Wie überleben Unternehmen den schnellen Wandel? Warum Führungswechsel allein keine Lösung ist

Aaron Brück und Philip Boros, Geschäftsführer bei Seals, sind Experten darin, Abläufe innerhalb eines Unternehmens entscheidend zu verbessern.

Bild: Seals Group
10.06.2024

Nicht einmal zwei Jahre im Amt, und schon legt Andreas Schell seinen Posten als Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns EnBW nieder, ein Rücktritt mit Signalwirkung für die ganze Energiebranche. Denn diese Entscheidung zeigt, dass es noch eine große Kluft zwischen dem Transformationsdruck auf Versorger durch den sich wandelnden Energiemarkt und den Transformationswillen bei Energieversorgern gibt.

Der Wechsel an der Spitze von EnBW verdeutlicht hierbei das aktuelle Kernproblem der Energiebranche sehr deutlich: Die hohe Marktdynamik und der intensive Marktdruck lassen Unternehmen kaum Zeit, langfristige Strategien zu erarbeiten und umzusetzen. Wenn ein Vorstand zwei Jahre lang versucht, eine neue Strategie umzusetzen und dann scheitert, sind nicht einfach nur diese zwei Jahre verloren, sondern zwei wertvolle Jahre, die das Unternehmen dringend benötigt, um in dem sich schnell wandelnden Marktumfeld zu überleben. Warum Führungswechsel allein keine Lösung sind, wird nachfolgend erläutert.

Innovation braucht Zeit und Vertrauen

Mit der Ernennung von Andreas Schell zum Vorstandsvorsitzenden holte sich der Konzern EnBW wissentlich einen Macher ins Unternehmen. Es war abzusehen und demnach auch gewollt, dass mit dieser Personalbesetzung Veränderungen einhergehen würden. So plante Schell, EnBW zur Klimaneutralität zu führen und verkündete als dafür nötigen Schritt den Kohleausstieg. Sein Wunsch nach Veränderung, der Grund, warum er überhaupt ins Amt berufen wurde, wird ihm nun zum Verhängnis. Mit einem Führungswechsel lässt sich Innovation allerdings nicht aufhalten. Stattdessen ist davon auszugehen, dass ein neuer Vorstandsvorsitzender andere Ziele verfolgen wird, die er ebenso motiviert angehen wird. Und das Unternehmen fängt strategisch wieder von vorne an.

Damit neue Wege erfolgreich eingeschlagen werden können, ist es notwendig, dass der Richtungswechsel zur Führungsangelegenheit gemacht wird. Es ist Aufgabe der Chefetage, allen Beteiligten, vom Gesellschafter bis zum Endkunden, die Vorteile der Innovationsmaßnahmen immer wieder vor Augen zu führen und Zusammenhalt zu demonstrieren. Nur so lassen sich Veränderungen langfristig durchsetzen.

Innovation muss besprochen werden

Doch nicht nur nach außen hin müssen geplante Veränderungen kommuniziert werden, auch intern sollte stets klar sein, warum die gemachten Schritte notwendig sind. Ein Wechsel in der Führungsebene ist deshalb nur dann erfolgreich, wenn mit der neu besetzten Position auch eine veränderte Kommunikationskultur einhergeht. Solange die Hintergründe des Strategiewechsels jedoch einem eingeweihten Kreis und insbesondere den Mitarbeitern, die diese Strategie in die Tat umsetzen, vorbehalten bleiben, kann das Vorhaben langfristig nicht gelingen.

Innovation kann nicht von einer Führungskraft allein vorangetrieben werden

Die Energiebranche befindet sich mitten im Umbruch. Dieser ist notwendig, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Doch klar ist auch, dass eine Führungskraft alleine nicht in der Lage ist, einen ganzen Konzern neu auszurichten und zu erwarten, dass eine einzige Person den nötigen Umbruch automatisch in die Wege leiten wird. Vielmehr müssen die einzelnen Abteilungen und Fachbereiche eines Unternehmens neu strukturiert und an die zukünftige Strategie des Unternehmens angepasst werden. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auf den Aufbau eines leistungsfähigen Vertriebsteams zu legen, denn Energieversorger müssen sich heutzutage noch mehr als früher als Vertriebsunternehmen verstehen und Kunden zukünftig intensiver beraten sowie die neuen Produkte des Marktes an ihre Kunden bringen.

Zukunftsfähiger Vertrieb gelingt jedoch nur durch entsprechende Anreize. Mit der Deckelung von Provisionen oder Erfolgsvergütung, wie es vor allem in kommunalen Unternehmen gang und gäbe ist, um es allen recht zu machen, erreicht man hingegen das Gegenteil. Gleichzeitig sollten die verschiedenen Abteilungen eines Energieversorgungsunternehmens motiviert werden, besser zusammenzuarbeiten. Hier findet häufig ein Wettbewerb unter den verschiedenen Fachbereichen statt, der letztlich jedoch auf Kosten des Unternehmens geht.

Innovation braucht Struktur

Energieversorgungsunternehmen, die sich neu ausrichten möchten, verlieren sich häufig in den Details und fokussieren ausschließlich die Überarbeitung ihrer eigenen Strukturen. Sie stecken viele Gedanken und noch viel mehr Zeit in Workshops und in die Prozessoptimierung, verlieren dabei jedoch die Kundenbedürfnisse aus den Augen. Im schlechtesten Fall werden die innerbetrieblichen Abläufe bis zur Perfektion überarbeitet, während der Kunde genervt nach einem Ansprechpartner sucht, bei dem er seinen Vertrag unterschreiben kann. Alle Umstrukturierungsmaßnahmen müssen deshalb immer aus Sicht des Kunden getroffen werden.

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