Für Stefan Dohler ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ein zwingend notwendiger Schritt hin zu einem nachhaltigen und klimaschonenden Energiesystem. Dabei kommt laut dem EWE-Chef der Speicherung eine besondere Bedeutung zu, da „diese unerlässlich ist, um Wasserstoff als Energieträger bedarfsgerecht zur Verfügung stellen zu können“. Das Oldenburger Energieunternehmen macht hier Nägel mit Köpfen. Im brandenburgischen Rüdersdorf bei Berlin baut man in rund 1.000 Metern Tiefe einen Kavernenspeicher im Salzgestein, um dort erstmalig 100 Prozent Wasserstoff einzuspeichern. Der in unterirdischem Salzgestein angelegte Hohlraum entsteht durch Ausspülen des Salzgesteins mit Frischwasser. „Wir wollen beim Thema Langfristspeicherung von grünem Wasserstoff von der Theorie in die Praxis gehen“, erläutert EWE-Wasserstoffbotschafter Paul Schneider. Der Zeitplan für den Bau der 500-Kubikmeter-Test-Kaverne zur Speicherung von fünf bis sechs Tonnen Wasserstoff sieht wie folgt aus: Nach dem Baubeginn im Februar dieses Jahres, sollen die Test im Frühjahr 2022 starten. Erste Ergebnisse erwartet Schneider im Herbst 2022. Ein besonderes Augenmerk des Projekts liegt auf dem Reinheitsgrad des Wasserstoffs nach dem Ausspeichern aus der Kaverne. „Dies ist für die Anwendung in der Mobilität eine zentrale Frage“, betont Schneider. Standard für den Einsatz von Wasserstoff in diesem Sektor ist Wasserstoff 5.0, der einen Reinheitsgrad von 99,999 Prozent aufweist.
Zehn Millionen Euro Investition
Das Investitionsvolumen des Projekts mit dem Namen HyCAVmobil beläuft sich auf rund zehn Millionen Euro – vier Millionen stammen von EWE. Die restliche Summe steuert die Förderung aus dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie des Bundesverkehrsministeriums bei. Kooperationspartner von EWE ist das DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg. EWE obliegt dabei die Planung und Umsetzung des eigentlichen Kavernenprojekts, das DLR untersucht die Integration ins Energiesystem und prüft die Qualität des Wasserstoffs nach seiner Ausspeicherung. Mit HyCAVmobil beschreitet man Neuland. Zwar gibt es bereits weltweit Projekte zur Wasserstoffspeicherung, zum Beispiel in den USA oder Großbritannien, weiß der EWE-Wasserstoffbotschafter. Da das Projekt den Fokus auf der sektorübergreifenden Integration von Wasserstoffkavernen hat, was ein flexibles Ein- und Ausspeichern erfordert, setzt man damit „neue Maßstäbe“, sagt Schneider. Zumal ein weiterer Fokus wie gesagt auf dem hohen Reinheitsgrad des Wasserstoffes nach der Ausspeicherung liegt.
Abdichtungen für Wasserstoff
Grundsätzlich ist die Speicherung von Erdgas und Wasserstoff „sehr vergleichbar“, weiß der Wasserstoffexperte. Das ist vorteilhaft, denn so kann die vorhandene Erdgasinfrastruktur mit geringen Modifikationen für den Wasserstofftransport genutzt werden. Bautechnische Änderungen betreffen unter anderem die Rohr-Zementverbindung in der Kaverne, die speziell für Wasserstoff geeignet sein muss. Dies gilt laut Schneider auch für die obertägigen Anlagen.
Unterschiede zum Erdgas gibt es vor allem in der Betriebsweise der Kavernen. Dies liegt vor allem daran, dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff volatiler ist als die stetige Förderung von Erdgas. Weil Kavernen- im Vergleich zu Porenspeichern eine flexiblere Ein- und Ausspeicherung ermöglichen, sind diese besser zur Wasserstoffspeicherung geeignet.
Für die Tests im Rahmen des HyCAVmobil-Projekts ist keine eigene Wasserstoffproduktion vor Ort geplant. Der Wasserstoff wird über Trailer angeliefert. Auf Kundenseite hat man insbesondere die Sektoren Industrie und Verkehr im Blick. Laut Schneider werden dazu auch schon entsprechende Gespräche geführt. Potenzielle Nutzer von Wasserstoff sind Stefan Dohler zufolge auch alle Unternehmen, die sich die Frage stellen, wie sie ihre Geschäftstätigkeit klimaneutral machen können. „Als Energiedienstleister sieht EWE sich dabei in besonderer Verantwortung. Die Energiewirtschaft muss der Industrie und anderen privaten wie gewerblichen Verbrauchern alternative und möglichst CO2-freie Energie anbieten“, betont er.
Die Wertstoffkette im Blick
Als Energieversorger ist EWE unter anderem bereits im Bereich der Energieerzeugung, der großtechnischen Erdgasspeicher- und Transportinfrastruktur aktiv. Damit sieht sich das Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette des Wasserstoffs als Systemintegrator prädestiniert. „Wir können perspektivisch zum Beispiel den Spediteur in der eigenen Region wie auch den Stahlproduzenten rundum mit Wasserstoff versorgen und mit Know-how zur Seite stehen“, unterstreicht Schneider.
Auch in Nordwestdeutschland verfügt EWE über Salzkavernen, die sich perspektivisch zur Speicherung von Wasserstoff eignen könnten. Dabei kann die Dimension der Projekte schnell nach oben gehen, wie Schneider erläutert. Die Forschungskaverne habe mit 500 Kubikmetern etwa das Volumen eines Einfamilienhauses. Dabei sei das Wasserstoff-Speicherungs-Konzept problemlos auf Kavernen mit dem 1.000-fachen Volumen übertragbar. „Ziel ist es, in Zukunft Kavernen mit Volumina von 500.000 Kubikmetern – in denen der Eiffelturm aus Paris Platz fände – zur Wasserstoffspeicherung zu nutzen“, erklärt der EWE-Ingenieur.