehn Prozent erhöht. Das entspricht dem Faktor 5 im Vergleich zu konventionellen Automatisierungssystemen.
Höherer Schutz der Feld- und Fertigungsebene
Energie- und Medienkosten sind nicht langfristig kalkulierbar. Richtlinien wie CSR, die rasante Klimaveränderung sowie der Druck von großen Unternehmen in die Lieferketten treffen immer häufiger die global agierenden kleinen und mittelständischen Betriebe. Ferner gelten die europäische Lebensmittelindustrie und viele andere industrielle Bereiche als relevante Sektoren für die Netzwerk- und Cybersicherheit gemäß IEC 62443 sowie der Richtlinie zur Sicherheit von Netz- und Informationssystemen NIS 2.0.
Daraus leitet sich ein höherer Schutz der klassischen Feld- und Fertigungsebene durch segmentierte Netzwerke ab. Der ganzheitliche Ansatz der Digital Factory now gibt bei den genannten erheblichen Veränderungen auf dem Weltmarkt sowohl lokal ebenso wie global Antworten und Hilfestellungen, damit sich produzierende Unternehmen Schritt für Schritt sowie effektiv und kostendeckend für die kommenden Jahre aufstellen können.
„Wir sind die letzte Generation, die eine realistische Chance hat, eine Klimakatastrophe abzuwenden“, sagt Linus Steinmetz, der sich seit 2018 bei Fridays for Future engagiert. Gerade für einen wesentlichen Industriezweig wie die Nahrungsmittelherstellung kann Phoenix Contact gemeinsam mit seinen branchenspezifischen Anwendern eine langfristige Veränderung in Richtung CO2-Neutralität erwirken. Grundlage dafür ist die hohe Innovationskraft des Leitbilds der All Electric Society auf Basis eines ganzheitlichen Ansatzes, der eine nachhaltige Digitalisierung in einer offenen Automatisierungslandschaft umfasst.