Das aktuelle Zollchaos überdeckt das viel größere Problem der europäischen Autoindustrie, nämlich die schwindende internationale Wettbewerbsfähigkeit, warnt Thorsten Rixmann, Chief Marketing Officer der auch auf dem Automobilsektor engagierten deutsch-österreichischen Obrist Group. Die heimischen Autohersteller würden im Wettstreit zwischen Benzin- beziehungsweise Dieselantrieb einerseits und batterie-elektrischen Fahrzeugen andererseits „zerrieben“, befürchtet er – und empfiehlt, von China zu lernen.
Thorsten Rixmann analysiert den Markt: „Die deutschen Hersteller zwingen ihre Kunden, sich zwischen Verbrenner und E‑Auto zu entscheiden. Doch genau das fällt vielen Verbrauchern derzeit schwer. Immer mehr chinesische Anbieter weisen ihren Kunden einen Ausweg aus diesem Dilemma: Range Extender. Der Antrieb arbeitet mit einem Elektromotor, aber die Stromversorgung erfolgt durch einen sparsamen Minibenziner statt großer und schwerer Batterieblöcke. Elektrisch fahren und Sprit tanken mit Reichweiten von über 1.000 km trifft den Kundenbedarf heute und in den nächsten Jahren. Und das gilt sicherlich nicht nur für China, sondern ebenso sehr auch für Europa.“
Elektrisch fahren, Sprit tanken, über 1.000 km Reichweite
Um die europäische Autoindustrie aus der Bredouille zu bringen, empfiehlt der Marketingchef der Industriegruppe Obrist das HyperHybrid-Konzept seines Arbeitgebers. Es handelt sich dabei um einen Range Extender made in EU, der den gängigen China-Ansätzen technisch überlegen und dennoch preiswerter sei. So setzt die Obrist Group auf einen „Zero Vibration Generator“ (ZVG) zur Stromerzeugung, der stets im optimalen Drehzahlbereich läuft, während der Fahrt kaum zu hören oder zu spüren ist und äußerst sparsam (rund 1,5 l Benzin auf 100 km) arbeitet
Der Clou: Der vibrationsfreie und geräuscharme Minimotor ist „zukunftsfit“, weil er auch mit Methanol fahren kann (3,3 l Methanol auf 100 km), wenn dieses künftig im großen Stil verfügbar wird. Hinzu kommt: Trotz der kompakten Abmessungen bringt es der HyperHybrid auf eine rein elektrische Reichweite von über 80 km; genug für 90 Prozent aller Fahrten im Alltag. Insgesamt schafft der HyperHybrid über 1.000 km, ohne laden oder tanken zu müssen.
Den von europäischen Herstellern favorisierten Plug-in-Hybriden ist der Range Extender weit überlegen, argumentiert Thorsten Rixmann. Er erklärt die Unterschiede: „Bei den üblichen sogenannten parallelen Plug-ins müssen die Kunden sowohl laden als auch tanken und fahren mal elektrisch und mal mit Sprit. Beim Range Extender fährt man hingegen immer mit elektrischem Antrieb und das Laden entfällt komplett. Das ist einfacher und angenehmer.“
Der Range Extender sei auch umweltfreundlicher als der Plug-in-Hybrid, meint der Obrist-Manager. Er begründet: „Der herkömmliche Plug-in hat zwei vollständige Antriebsmotoren, von denen jeweils nur einer gebraucht wird, und zusätzlich noch ein schweres Batteriepaket an Bord. Das mehr als doppelte Gewicht benötigt mehr Kraftstoff, erhöht den Reifenabrieb und verringert die Reichweite. Beim Range Extender hingegen werden nur ein einziger Antriebsmotor, ein kompakter Stromgenerator und eine kleine Pufferbatterie benötigt. Die Gewichtsersparnis liegt zwischen 20 und 40 Prozent gegenüber Plug-in-Hybriden.“
Markteinführung
Die Obrist Group hat ihr HyperHybrid-Konzept eigenen Angaben zufolge bereits zur Serienreife entwickelt und stellt es der europäischen Autoindustrie zur Verfügung. Durch die Vorarbeit der Industriegruppe könnten die Hersteller binnen zwei Jahren mit Range-Extender-Serienfahrzeugen auf den Markt kommen, schätzen die Obrist-Ingenieure. Der „Trick“: Die schon entwickelten E‑Autoplattformen könnten mit vergleichsweise wenig Aufwand auf HyperHybrid umgerüstet werden. Wie das funktioniert, hat die Industriegruppe vorgemacht, indem sie mehrere Teslas mit Range Extendern aus ihrem Haus ausgerüstet und dafür eine Straßenzulassung erhalten hat. „Die Funktionsfähigkeit ist bewiesen, die Serienreife gegeben“, sagt Thorsten Rixmann, „Jetzt liegt es an den europäischen Autobauern, die neue Best-of-both-Worlds-Technologie auf die Straße zu bringen, bevor die chinesischen Hersteller mit Range Extendern Europa aufrollen.“
Er verweist beispielhaft auf die chinesische Firma Li Auto, die 2024 mit 493.000 verkauften gehobenen sportlichen Geländewagen mit Range Extendern BMW als den langjährigen Marktführer in diesem Segment in China vom Thron gestoßen hat. BMW verkaufte in dieser Klasse 140.000 Fahrzeuge weniger als Li, Mercedes 197.000 und Audi 239.000 weniger. „Range Extender haben den Markt für Premium-SUVs in China erobert und es ist zu erwarten, dass Europa eine ähnliche Entwicklung nehmen wird, sobald diese Fahrzeuge hierzulande verfügbar werden“, sagt Thorsten Rixmann. Er appelliert: „Die hiesigen Hersteller sollten sich schleunigst auf diese Entwicklung einstellen.“