Produkt-Historie genau durchleuchten Mit „schlauem Rost“ Materie zum Sprechen bringen

Durch die Methode könnte es möglich sein, Materialien über ihre Geschichte „berichten“ zu lassen.

Bild: iStock, Paul Campbell
05.12.2023

Eigentlich sind Materialien „stumm“. Temperatur, Feuchte, chemische Einflüsse oder mechanischer Stress hinterlassen zwar ihre Spuren und wirken sich auf ihre Festigkeit und Lebensdauer aus, doch über ihre Nutzungshistorie können sie kaum etwas berichten. Mehr über die Historie solcher Einflüsse zu wissen, könnte also entscheidend zur Produktqualität beitragen. Doch bisher gibt es noch keinen Lösungsansatz dafür, Materie über ihre Historie zum Sprechen zu bringen. Das Forschungsvorhaben „SmartRust“ soll das nun ändern.

Der European Research Council (ERC) ist eine Körperschaft der Europäischen Union, die exzellente wissenschaftliche Vorhaben von herausragenden Forscherpersönlichkeiten fördert. Vom ERC wurde nun ein Wissenschaftler mit einem ERC Consolidator Grant für ein Forschungsvorhaben ausgezeichnet, das genau das schaffen will: Objekte in Materie zu verwandeln, die Umgebungseinflüsse wahrnehmen und mitteilen kann.

Intelligente, magnetische Partikel

Karl Mandel, Professor für Anorganische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Leiter der Gruppe Partikeltechnologie am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg ist überzeugt: „Wenn Materialien in die Lage versetzt werden, über ihre Geschichte zu berichten, wird dies wesentlich dazu beitragen, die Produktsicherheit und -zuverlässigkeit zu gewährleisten, eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen, komplexe Recycling-Zustände von Materialien transparent zu machen und eine autonome, robotergesteuerte, widerstandsfähige Fertigung zu ermöglichen.“

Prof. Dr. Mandel will diese Idee mit intelligenten magnetischen Partikeln erreichen, die größtenteils auf Eisenoxid basieren, daher die bildhafte Projektbezeichnung „SmartRust“ – schlauer Rost. Mikrometergroße Suprapartikel werden dafür aus magnetischen Nanobausteinen, den „Signalwandlern“, zusammengesetzt, die mit anderen, nichtmagnetischen Bestandteilen, den „Sensibilisatoren“, kombiniert werden. Ein werkzeugkastenähnlicher Ansatz ermöglicht die Zusammenstellung von Nanopartikeln aus Signalwandlern und Sensibilisatoren ganz nach Wunsch. Die individuell angepassten SmartRust-Partikel werden dann in die Materialien integriert, die „zum Sprechen“ gebracht werden sollen.

Zusammenspiel magnetischer Wechselwirkungen

SmartRust betritt damit echtes Neuland in der Forschung, wie Mandel betont: „Wir vermuten, dass es ein Zusammenspiel zweier magnetischer Wechselwirkungsprinzipien gibt.“ Danach verändert auf einer hierarchischen Ebene I ein auslösendes Ereignis die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Nanopartikeln innerhalb der einzelnen Suprapartikel. Auf einer hierarchischen Ebene II verändert ein auslösendes Ereignis die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Suprapartikeln, wenn die Matrix der Materialien verändert wird, in die diese Suprapartikel eingebettet sind.

Die Idee ist, dass diese magnetische Wechselwirkungsinformation schnell, einfach, zerstörungsfrei und aus dem Inneren eines Materials heraus ausgelesen werden kann.“ An den wissenschaftlichen Grundlagen und der technischen Umsetzung kann mit der Förderung durch den ERC nun ein interdisziplinäres Team aus den Arbeitsgruppen von Prof. Mandel an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und am Fraunhofer ISC in Würzburg arbeiten.

„Wenn es gelingt, eine aussagekräftige Signal-Struktur-Trigger-Korrelation zu erhalten, könnten letztlich Konstruktionsregeln abgeleitet werden, wie man mit SmartRust wahrnehmende Materie schaffen kann“, ist sich Mandel sicher.

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