Wenn das Maschinenhaus einer Windenergieanlage (WEA) über den Azimut der Windrichtung nachgeführt wird, sorgen in der Regel drei Haltefunktionen dafür, dass sich die Gondel nicht wieder aus dem Wind drehen kann: Sogenannte Reibebremsen bilden ein Gegenhaltemoment, die Motoren des Yaw-Systems verfügen über selbsthemmende Schneckengetriebe, die ebenfalls ein Abdriften der Gondel aus dem Wind verhindern, und darüber hinaus stellen elektromagnetische Bremsen auf den Elektromotoren eine Arretierung der Gondel zur Windrichtung sicher. Fällt nur einer der vier Stellantriebe im Yaw-System aus, müssen die restlichen Antriebe dies kompensieren und in Überlast arbeiten. Eine Kettenreaktion, wie das Versagen weiterer Komponenten ist die Folge, ebenso wie kostspielige Reparaturen.
Extreme Belastungen
Wie groß in diesem Zusammenhang die Gefahren von Schäden am Yaw-System sein können, zeigt ein Beispiel aus Spanien: Die 2-MW-Anlagen eines Windparks mit 27 WEA vom Typ Vestas V90 stehen in einem gebirgigen Gelände rund fünf Kilometer landeinwärts und sind aufgrund dieses Standortes sehr hohen Belastungen durch starke Böen und Scherwinde ausgesetzt. Diese Windlasten bleiben nicht ohne Wirkung auf die Yaw-Systeme der WEA: Zum Teil massive Schäden finden sich an allen Anlagen des Windparks, darunter gebrochene Wellen, durchgebrannte Motoren und nicht mehr funktionsfähige Reibebremsen. Ohne den konkreten Grund für den Ausfall der Reibebremsen in dem Windpark zu kennen, kann eine mögliche Ursache für das Versagen solcher Bremsen in deren Überbelastung liegen. Die komplette Windbelastung wirkt in diesem Fall auf die verbleibenden Motoren und deren Getriebe. Auch Unwuchten im Rotor durch nicht optimal über den Pitch eingestellte Blattwinkel können die Belastungen auf ein Yaw-System erhöhen und werden mitunter durch ein unzureichend kalibriertes Rotorgewicht selbst begünstigt.
Jüngste Beobachtungen im laufenden Betrieb einer WEA vom Typ Vestas V80 haben zudem gezeigt, dass sich bei 2-MW-Anlagen mit niedrigeren Turmhöhen - in diesem Fall 60 Meter - das Maschinenhaus trotz angezogener Reibebremsen und damit Arretierung zur Windrichtung, bewegt. Die Anlage steht in einem Windpark bei Bremen in der Nähe eines Waldes. Auch hier könnten der Standort sowie die anderen Anlagen im Windpark für Verwirbelungen und Böen sorgen, die die genannten Drehbewegungen verursachen. Diese Bewegungen üben erhebliche Kräfte über die Getriebe in den Stellantrieben auf die Haltebremsen aus - eine naheliegende Ursache für die gebrochenen Getriebewellen im Yaw-System dieser Anlage.
Gefahr durch unerkannte Schäden
Noch bevor Komponenten ausfallen und zu ernsthafteren Schäden führen, können sich Probleme im Yaw-System einer WEA ankündigen. In einem konkreten Fall wurde auf einer WEA pro Stellantrieb eine Nennleistung von 2,2 kW und ein Nennstrom von 3,0 Ampere gemessen. Der eigentliche Laststrom betrug aber lediglich 1,5 Ampere. Würden in dieser Anlage nur zwei der insgesamt vier Stellantriebe des Yaw-Systems ausfallen, müssten die restlichen Motoren bereits ihre maximale Nennleistung erbringen, um die Leistung der defekten Antriebe zu kompensieren. Bleiben solche Defekte an Stellgetrieben jedoch unbemerkt und drehen die Motoren und Zahnräder bei regelmäßigen Inspektionen weiter, kann die Situation bedrohlich werden. Ist ein Stellantrieb eines Yaw-Systems defekt, müssen die funktionsfähigen Antriebe dessen Aufgabe übernehmen. Das Getriebe als schwächstes Glied eines Antriebssystems kann solchen Belastungen auf Dauer nicht standhalten. Ausfälle an der gesamten Windnachführung, WEA-Stillstände, Ertragseinbußen und hohe Reparaturkosten sind dann oft unvermeidbar.
Diese Gefahren lassen sich mit dem Upgrade „Yaw-Überwachung“ von Availon in den Griff bekommen. Das beim Europäischen Patentamt angemeldete Upgrade soll künftig insbesondere bei Vestas-Anlagen (V80 und V90) Ausfälle an den Stellgetrieben des Yaw-Systems aufdecken. Die Funktion der Yaw-Antriebe wird dabei durch eine Überwachung der Stromaufnahme der Antriebsmotoren kontrolliert. Für jeden Stellantrieb wird ein kompakter Stromwandler installiert und je eine Stromphase des Motors von der Aderklemme über den Wandler durchgeschleift. Dieser funktioniert im Prinzip wie eine Stromzange, so bleibt die eigentliche Schaltungstechnik unberührt. Das bei fließendem Strom erzeugte magnetische Feld wird vom Stromwandler aufgenommen und für die Messungen genutzt. Der Laststrom des jeweiligen Stellantriebs wird mit seinem Leerlaufstrom verglichen. Abweichungen vom Normalbetrieb lassen sich sofort erkennen. Ein GSM-Modul übermittelt dann eine Fehlermeldung an die Anlagensteuerung, den Betreiber der Anlage und die Fernüberwachung.
Kostspieliges Versäumnis
Welche Kosten WEA-Betreiber ohne das Upgrade schlimmstenfalls tragen müssten, zeigt folgende Rechnung: Fällt eine Anlage aufgrund nicht rechtzeitig erkannter Probleme bei den Yaw-Antrieben aus, können sich die Kosten für eine Reparatur schnell auf über 22.000 Euro summieren. Der Ertragsverlust durch einen ungeplanten Anlagenstillstand schlägt in guten Windzeiten zusätzlich mit etwa 6000 Euro zu Buche. Ergo würden sich die Gesamtkosten auf 28.000 Euro belaufen. Die einmaligen Installationskosten der Yaw-Überwachung betragen im Vergleich hierzu nur einen Bruchteil dieser Summe. Bei einem Ausfall eines Stellantriebs lassen sich aufgrund des Upgrades hohe Folgekosten vermeiden, da durch eine Früherkennung schnell reagiert werden kann und unter Umständen nur eine beschädigte Komponente ausgetauscht werden muss. In diesem Fall sind Reparaturkosten von rund 6500 Euro realistisch. Potenzielle Ertragsverluste fallen im Gegensatz zur Beispielrechnung ohne Upgrade fast nicht ins Gewicht.
Große Wirkung - wenig Zeitaufwand
Rund zwei Stunden dauert die Installation des Upgrades. Danach ist das Versagen eines Getriebes rechtzeitig erkennbar, und ermöglicht gezielte Maßnahmen wie die Planung und Durchführung einer Reparatur. Zudem lässt sich binnen kürzester Zeit ein Notfallprogramm über die Anlagensteuerung einleiten, wie etwa eine Reduzierung der Nachführungsvorgänge, um die Yaw-Antriebe bis zur Schadensbehebung zu schonen.