74.000 Fans im Stadion von New Orleans und weltweit rund eine Milliarde Zuschauer vor den Fernsehern waren schockiert, als am 3. Februar 2013 beim größten Sportereignis der USA schlagartig Lichter ausfielen und der Sender CBS nur noch rudimentär übertrug. Was als „Super Bowl Blackout“ in die Geschichte einging, ist die Maximalstrafe für Veranstalter solcher Ereignisse. Der über eine halbe Stunde dauernde Lichtausfall unterbrach das packende Spiel vor den Augen der Weltöffentlichkeit und liefert Stoff für Diskussionen über die Professionalität von Organisation und Technik bis hin zu Verschwörungstheorien: „Bei einem ‚Zillion-Dollar‘-Unternehmen gehen einfach so die Lichter aus?“, fragte etwa Ray Lewis von den Baltimore Ravens ungläubig, die nach dem Wiederanpfiff fast ihre gesamte 28:6-Führung verspielten. „No. No way.“
Kaum weniger wichtig ist die Stromversorgung in der öffentlichen Infrastruktur, auch wenn ein Blackout dort meist nicht live in die ganze Welt übertragen wird: Lebensbedrohlich könnte es aber schnell in Krankenhäusern werden oder an Flughäfen und in Einkaufszentren, wo ein Stromausfall zumindest leicht Panik bewirkt. Gerade in U-Bahn-Stationen unter der Erde, wo es ohne Strom stockfinster wäre, lauern riesige Gefahrenpotenziale. „Das Zielgebiet für ‚Totally Integrated Power‘ sind also immer kritische Energieanwendungen“, sagt Ralf Christian, CEO der Division Low and Medium Voltage im Sektor Infrastructure & Cities von Siemens. Bei ihnen zeigt sich, wie abhängig wir heute von einer sicheren Stromversorgung sind. Wenn ein Blackout über mehrere Stunden geht, können die Auswirkungen dramatisch werden, weil auch Batteriepuffer schlappmachen und Notstromversorgungen der Kraftstoff ausgeht.
Mehr Qualität und Zuverlässigkeit
Auch in Industrie- und Zweckgebäuden ermögliche es Totally Integrated Power, eine sichere Stromversorgung mit deutlich höherer Qualität und Zuverlässigkeit zu erreichen, als es beispielsweise in Privatwohnungen schon aus Kostengründen der Fall sein wird. „Denn nur da lohnt es sich im Vergleich zum einfachen Wohnbau dann auch für die Kunden, mit Automatisierungstechniken die Sicherheit und Monitoring-Fähigkeit der Anlage zu gewährleisten.“
Unter der Abkürzung TIP macht Siemens seine Produkte und Systeme für eine durchgängige Energieverteilung in diesem Jahr zunächst auf Messen wie der Light+Building Ende März in Frankfurt oder Anfang April auf der Hannover Messe bekannt. Wer glaubt, das Drei-Buchstaben-Kürzel schon mal gehört zu haben, verwechselt es eventuell mit einem anderen Schlagwort des Münchner Konzerns: Totally Integrated Automation, kurz TIA. Auf die Frage, wo da die Trennlinien verlaufen, differenziert Christian: Das komme darauf an, wie der Kunde seine Anlage auslegen will, wie viel Funktionen und Kommunikation auf Feldebene (wo TIA zuhause ist) oder in der Leittechnik (die Domäne von TIP) angesiedelt ist. Aber eigentlich will der Siemens-Mann da nicht über Abgrenzungen reden. „Für uns ist wichtig, dass diese Dinge als Gesamtplattform entwickelt werden“, betont er. „Im Vordergrund steht ein ‚Plug and Play‘ über die gesamte Kette, also die Gemeinsamkeit von TIA und TIP. Wichtig ist die Durchgängigkeit von der Planung bis hin zur Realisierung.“
Lag der Schwerpunkt von TIP noch vor einem Jahr auf den Planungstools, kommen inzwischen immer mehr Geräte zur Angebotspalette hinzu, die ihrerseits auch immer mehr „Intelligenz“ mitbringen, also beispielsweise über reine Schalt-, Schutz oder Messfunktionen der Standardgeräte hinausgehen. Damit sind innovative Anwendungen möglich wie zum Beispiel beim Brandschutz. „Ein Drittel aller Brände in Deutschland entstehen letztlich durch elektrische Fehler“, gibt der Siemens-Manager zu bedenken. „Wir haben jetzt eine Technik entwickelt, mit der wir bereits kleine Lichtbögen detektieren. So ein Arc-Fault Detection Device in der Größe eines Leitungsschutzschalters kann normale Störungen, wie sie beim Drehen eines Reglers oder beim Betrieb einer Maschine entstehen, von einem Fehlerzustand in der Installation unterscheiden.“
Maßgeschneiderte Komplettsysteme
TIP verspricht ein durchgängiges Portfolio, was nicht nur bedeutet, dass alle Produkte von einem Hersteller kommen, sondern dass diese in puncto Sicherheit, Störsicherheit oder Ausfallsicherheit aufeinander abgestimmt sind. Diese maßgeschneiderte Stromverteiltechnik ist auch als Komplettsystem zu haben. Solche „E-House-Systeme“ kommen immer dann zum Einsatz, wo schwierige Umgebungsbedingungen herrschen und damit der Wunsch hoch ist nach vorgefertigten Lösungen, die am Einsatzort schnell aufgestellt werden können, beispielsweise bei der Öl- oder Gasförderung oder unter arktischen Witterungsbedingungen. „Durch den Einsatz von gasisolierten Schaltanlagen, die viel kompakter als luftisolierte sind, und sehr kompakter Niederspannungsanlagen lassen sich da für solche Anwendungen sehr raumsparende Lösungen auch in Containern realisieren“, beschreibt Christian die Fortschritte auf diesem Gebiet. Doch längst nicht mehr immer sind es abgelegene und unwirtliche Einsatzorte: Rechenzentren zum Beispiel greifen heute zunehmend auf modulare Stromversorgungsanlagen zurück.
Und egal ob Container oder anlagenweite Stromversorgung: Gute Planung für alle Eventualitäten ist der Schlüssel, denn vor dem Ausfall einzelner Komponenten ist man vermutlich nie ganz gefeit. Das Gerät, das den Stromausfall beim Super-Bowl-Finale 2013 verursachte, war übrigens ein kaputter Schalter, der eigentlich die Stabilität des Netzes erhalten sollte. Immerhin: Strom und Licht waren nicht völlig weg. Und die Baltimore Ravens kamen noch einmal davon: Nach dem „Blackout“ gewannen sie trotz der furiosen 17-Punkte-Aufholjagd der San Francisco 49ers mit 34:31.