Zuckerberg, Musk und Co. unter der Lupe Wie groß ist der Einfluss des Silicon Valley?

Die Studie entlarvt, wie Unternehmen wie Tesla und Meta ihre hehren Ansprüche oft verfehlen und warum wir kritisch hinter die Kulissen des digitalen Kapitalismus blicken müssen.

Bild: iStock, gguy44
07.11.2023

Wie stark beeinflussen die Ideen von Mark Zuckerberg oder Elon Musk die heutige digitalisierte Ökonomie? Ein Wirtschaftssoziologe der Universität Basel hat Reden, Buchbeiträge und Artikel aus dem Umfeld des Silicon Valley analysiert und so einen neuen Geist des digitalen Kapitalismus nachgewiesen.

Welche Rechtfertigung gibt es, viel Geld zu verdienen? Die Calvinisten im 19. Jahrhundert meinten, wirtschaftlicher Erfolg sei ein Zeichen, zu den göttlich Auserwählten zu gehören. Diese Denkweise, die in Genf ihr Zentrum hatte, prägte den liberalen Kapitalismus.

Heute hören sich Rechtfertigungen für wirtschaftliches Handeln anders an. Es geht um Themen wie Flexibilität oder Effizienz. Manche Unternehmer wollen sogar gleich die Welt verbessern. Ihr Credo: Für jedes gesellschaftliche Problem, ob Klimawandel oder Ungleichheit, gibt es eine technische Lösung, mit der sich dann auch ordentlich Profit machen lässt. Diese Haltung wird als Solutionismus bezeichnet.

Wie einflussreich die Idee aktuell ist, wollte der Wirtschaftssoziologe Oliver Nachtwey von der Universität Basel zusammen mit seinem Kollegen Timo Seidl von der Universität Wien herausfinden. Dafür nahmen sie sich unterschiedliche Texte aus dem Umfeld des Silicon Valley vor, dem Hightech-Zentrum an der US-Westküste.

Von der Westküste bis zur Ostküste

Mithilfe eines Machine-Learning-Algorithmus untersuchten die Forscher zum einen die Reden und Buchbeiträge von Leuten wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Tesla-Chef Elon Musk, also der Tech-Elite an der Westküste. Zum anderen analysierten sie Artikel aus dem Magazin „Wired“, das von vielen Tech-Entwicklern und Programmierern gelesen wird. Als dritte Quelle zogen Nachtwey und Seidl Artikel aus dem Ostküsten-Magazin „Harvard Business Review“ heran, das eher von US-Managern gelesen wird und nicht dem Silicon-Valley-Milieu angehört.

Die Wahl der Textquellen erklärt Nachtwey so: „Dass Tech-Entrepreneure wie Zuckerberg solutionistisch argumentieren, war anzunehmen. Wir wollten aber wissen, ob die Ideologie über den exklusiven Zirkel der Silicon-Valley-Elite hinausreicht.“

Für die Studie klassifizierten zunächst mehrere Personen unabhängig voneinander ausgewählte Textabschnitte mit Blick auf die im jeweiligen Paragraphen genannte Rechtfertigung für wirtschaftliches Handeln: hier das Weltverbessern, dort Flexibilität, beim dritten Effizienz und so weiter. Als nächstes berechnete ein Algorithmus den Anteil der jeweiligen Rechtfertigungen innerhalb von mehr als 1,7 Millionen Textabschnitten.

Für die Tech-Elite an der US-Westküste bildet der Solutionismus demnach tatsächlich den wichtigsten unternehmerischen Bezugspunkt. Auch in „Wired“ ist die Idee immer präsenter geworden. Bei der „Havard Business Review“ finden sich dagegen nur schwache Spuren. Das Weltverbesserungsfieber hat also noch nicht alle Bereiche der US-Wirtschaft gepackt. Mit zunehmender Digitalisierung würde es aber immer mehr um sich greifen, so Nachtwey.

Er ordnet die Studie folgendermassen ein: „Wir haben als erste auf breiter Datengrundlage gezeigt, dass im heutigen digitalen Kapitalismus ein neuer Geist entsteht, der eine zentrale unternehmerische Rechtfertigung liefert. Und dieser Geist ist maßgeblich vom Solutionismus beeinflusst.“

Keine echten Weltverbesserer

Diesen schätzt Nachtwey als problematisch ein, weil er demokratische Prozesse geringschätze. Der „große Macher“ Musk etwa halte nichts von Arbeitsschutz und demokratischer Regulierung. Die Folge: In den deutschen Tesla-Fabriken passieren viel mehr Arbeitsunfälle als in vergleichbaren Audi-Fabriken.

Nachtwey kritisiert auch Meta, vormals Facebook: Es behaupte, die Welt zusammenzubringen, lasse aber die Ausbreitung von Fake News zu. „Der Solutionismus bekämpft reale Probleme gar nicht, er ist nur eine ideologische Hülle“, so die Schlussfolgerung. Seine Studie versteht Nachtwey als Kritik an den Selbstdarstellungen der US-amerikanischen Tech-Giganten, „denen wir mit viel Skepsis begegnen sollten.“

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