Mag sein, dass die elektromagnetische Verträglichkeit infolge der erfolgreichen Gegenmaßnahmen etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Sie stellt indessen nach wie vor den Entwickler bei allen elektronischen Geräten vor ständig neue, nicht selten schwer fassbare Probleme. Je eher er sich im Design-Prozess damit auseinandersetzt, desto niedriger sind die entstehenden Kosten. Allerdings können Messungen und Tests, die eine klare Auskunft geben, meist erst kurz vor oder nach Abschluss des Projekts durchgeführt werden.
Andere nicht stören
Elektromagnetische Verträglichkeit ist die Fähigkeit eines Apparates, einer Anlage oder eines Systems, in der elektromagnetischen Umwelt zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für die in dieser Umwelt vorhandenen Apparate, Anlagen oder Systeme unannehmbar wären. Kurzum: Die Produkte müssen Störaussendungsgrenzwerte einhalten und gleichzeitig störfest sein. Folglich unterscheidet man zwischen der Aussendung von Störstrahlen und der Empfindlichkeit diesen gegenüber, der so genannten Störfestigkeit. Dabei versteht man unter ersterer die (unerwünschte) Eigenschaft eines Geräts, als elektromagnetische Störquelle über die Leitung oder per Funk andere Geräte zu stören. In der Praxis ist heute bei den meisten Geräten eine Funkentstörung erforderlich. Die Störfestigkeit hingegen beschreibt den Grad der Fähigkeit eines Systems, ohne Fehlfunktion oder Funktionsausfall und unbeeinflusst von einer gezielt und definiert auf den Prüfling einwirkenden Störgröße weiter zu arbeiten. Die Höhe der Störgröße während einer EMV-Messung wird dabei in der Regel größer gewählt als eine in der Praxis vorkommende Betriebssituation des Systems dies erreichen könnte.
Schwer zu fassen
Die EMV ist nicht unmittelbar messbar. Zum Nachweis muss das beim Einsatz des Messobjekts herrschende elektromagnetische Umfeld so gut wie möglich nachgebildet werden. Die EMV-Messtechnik umfasst neben Stör- emissions- und Störfestigkeitsmessung auch die Messung von Entstörmitteln, beispielsweise Abschirmungen. Zum Einsatz kommen die unterschiedlichsten Messgeräte wie Magnetometer, Strahlungsmesser, EM-Feldsonden, Störmessempfänger, Spektrum- und Netzwerkanalysatoren sowie Oszilloskope. Die notwendige Erfassung von großen und kleinen Werten in einem großen Frequenzbereich stellt hohe Anforderungen an diese Geräte. Zur Messung von elektromagnetischen Einflussgrößen (Störspannungen, Störströme oder Störleistungen) finden Sensoren und Messumformer Verwendung. Auch mithilfe von Prüfsonden lassen sich räumlich begrenzte elektrische oder magnetische Wechselfelder lokalisieren, also elektromagnetische Störquellen entdecken. Sie arbeiten nach dem Prinzip der Ladungsverschiebung in einer Kapazität in Abhängigkeit von der Feldstärke. Kleine Spulen oder Stromwandler wandeln das örtliche magnetische Wechselfeld in eine Wechselspannung um. Diese Sonden werden an Messgeräte angeschlossen, die den Messwert verstärken und anzeigen.
Spezialantennen erforderlich
Darüber hinaus sind Spezialantennen für Hochfrequenz-Anwendungen, vor allem für strahlungsgekoppelte EMV-Prüfungen erforderlich. Ihre Gestaltung - Rahmen-, Stab-, logarithmisch-periodische, Horn- und anwendungsspezifische Antennen - richtet sich nach Bandbreite, Sensitivität und Leistung; sie können überwiegend sowohl für Immunitäts- als auch für Emissionsmessungen im Mobilfunk-, Mikrowellen-, Baubiologiebereich sowie in anderen Bereichen eingesetzt werden. Innerhalb der EU bestimmen die Anforderungen der EMV-Richtlinie 2004/108/EG, umgesetzt durch das EMV-Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln, die zulässigen Grenzwerte in Abhängigkeit von Frequenzbereichen, Gerätekategorien, Einsatzgebieten (beispielsweise Luftfahrt) und Umgebungen. Aktuelle Trends verschärfen die EMV-Problematik zusätzlich: die anhaltende Miniaturisierung, die ständig zunehmende drahtlose Kommunikation sowie die unablässige Digitalisierung bei immer höheren Taktraten.
6.000-mal schneller
Dass die Technik bei den EMV-Messgeräten nicht stillsteht, bewies Rohde & Schwarz auf der Electronica 2012: Der Messtechnik-Spezialist präsentierte dort mit seinem Modell ESR den vermutlich schnellsten EMV-Messempfänger, mit dem sich Prüfzeiten reduzieren und Störemissionen noch sicherer aufdecken lassen sollen. Letztere misst er nach Herstellerangaben dank Breitband-Architektur normenkonform bis zu 6.000-mal (!) schneller als andere Lösungen. Umfangreiche Diagnosewerkzeuge wie Spektrogrammdarstellung, Echzeit-Spektrumanalyse oder ZF-Analyse unterstützen Entwickler beim Identifizieren und Beseitigen von Störausstrahlungen. Ein Touchscreen soll die Bedienung vereinfachen. Das Anwendungsspektrum ist so vielseitig wie die Diagnosemöglichkeiten: Ob an Modulen und Baugruppen oder direkt an Haushaltsgeräten, IT-Geräten oder Rundfunk- und Fernsehgeräten, mit dem ESR lassen sich leitungsgebundene oder gestrahlte Abnahmemessungen gemäß EN/CISPR/FCC leicht durchführen. Genauso eignet sich das Gerät im Automobilbereich für Abnahmemessungen an Fahrzeugen und Zubehörteilen gemäß den Richtlinien der Automobilhersteller, dank Betrieb mit Gleichspannung auch im mobilen Einsatz.
Time-Domain-Scan
Die hohe Geschwindigkeit erreicht das Gerät mit seinem Time-Domain-Scan, einer FFT-basierten Empfängertechnologie. Normenkonforme EMV-Messungen, die bisher Stunden benötigt haben, können nun in Sekundenschnelle durchgeführt werden. Das erspart Anwendern wertvolle Zeit auf dem Weg zum gewünschten Ergebnis. Darüber hinaus ist diese Messmethode von großem Vorteil, wenn Prüflinge wie beispielsweise in der Automobil- und Leuchtmittelindustrie nicht lange für einen Test betrieben werden können. Die Anwender erhalten völlig neue Analysemöglichkeiten. Die Spektrogramm-Funktion stellt das analysierte Spektrum lückenlos über die Zeitachse dar und zeichnet bis zu fünf Stunden auf. So erfassen Entwickler auch sporadisch auftretende Störsignale. Der Frequenzmaskentrigger reagiert auf einzelne Ereignisse innerhalb eines Störspektrums. Wird die Maske verletzt, löst das ein Triggerereignis aus. Die Messung wird angehalten, und Anwender können Ursache und Wirkung des Störers gezielt untersuchen. Der Nachleuchtmodus ermöglicht es, klar zwischen Puls- und Dauerstörern zu unterscheiden. Er stellt die Wahrscheinlichkeit auftretender Frequenzen und Amplituden in verschiedenen Farben dar. Auf diese Weise lassen sich auch Störer erkennen, die von einem breitbandigen Signal überlagert werden.