Im Kollektiv erfolgreich Schwarmverhalten von Mini-Robotern untersucht

Simulierte Mini-Roboter sortieren sich in der Nähe einer begrenzenden Wand: Solche mit großem Bewegungsradius bleiben an der Wand „kleben“ und üben eine Kraft auf die Wand aus, während sich Roboter mit kleinem Bewegungsradius frei im Inneren bewegen können.

Bild: Frank Siebers
08.05.2023

Die Miniaturisierung schreitet auf allen Gebieten voran und auch die Robotertechnik geht zu immer kleineren Einheiten über. Winzige Roboter könnten perspektivisch im medizinisch-pharmazeutischen Bereich beispielsweise Arzneistoffe an die Körperstellen transportieren, wo sie direkt gebraucht werden. Die Grundlagen für derartige Techniken werden auch in der Physik gelegt. So hat sich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) die Statistische Physik mit einem neuen Ansatz befasst, bei dem ein Kollektiv von Mini-Robotern untersucht und ihr Verhalten analysiert wurde.

Die theoretische Basis für die Studie liefern Erkenntnisse über die Schwarmbildung. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht. Die Ergebnisse weisen einen weiteren Weg auf, wie programmierbare Materie realisiert werden könnte.

Roboter-Kollektiv anstelle von Einzelkämpfern

Um Aufgaben auf Ebene der Mikro- und Nanostrukturen zu erfüllen, sucht die Wissenschaft nach neuen Wegen – zumal die weitere Miniaturisierung von Geräten oder Bauteilen an Grenzen stößt. Ein neues Prinzip wäre es, anstatt nur einen Roboter mit einer Aufgabe zu betrauen, ein ganzes Kollektiv darauf anzusetzen. „Ein einzelner Mini-Roboter hat wegen seiner Größe nur begrenzte Fähigkeiten, um eine Aufgabe zu bearbeiten“, erklärt Prof. Dr. Thomas Speck, in dessen ehemaligem Arbeitsbereich an der JGU die Studie durchgeführt wurde. „Aber ein Kollektiv von Robotern, die zusammenarbeiten, könnte diese Aufgabe vielleicht sehr gut bewältigen.“ An diesem Punkt kommt die Statistische Physik ins Spiel, die mit Modellen das Verhalten von aktiven Teilchen beschreibt – vergleichbar mit dem Verhalten von Vogelschwärmen.

Das Forschungsteam hat dazu das kollektive Verhalten von kleinen, kommerziell erhältlichen Robotern untersucht. Diese „Walker“ werden von Vibrationen angetrieben und bewegen sich dadurch auf zwei Reihen von Beinchen vorwärts. Weil die Länge, Form und Steifigkeit der Beine von Roboter zu Roboter leicht unterschiedlich ist, erfolgt die Bewegung auf kreisförmigen Bahnen mit einem charakteristischen Radius, der für jeden Walker spezifisch ist. Die Roboter, deren Aussehen und Bewegung an kleine Käfer erinnert, haben eine elliptische Form und richten sich bei Kontakt aneinander aus – so ähnlich wie Boxautos bei Kontakt aufeinander reagieren.

„Unser Ziel war es, das kollektive Verhalten zu untersuchen und zu beschreiben und dadurch auch den möglichen Nutzen festzustellen“, sagt Frank Siebers, Erstautor der Studie von der JGU. „Aber als Physiker sind wir zunächst an den Phänomenen an sich interessiert.“ Dem Forschungsteam fielen zwei Effekte auf, die eintreten, wenn sich die Roboter in ihren Beinen leicht unterscheiden, also die Gruppe eine größere Diversität zeigt. Erstens benötigen die Walker weniger Zeit, um den Raum zu erkunden, waren also schneller. Und zweitens sortieren sie sich, wenn sie durch eine Wand eingegrenzt werden: Je nach Bewegungsradius kleben die Mini-Roboter an der Wand oder sammeln sich im Inneren.

Statistische Physik liefert Erkenntnisse über das Verhalten im Kollektiv

„Dieses Verhalten könnte man ausnutzen, beispielsweise wenn die Roboter eine Fracht transportieren sollen und dazu mit der Fracht wechselwirken. Dann würde das Tempo, mit dem sie den Raum erkunden, zunehmen und die Fracht könnte in der Folge schneller geliefert werden“, beschreibt Thomas Speck eine mögliche Anwendung. „Die Statistische Physik kann uns hier also neue Einsichten vermitteln, welche Effekte ein Kollektiv von Robotern ausnutzen kann.“

Das Teilgebiet, das sich mit der sogenannten aktiven Materie befasst, betrifft viele Bereiche der belebten und unbelebten Welt, in denen kollektives Verhalten oder kollektive Bewegungen erfolgen, zum Beispiel auch das Verhalten von Vogelschwärmen. „Das theoretische Verständnis, wie die Schwarmbildung funktioniert, wenden wir hier auf robotische Systeme an“, beschreibt Frank Siebers die Arbeiten.

Die Forschungen erfolgten im Rahmen des SFB/Transregio 146 „Multiskalen-Simulationsmethoden für Systeme der weichen Materie“, eine Kooperation der JGU mit der TU Darmstadt und dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Die nun vorgelegte Studie stützt sich einerseits auf Experimente, andererseits wurden Modellierungen auf dem Hochleistungsrechner MOGON II der JGU durchgeführt. Der Studienleiter Thomas Speck war von 2013 bis 2022 Professor am Institut für Physik der JGU und leitet nun das Institut für Theoretische Physik IV an der Universität Stuttgart.

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