Verwaltung großer Stromnetze vereinfachen Neuer Weg zur Netzstabilität: Multilineare Modelle statt komplexer Simulationen

Das neues Forschungsprojekt TenSyGrid sorgt mit intelligente Modelle für stabile Stromnetze.

Bild: iStock, Floriana
14.02.2025

Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien wachsen die Herausforderungen an das Stromnetz. Um die Netzstabilität in einer zunehmend dezentralen und leistungselektronisch geprägten Energieversorgung zu gewährleisten, entwickelt das Forschungsprojekt TenSyGrid eine neue Toolbox zur direkten Stabilitätsbewertung. Multilineare Modelle sollen helfen, komplexe Simulationen zu vereinfachen und die Integration erneuerbarer Energien effizienter zu gestalten.

Die Anforderungen an das elektrische Versorgungsnetz in Europa wandeln sich tiefgreifend: Immer mehr dezentrale Einspeisepunkte und die fluktuierende Einspeisung durch Erneuerbare Energien machen die Interaktionen von Stromnetzkomponenten komplexer. Daher entwickeln im Projekt TenSyGrid das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES, die Universitat Polytècnica de Catalunya – BarcelonaTech (UPC), eRoots Analytics, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und die University of Malta (UM) eine Toolbox für die direkte Stabilitätsbewertung mithilfe multilinearer Modelle von Stromnetzkomponenten.

Dadurch sollen Netzbetreiber bei der Verwaltung großer Stromnetze, die vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden, unterstützt werden. Die Toolbox soll mit vorhandenen kommerziellen Softwarepaketen kompatibel sein. Das Projekt startete im Dezember 2024 und wird im Rahmen der EU-Initiative Clean Energy Transition Partnership (CETP) vom BMWK Deutschland, MICIU, AEI, CDTI Spanien und XJENZA Malta gefördert.

Für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen

Der höhere Stromanteil erneuerbarer Energien in den Verteil- und Übertragungsnetzstrukturen lässt die Anforderungen an die Netzintegration steigen. Traditionelle Herangehensweisen, die vereinfachte Stromnetzsimulationen ermöglichen, können das schnelle Übergangsverhalten von massiv eingesetzter Leistungselektronik der regenerativen Quellen nicht abbilden. Infolgedessen bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Energiesystemdynamik von wandlerdominierten Netzwerken mit geringer Trägheit. Es werden konservative Grenzwerte als Vorsichtsmaßnahme festgelegt, um einen stabilen Betrieb zu gewährleisten. Dies schränkt den Ausbau erneuerbarer Energiequellen ein.

Derzeit können nur Simulationen alle Szenarien berücksichtigen. Die hierfür verwendeten Elektromagnetische-Transientenmodell (EMT)-Simulationen sind jedoch rechenintensiv, da jeweils mehrere hundert Szenarien berücksichtigt werden müssen. Somit sind EMT-Simulationen von groß angelegten Netzwerken derzeit nicht praktikabel.

Im Verbundforschungsprojekt TenSyGrid (Tensors for System Analysis of Converter-dominated Power Grids) sollen diese EMT-Simulation mittels multilinearer Modelle unterstützt werden. Die Universitat Politècnica de Catalunya – BarcelonaTech (UPC), eRoots Analytics, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), die University of Malta und das Fraunhofer IWES als Koordinator des Projektes bündeln dafür ihre Kompetenzen. Beim Projekt-Kick-off im Dezember 2024 sprachen die Partner über ihre Perspektiven und Ziele für das Projekt.

Dr. Carlos Cateriano Yáñez, Projektkoordinator am Fraunhofer IWES, erläutert: „Im Projekt wird sichergestellt, dass der Modellierungsrahmen für sehr große Stromversorgungssysteme skalierbar und leicht aktualisierbar ist, um laufende Änderungen im Netz widerzuspiegeln. Schließlich zielt TenSyGrid darauf ab, Tools zu entwickeln, die sich nahtlos in bestehende kommerzielle Software integrieren lassen.“ Dadurch werden die neuen Methoden für Betreiber zugänglich, ohne dass wesentliche Änderungen an den aktuellen Systemen erforderlich sind.

Weiterentwicklung mit fortschrittlichen Tools

Prof. Eduardo Prieto-Araujo, Projektkoordinator an der UPC, erklärt: „Die Stromversorgungssysteme der Zukunft werden sich grundlegend von den traditionellen Netzen der vergangenen Jahrzehnte unterscheiden. Die massive Integration von leistungselektronikbasierter erneuerbarer Erzeugung, Speicherung und Lasten verändert die modernen Stromversorgungssysteme grundlegend. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, benötigen wir fortschrittliche Tools, mit denen sich diese Netze zuverlässig und effizient modellieren und analysieren lassen. Multilineare Systeme stellen eine interessante Alternative dar, um die Eigenschaften moderner Stromversorgungssysteme genau zu erfassen, und bieten innovative Methoden zur Unterstützung des Echtzeitbetriebs von Stromnetzen.“

M.Sc. Josep Fanals i Batllori, CEO und Projektleiter bei eRoots, hebt die Möglichkeiten hervor, die sich aus multilinearen Modellen ergeben können: „Während Studien zur Stabilität von Stromversorgungssystemen traditionell durch rechenintensive dynamische Simulationen gekennzeichnet waren, haben multilineare Modelle in Verbindung mit innovativen analytischen Algorithmen das Potenzial, die Durchführung solcher Studien neu zu definieren. Stromnetze können somit zu einem fruchtbaren Boden für die Anwendung der grundlegenden mathematischen Konzepte werden, auf denen TenSyGrid basiert, da die ihnen zugrunde liegenden nichtlinearen Gleichungen einem multilinearen Format ähneln.“ TenSyGrid birgt nicht nur spannende Herausforderungen, sondern auch das Potenzial, ein transformatives Werkzeug für die Branche zu schaffen.

An der HAW freut sich Prof. Gerwald Lichtenberg auf das Projekt: „Nach fast zehn nationalen Projekten, in denen der Ansatz der multilinearen Modellierung entwickelt, erweitert und erfolgreich auf verschiedene Probleme wie Reglerentwurf, Anomalieerkennung oder Fehlerdiagnose, insbesondere im Bereich der Energiesysteme, angewendet wurde, bietet TenSyGrid nicht nur die Möglichkeit, diese Methoden in Europa bekannt zu machen und zu verbreiten, sondern auch, sie für die besonderen Anforderungen von Stromnetzen zu schärfen.“

Modellierungswerkzeuge erleichtern den Betrieb von Stromnetzen

Prof. John Licari, Projektkoordinator an der UM, betont: „Die Integration erneuerbarer Energiesysteme in Stromnetze stellt für Netzbetreiber eine große Herausforderung dar. Die intermittierende Natur erneuerbarer Energiequellen und die Einführung von Leistungselektronik-Wandlern erfordern fortschrittliche Lösungen, um eine zuverlässige Netzfunktion zu gewährleisten. Alternative innovative, schnelle und genaue Modellierungswerkzeuge erleichtern den Betrieb von Stromnetzen, indem sie potenzielle Probleme erkennen, bevor sie sich ausweiten. Diese transformative Technologie wird es den Betreibern ermöglichen, die Komplexität der Integration erneuerbarer Energien zu bewältigen, die Widerstandsfähigkeit des Netzes zu verbessern und den Weg für eine nachhaltige Energiezukunft zu ebnen.“

Im Vergleich zur klassischen EMT-Simulation wird im Projekt TenSyGrid ein komplett neuer Ansatz gewählt: Das Stromnetz wird als multilineares Modell mittels Tensoren abgebildet. Diese Modelle können die relevanten Phänomene von Umrichter-dominierten Stromnetzen abbilden, sind dabei aber deutlich weniger rechenintensiv als klassische Modelle. Gleichzeitig haben sie eine hohe Interpretierbarkeit. Durch die Verwendung dieses innovativen multilinearen Modellierungsrahmens zielt TenSyGrid darauf ab, die Echtzeit-Stabilitätsbewertungen von Stromnetzen in einem Ausmaß zu ermöglichen, das zuvor nicht praktikabel war.

Bildergalerie

  • Das Projekt-Konsortium beim Kick-off-Meeting im Dezember 2024 in Hamburg.

    Das Projekt-Konsortium beim Kick-off-Meeting im Dezember 2024 in Hamburg.

    Bild: Fraunhofer IWES

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