Anstieg in Bayern und Baden-Württemberg am stärksten Rekordwerte: Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt

IWH-Insolvenztrend zeigt: Die Zahl der Firmenpleiten ist im September deutlich gestiegen und das dritte Quartal 2024 erreicht damit Rekordwerte.

Bild: DALL·E / publish-industry
10.10.2024

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland ist im September gestiegen, wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt. Damit war die Zahl der Insolvenzen im dritten Quartal so hoch wie in keinem anderen Quartal seit Mitte 2010.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im September bei 1.303. Das sind 2 Prozent mehr als im Vormonat und 28 Prozent mehr als im September 2023. Der aktuelle Wert liegt 44 Prozent über dem September-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie.

Fast 23.000 Arbeitsplätze betroffen

Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im September in den größten 10 Prozent der insolventen Unternehmen fast 23.000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten mehr als die Hälfte über dem Vormonatswert, 75 Prozent höher als im September 2023 und 350 Prozent über dem Durchschnitt eines typischen Septembers der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019.

Im dritten Quartal 2024 wurde mit 3.991 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften die höchste Zahl an Insolvenzen verzeichnet, die in den letzten 14 Jahren in einem Quartal insgesamt registriert wurde. Zuletzt waren es im zweiten Quartal 2010 mit 4.071 Insolvenzen etwas mehr. Damals wirkte beim Insolvenzgeschehen noch die große Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 nach. Verglichen mit dem dritten Quartal 2023 stieg die Zahl der Insolvenzen um 31 Prozent. Unter den größeren Bundesländern war der Anstieg in Bayern (+56 Prozent) und Baden-Württemberg (+42 Prozent) am stärksten.

Die großen Insolvenzbranchen

Unter den großen Insolvenzbranchen lag der Zuwachs im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen mit +31 Prozent am höchsten. Kleinere Branchen, wie etwa das Grundstücks- und Wohnungswesen (+69 Prozent), verzeichneten sogar noch stärkere Anstiege. Schaut man auf die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze, so betrug der Anstieg gegenüber dem dritten Quartal des Vorjahrs 44 Prozent und war somit stärker als der Anstieg der Anzahl der Insolvenzen. Bei den großen Insolvenzbranchen stieg die Zahl der betroffenen Jobs im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen mit +104 Prozent und im Verarbeitenden Gewerbe mit +58 Prozent am stärksten.

„Das Insolvenzgeschehen befindet sich derzeit auf einem deutlich erhöhten Niveau“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung. Neben der aktuellen Schwächephase der deutschen Wirtschaft spielen dabei Nachholeffekte aus der Corona-Pandemie eine Rolle, so Müller. Damals wurde die Zahl der Insolvenzen durch staatliche Stützungsprogramme künstlich niedriggehalten.

Viele der damals gestützten Unternehmen geraten nun in Schwierigkeiten. Ein prominentes Beispiel im September ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von FTI Touristik. Das Unternehmen war während der Pandemie mit staatlichen Hilfen in Höhe von fast 600 Millionen Euro vorläufig vor der Insolvenz gerettet worden. Basierend auf den IWH-Frühindikatoren rechnet Steffen Müller in den kommenden Monaten mit weiter steigenden Insolvenzzahlen.

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben.

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenzgeschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesellschaften umfassen in der Regel mehr als 90 Prozent der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95 Prozent der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem werden auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbstständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haftende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich unbedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden.

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