Unersetzbarer Mineralstoff Mikrobiologe entwickelt neues Recyclingverfahren für Phosphate

Sie ist entscheidend für das neue Verfahren: herkömmliche Backhefe.

Bild: iStock, Savany
01.06.2021

Dr. Jonas Christ von der RWTH Aachen hat ein Verfahren entwickelt, das mithilfe von Backhefe Bio-Polyphosphat herstellt. Der wertvolle Mineralstoff lässt sich so aus Abfallströmen gewinnen und für die Lebensmittelindustrie nutzen. Eine Kooperation mit einem Fleischwurst-Produzenten war bereits erfolgreich.

Phosphat ist ein unersetzbarer Mineralstoff in der Ernährung aller Lebewesen. Fossile Phosphaterz-Reserven werden vor allem in Marokko, in kleinerem Umfang aber auch in den USA, China und Indien abgebaut und zu Phosphatdünger verarbeitet. Pflanzen werden damit gedüngt, Menschen nehmen das Phosphat dann über ihre Nahrung zu sich. Schlussendlich wird es in die Flüsse und damit die Meere ausgewaschen. Dort bilden sich über Jahrmillionen neue fossile Reserven. Allerdings wird viel mehr Phosphat abgebaut, als sich natürlich nachbildet.

Das Verfahren, das Dr. Jonas Christ vom Institut für Angewandte Mikrobiologie der RWTH Aachen entwickelt hat, soll dem entgegenwirken. Dazu nutzt es gewöhnliche Backhefe: Diese nimmt Phosphat auf und setzt den Stoff intrazellulär zu Polyphosphat um. Aus der beladenen Hefe kann anschließend entweder pures Bio-Polyphosphat oder polyphosphatreicher Hefeextrakt gewonnen werden.

Christ ist für seine Arbeit mit dem mit 50.000 Euro dotierten Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen in der Kategorie „Nachwuchs“ ausgezeichnet worden. Der Innovationspreis NRW ist nach dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten die höchstdotierte Auszeichnung dieser Art in Deutschland.

„Phosphat-Knappheit ist ein oft übersehenes Problem“

Die fossilen Phosphaterz-Vorkommen in den USA, China und Indien werden schätzungsweise in weniger als 40 Jahren, die weltweiten in wenigen hundert Jahren erschöpft sein. „Es ergibt sich also ein Problem analog zu Erdöl, allerdings kann Phosphat nicht ersetzt werden“, erklärt Christ. „Phosphat-Knappheit ist ein oft übersehenes globales Problem. Hier setzt meine Forschung an. Ein interdisziplinärer Einsatz mikrobieller, chemischer und physikalischer Verfahren ist entscheidend zur Lösung dieses Problems.“

Das Verfahren, das Christ am Lehrstuhl von Prof. Lars M. Blank entwickelt hat, erlaubt erstmalig, Polyphosphat für die Anwendung in Lebensmitteln biotechnologisch aus ungenutzten Phosphat-Abfallströmen zu gewinnen. „Polyphosphat ist ein wertvolleres Endprodukt als das einfache Phosphat, besitzt andere chemische Eigenschaften und eignet sich für weitere Anwendungen, beispielsweise in der Lebensmittelherstellung“, sagt Blank.

Einsatz in Fleischwurst und Schmelzkäse

Letztlich sind zwei Produkte entstanden: ein polyphosphatreiches Hefeextrakt auf Basis von Bäckerhefe und pures Bio-Polyphosphat. Das Hefeextrakt konnte bereits erfolgreich von einem Kooperationspartner in der Herstellung von Fleischwurst getestet werden – deren Produktion ist ohne Phosphate nicht möglich. Früher ging dies nur mit chemisch hergestellten Phosphaten, jetzt schafft die biologische Alternative neue Möglichkeiten. Die Anwendungen des puren Bio-Polyphosphats gehen dabei noch weiter, etwa in der Herstellung von Schmelzkäse.

Als intrazelluläres Produkt muss Polyphosphat für die Analytik zunächst aus der Backhefe-Zelle extrahiert werden. Christ hat hierfür eine analytische Polyphosphat-Extraktion entwickelt, die 40 Prozent mehr Polyphosphat extrahieren soll als bisherige Methoden. Seine Methode läuft außerdem viel schneller ab.

Auch kann die von ihm entwickelte Polyphosphat-Analytik mit der Standardausstattung eines Labors erfolgen. Sie wird jetzt von der niederländischen Firma Aminoverse unter dem Markennamen Phosfinity kommerzialisiert.

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