Interview über Investitionen in mehr Nachhaltigkeit „Raus aus der Warteschleife“

ABB AG

Dr. Volker Lindenau, Leiter des Geschäftsbereichs Motion in Deutschland und Zentraleuropa bei ABB: „Investitionen in mehr Nachhaltigkeit zahlen sich sehr schnell doppelt aus – weniger CO2-Ausstoß und mehr Wettbewerbsfähigkeit.“

Bild: ABB
30.10.2023

Auch wenn die Energiekosten derzeit wieder rückläufig sind, sollte bei den geplanten Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz nicht der Fuß vom Gas genommen werden. Genau dafür plädiert Dr. Volker Lindenau, Leiter des Geschäftsbereichs Motion in Deutschland und Zentraleuropa bei ABB, im Gespräch mit A&D. Investitionen in mehr Nachhaltigkeit zahlen sich laut dem Manager auch sehr schnell doppelt aus – weniger CO2-Ausstoß und mehr Wettbewerbsfähigkeit.

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Muss der Wandel hin in eine grüne Zukunft auch Spaß machen, fehlt hier oft noch der Mindset der Unternehmen? Verbinden zu viele Menschen und auch Unternehmen Nachhaltigkeit mit Verzicht?

Da stimme ich Ihnen zu. Das Thema "Nachhaltigkeit = Verzicht" ist ein Trugschluss, der die Freude daran ein Stück weit nimmt. Bei Nachhaltigkeit geht es darum, begrenzte Ressourcen bewusst einzusetzen. Und um das zu erreichen, sind Veränderungen erforderlich. Die Frage ist also, wie wir Veränderungen betrachten und wie wir damit umgehen. Ich persönlich habe Spaß an Veränderungen, aber das ist nicht bei jedem so. Es gibt jedoch viele Menschen, die nicht nur Freude an Veränderungen haben, sondern auch an Nachhaltigkeit, besonders in ihrem beruflichen Umfeld. Wenn wir mit Bewerbern sprechen, vor allem aus der jungen Generation, dann ist der Aspekt des "Purpose", den ein Arbeitgeber bieten kann, äußerst wichtig. Immer mehr Menschen wollen in ihrer Arbeit sinnvollen Aktivitäten nachgehen, um den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu fördern. Diese intrinsische Motivation nimmt erfreulicherweise stetig zu – und das unabhängig vom Alter.

Wenn es aber um die Motivation der Unternehmen geht: Kaum werden die Energiepreise wieder günstiger und auch die Auftragslage sinkt, werden Investitionen in energieeffiziente Lösungen eingefroren...

Die Zurückhaltung bei Investitionen hängt derzeit eher von der Wirtschaftslage ab, als von der Annahme, dass die Energiekosten wieder sinken und daher keine Maßnahmen erforderlich sind. Ich glaube, dass das grundlegende Verständnis dafür, dass Nachhaltigkeit, die Dekarbonisierung der Industrie und Energieeinsparung wichtige Themen sind, nicht verschwindet. Das sehen übrigens auch unsere Kunden, mit denen wir sprechen, genauso. Die Bedeutung von mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen steigt sogar. Natürlich müssen Unternehmen in Zeiten mit schwacher Auftragslage sorgfältig überlegen, wo sie investieren. Umso wichtiger sind dann energieeffiziente Lösungen, die einen Return on Investment innerhalb weniger Monate oder Jahre bieten. Insbesondere im Bereich der Antriebstechnik gibt es Lösungen, bei denen der ROI teilweise deutlich unter einem Jahr liegt. Das ermöglicht es Unternehmen, kurzfristig wettbewerbsfähiger zu werden, auch bei begrenzten Investitionsspielräumen.

Sind die hohen Stromkosten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern dennoch ein kritischer langfristiger Trend?

Absolut! Wenn wir weiterhin eines der führenden Industrieländer bleiben wollen, müssen wir darüber nachdenken, wie wir trotz höherer Stromkosten und anderer wirtschaftlicher Herausforderungen wettbewerbsfähig bleiben. Die Unternehmen müssen Möglichkeiten finden, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein. Die vermeintlich einfache Lösung, die Produktion in Deutschland zu schließen und anderswohin zu verlagern, ist oft mit erheblichen Kosten verbunden. Zudem sind Unternehmen oft an ihre Standorte gebunden und haben dort Fachkräfte, die einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellen. Vielmehr mündet die Lösung immer wieder in mehr Automatisierung und mehr Energieeffizienz.

Fragen sich Unternehmen, wenn sie nachhaltiger werden wollen, immer noch, auf welche Technologien und Lösungen sie setzen sollen?

Zunächst ist erfreulich, dass in unseren Gesprächen mit der Managementebene das Thema Nachhaltigkeit weiter in den Fokus gerückt ist. Vor zwei bis drei Jahren stand die Dekarbonisierung noch nicht so weit oben auf der Agenda. Allerdings nehmen die Möglichkeiten, nachhaltiger zu werden, stetig zu. Diese Vielfalt wirkt für viele Unternehmen eher hemmend als fördernd, weil es für sie schwieriger wird, die zielführendsten und wirksamsten Maßnahmen herauszufiltern.

Darauf hat ABB doch bestimmt gute Antworten…

Ja, natürlich. Unsere Lösungen tragen in vielfacher Hinsicht zur Nachhaltigkeit bei. Wir haben konkrete Ideen und sind immer bereit, mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten, um herauszufinden, welche Ansatzpunkte für sie am besten geeignet sind. Dabei schauen wir nicht nur auf unsere eigenen Produkte, sondern auch über den Tellerrand hinaus. Die Herausforderung besteht darin, nicht nur nach energieeffizienten Antriebstechnologien zu suchen, sondern nach Lösungen, die Energieeinsparungen im Zusammenhang mit anderen Gewerken ermöglichen. Es geht darum, die Diskussion weg von reinen PowerPoint-Präsentationen hin zu konkreten Maßnahmen zu lenken.

Sie schauen also bei der Unterstützung der Kunden auch über das eigene Lösungsportfolio hinaus?

Wir sind der festen Überzeugung, dass es wichtig ist, nicht nur einzelne Komponenten wie effiziente Motoren zu betrachten, sondern auch das Zusammenspiel verschiedener Teilsysteme, beispielsweise zwischen Antriebsstrang und Wärmekreislauf, zu optimieren. Wir bleiben weiterhin stark in unseren Kernbereichen der elektrotechnischen und Automatisierungstechnologien. Wir haben jedoch erkannt, dass es Optimierungspotenzial für unsere Kunden gibt, das wir allein nicht ausschöpfen können. Daher arbeiten wir verstärkt mit Partnern zusammen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Unsere Kunden schätzen unsere Offenheit und unsere Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, um gemeinsam an energieeffizienten Lösungen zu arbeiten.

Wie können sich denn Unternehmen sehr schnell und einfach erstmal selbst einen Überblick verschaffen, auch ohne großes Know-how sofort die Energieeffizienz steigern zu können?

Für eine erste Orientierung haben wir unser „Industrial Energy Efficiency Playbook“ entwickelt. Unternehmen können sich damit einfach und schnell informieren, wie sie anhand von zehn Maßnahmen sofort ihre Energieeffizienz steigern und ihre Energiekosten und Emissionen reduzieren können. Im Mittelpunkt stehen Technologien, die bereits heute verfügbar sind, schnelle Ergebnisse liefern und einen schnellen Return on Investment ermöglichen – und die in großem Maßstab eingesetzt werden können. Diese Maßnahmen führen unmittelbar zu einer Steigerung der Energieeffizienz. Ein Beispiel ist das Energieaudit, bei dem man die Dimensionierung der Anlagen überprüft und Möglichkeiten zur Energieeinsparung identifiziert. Hier helfen wir dann auch bei der Umsetzung. Oder wir empfehlen IE5-Motoren und Frequenzumrichter, die sehr oft der schnellste und einfachste Weg sind, um Energieeinsparungen zu erzielen. Es handelt sich um pragmatische Lösungen, die direkt umgesetzt werden können. Wir sollten also nicht darauf warten, dass grüner Wasserstoff „aus der Leitung“ kommt.

Ist vielen Unternehmen vielleicht auch nicht bekannt, dass Investitionen in mehr Energieeffizienz förderfähig sind?

Das ist richtig. Auch die genaue Vorgehensweise zur Beantragung von Fördermitteln für hocheffiziente Anlagen ist oft nicht klar. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, bis zu 200.000 EUR pro Projekt für die Anschaffung hocheffizienter Antriebe von der BAFA zu erhalten. Daher ist es von großem Nutzen, ein Verständnis für diesen Prozess zu entwickeln und Unternehmen auf ihrem Weg zur Förderung zu unterstützen. Wir stehen als kompetenter Ansprechpartner hierfür jederzeit gerne zur Verfügung.

Nachhaltigkeit beginnt ja schon bei der Produktentwicklung. Welche Maßnahmen setzt ABB hier um?

Bei ABB haben wir uns verpflichtet, bis 2030 einen Großteil unseres Portfolios in eine Kreislaufwirtschaft zu integrieren. Das bedeutet, dass wir nicht nur darauf achten, wie wir gebrauchte Produkte zurücknehmen, sondern auch, wie wir den Materialeinsatz minimieren und recycelte Materialien verwenden können. Wir nutzen für unsere Motoren auch recyceltes und kohlenstoffarmes Kupfer. Beispielsweise wiegt ein 75 kW-Motor etwa 650 Kilogramm, und darin können bis zu 80 Kilogramm Kupfer enthalten sein. Wenn wir hier kohlenstoffarmes Kupfer einsetzen, können wir bis zu 200 Kilogramm CO2-Emissionen pro Motor einsparen. Das trägt erheblich zur Nachhaltigkeit bei. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Produkte repariert und wiederverwendet werden können. Dieses Thema wird zunehmend in unseren Produktentwicklungsprozess integriert, da es Teil unserer strategischen Ausrichtung ist. Es ist ein langfristiger Prozess, der von Anfang an in die Entwicklung einbezogen werden muss, um geschlossene Systeme für nachhaltige Produkte zu schaffen.

Einfache Reparaturfähigkeit und Retrofitting sind also ebenfalls im Fokus?

Das Thema Retrofitting ist bereits seit vielen Jahren ein wichtiger Aspekt in der Antriebstechnik, in dem wir sehr aktiv und erfolgreich sind. Wir bieten lokale Services an, um unseren Kunden schnell und unkompliziert zu helfen. Wir haben beispielsweise in Mannheim eine zentrale Service-Werkstatt, um defekte Geräte rasch zu reparieren und austauschbare Geräte zur Verfügung zu stellen. Es geht nicht nur um das Recycling von veralteten Produkten, sondern auch darum, die Reparaturfähigkeit zu fördern. Unser Ziel ist es einfach, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und vorhandene Ressourcen effizient zu nutzen.

Gibt es von ABB für Kunden auch Austausch- und Recycling-Programme, um den Anreiz für den Invest in moderne Antriebstechnik zu fördern?

Ja, auf der SPS 2023 werden wir ein Recycling-Programm für den deutschen Markt vorstellen. Dieses Programm ermöglicht es Kunden, alte Motoren durch hocheffiziente neue Motoren zu ersetzen und sicherzustellen, dass die alten Motoren ordnungsgemäß recycelt werden. Wir bieten auch Zertifikate für das Recycling an, um sicherzustellen, dass die Materialien nicht auf Mülldeponien landen, sondern wieder in die Wertschöpfungskette zurückgeführt werden. Durch das Recycling von 10 Tonnen Motoren könnten 30 Tonnen CO2, 300 MWh Energie und 91.000 m3 Wasser eingespart werden. Das ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern hat auch erhebliche positive Umweltauswirkungen.

Fordern Kunden bereits auch Nachweise darüber, welche Rohstoffe verwendet werden, woher diese kommen, oder ob es eine Kreislaufwirtschaft gibt?

Ja, immer mehr Kunden fordern Nachweise über eine nachhaltige Produktion. Dies wird nicht nur von Regulierungsbehörden gefordert, sondern auch von den Unternehmen selbst, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie möchten wissen, wie viel CO2 bei der Herstellung ihrer Produkte entsteht und wie nachhaltig die gesamte Lieferkette ist. Dies ist ein aufkommendes Thema, das branchenübergreifend diskutiert wird. Wir beginnen bereits damit, unsere Produkte mit Umwelterklärungen, den sogenannten Environmental Product Declarations oder kurz EPD, auszustatten, die den CO2-Fußabdruck unserer Produkte transparent machen.

Grüner Wasserstoff wird ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung spielen. Wie unterstützt ABB hier die Produktion?

Grüner Wasserstoff ist für ABB ein zukunftsweisendes Thema. Wir sind gut positioniert, um Technologien wie Gleichstromrichter und AC-Technologie für die Elektrolyse von Wasserstoff einzusetzen. Zusätzlich wird auch in einer Wasserstoffanlage viel mit Pumpen und Kompressoren gearbeitet – also ein ideales Umfeld für unsere energieeffiziente Antriebstechnik.

Wasserstoff ist ein gutes Beispiel: Bündeln Unternehmen noch zu wenig die Kräfte, um gemeinsam schneller die Dekarbonisierung voranzutreiben?

Wir sind fest davon überzeugt, dass Unternehmen stärker zusammenarbeiten müssen, um die Nachhaltigkeit schneller voranzutreiben. Es geht nicht nur darum, auf Nachhaltigkeit zu setzen, sondern auch darum, wirklich über den eigenen Horizont hinauszublicken. Wir haben 2021 weltweit die so genannte Energieeffizienz-Initiative ins Leben gerufen, um Unternehmen - einschließlich unserer Wettbewerber - sowie weitere Akteure einzuladen, gemeinsam an Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit über Branchen hinweg ist entscheidend, um dem Klimawandel entgegenzusteuern und innovative Technologien zu entwickeln.

Müssen große Konzerne wie ABB bei Nachhaltigkeitsstrategien auch in Vorleistung gehen, um eine „Sogwirkung“ in der Industrie auszulösen?

Ja, wir sehen ABB hier definitiv in einer Vorreiterrolle! Wir sind seit vielen Jahren im Bereich Nachhaltigkeit tätig und erkennen die Dringlichkeit, unsere Aktivitäten zu beschleunigen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wir haben eine starke Marke und eine hohe Markenbekanntheit und hoffen, dass andere Unternehmen unserem Beispiel folgen werden. Dennoch ist klar, dass wir diese Veränderungen nicht alleine bewirken können. Wir brauchen Partnerschaften und die Unterstützung anderer, um eine nachhaltige Zukunft zu schaffen.

Zusammenfassend: Warum sollten sich Industrieunternehmen an ABB wenden, wenn sie nachhaltiger produzieren und agieren wollen?

Industrieunternehmen sollten sich an ABB wenden, weil Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil unserer Unternehmens-DNA ist. Wir verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung von Technologien, die die Nachhaltigkeit fördern. Wir setzen uns aktiv für Nachhaltigkeitsziele ein und verfolgen messbare Ergebnisse. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden bereits heute Technologien an, die ihnen helfen, nachhaltiger zu produzieren und Energie zu sparen. Unsere Expertise, unser Engagement und unsere Innovationskraft machen uns zu einem idealen Partner für Unternehmen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten.

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