Herr Starr, welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die Erreichung der Klimaschutzziele für unsere neue Regierung?
Der Erfolg der Regierungsarbeit wird unter anderem am Gelingen der Klima- und Energiepolitik gemessen werden. Dabei stehen zwei elementare Aspekte im Vordergrund: Wie wird Deutschland die Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig als Wirtschaftsstandort global wettbewerbsfähig bleiben? Dafür braucht es aus unserer Sicht einen integrativen Gesamtansatz, der alle Sektoren berücksichtigt. Denn für uns steht fest: Keine erfolgreiche Energiewende ohne Verkehrswende.
Wie bewerten Sie das Thema Wasserstoff in diesem Zusammenhang?
Um diesen Erwartungen gewachsen zu sein, braucht die Politik starke Verbündete. Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, ist ein solcher Verbündeter – als Kraftstoff wie als Speichermedium oder als Energierohstoff für die Industrie. Ohne Wasserstoff wird ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Umbau der Energiewirtschaft nicht möglich sein.
Jetzt startet eine neue politische Ära. Welche Empfehlung würden Sie, würden die Partner der CEP, den politischen Entscheidungsträgern mit auf den Weg geben?
Die Verkehrswende muss sich in erster Linie auf die Elektrifizierung der Antriebe konzentrieren. Damit dies über alle Fahrzeuganwendungen und Segmente hinweg gelingen kann, braucht es eine sinnvolle Kombination aus Batterien und Brennstoffzellen. Denn mobil zu sein, ist mehr als nur Pkw fahren. Wir wünschen uns, dass bei der Suche nach der besten Lösung eine kluge und weitsichtige Verkehrs- und Energiepolitik alle Technologien unterstützt, die einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten können. Batterie und Brennstoffzelle schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich. Mit dieser Kombination können wir für das Gesamtsystem eine optimale energetische und wirtschaftliche Lösung finden.
Gerade auch der Schwerlastverkehr hat einen enorm hohen Anteil an der Emission schädlicher Treibhausgase. Auch hier kursieren aktuell unterschiedliche Lösungsansätze. Wie bewerten Sie Wasserstoff in diesem Zusammenhang?
Aus Sicht der CEP ist Wasserstoff im Schwerlast- und Langstreckenverkehr die einzig echte Option. Im Bemühen um eine one-fits-all-Lösung würde die Politik die Chance auf eine erfolgreiche Mobilitätswende verspielen. Wasserstoff und Brennstoffzelle werden im Lkw-Bereich eine tragende Rolle spielen müssen, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Wasserstoff ermöglicht eine schnelle Betankung, hohe Reichweiten und bietet die notwendige Versorgungssicherheit und Flexibilität in einer erneuerbaren Energielandschaft. Ergo: Die Brennstoffzellentechnologie ist im Vergleich zu Batterie und Oberleitung die wirtschaftlichste Lösung.
Bundesweit gibt es bereits eine beachtliche Anzahl an Bussen und PKW mit Wasserstoffantrieb. Welche Erfahrungen haben Sie hier bisher machen können und was schlussfolgern Sie daraus?
Eine Verkehrswende benötigt einen zu jeder Zeit witterungsunabhängigen zuverlässigen ÖPNV: Neben der Vermeidung von schädlichen Emissionen und Lärm hat sich gezeigt, dass sich durch den Einsatz von Brennstoffzellen in Bussen nahezu keine Einschränkungen im Betriebsablauf ergeben: Busse haben mit aktuell 350 Kilometern eine ähnlich hohe Reichweite sowie kurze Betankungszeit wie konventionelle Dieselbusse. Zudem lassen sie sich flexibel auf allen Linien einsetzen.
Über den Wirkungsgrad von Wasserstoff wird viel diskutiert und der relativ hohe Primärenergiebedarf als Nachteil bewertet. Wie argumentieren Sie?
Der viel zitierte Vergleich des Wirkungsgrades von Batterie und Brennstoffzelle kann nur dann korrekt geführt werden, wenn das Gesamtsystem bis hin zur Energieerzeugung und Bereitstellung betrachtet wird. Direktelektrifizierung ist nicht automatisch die beste Lösung. Denn Wasserstoff produziert man dann, wenn das Angebot von Strom aus Sonne und Wind besonders hoch ist. Damit ist die Erzeugung von Wasserstoff per Elektrolyse nicht nur eine effiziente Verwertung des Stroms in diesen Zeiten. Wir verhindern auch, dass Wind- und Solaranlagen unnötig abgeschaltet werden. In Deutschland wurden 2020 an die 6 Terrawattstunden aus Erneuerbaren Energien ab geregelt und somit nicht genutzt, da die Leistung vom Stromnetz nicht aufgenommen werden konnte. Diese abgeregelten Terrawattstunden hätten grünen Wasserstoff für bis zu 1 Million PKWs mit einer jährlichen Laufleistung von fast 14.000 km versorgen können.
Wie bewerten Sie das Thema grüner Wasserstoff im internationalen Zusammenhang, gerade auch, wenn es um die Frage geht, wieviel grünen Strom Deutschland produzieren kann, um seine Bedarfe zu decken?
Betrachten wir das Thema global, dann ist grüner Wasserstoff der einzig geeignete Energieträger für den internationalen Handel von erneuerbarer Energie. Da eine Photovoltaik-Anlage in sonnenreichen Regionen wie zum Beispiel in Nordafrika mehr als zweimal so viel grünen Strom liefert wie in Deutschland, spricht der Gesamtwirkungsgrad für den grünen Wasserstoff als die effizienteste Lösung im gesamtwirtschaftlichen Kontext. Zukünftig wird Deutschland den selbst hergestellten Anteil an erneuerbaren Energien von zwar erhöhen können, aber es wird immer eine Lücke bleiben, die wir durch Importe schließen müssen. Für den restlichen Bedarf benötigt es Importe und starke Partnerschaften.
Herr Starr, herzlichen Dank für das Gespräch.