Direkte Spin-Kontrolle durch polarisierte Ströme Alternative für die Manipulation von Quantenzuständen entdeckt

Links: Einzelne Pentacen-Moleküle (gelb) befinden sich auf der Isolierschicht (blau). Rechts: Elektronen mit parallel ausgerichteten Spins (kleine Pfeile) tunneln von der Wolframspitze (oben) in ein Molekül (unten).

Bild: ETH Zürich / Aishwarya Vishwakarma und Stepan Kovarik
21.06.2024

Die Quantenzustände einzelner Elektronenspins können durch Elektronenströme mit gleichmäßig ausgerichteten Spins kontrolliert werden, so zeigte ein Forschungsteam der ETH Zürich. Diese Methode könnte in Zukunft in elektronischen Schaltelementen eingesetzt werden.

Elektronen haben einen Eigendrehimpuls, den sogenannten Spin, durch den sie sich wie eine Kompassnadel entlang eines Magnetfelds ausrichten können. Zusätzlich zur elektrischen Ladung der Elektronen, die für ihr Verhalten in elektronischen Schaltkreisen entscheidend ist, nutzt man diesen Spin zunehmend, um damit zum Beispiel Daten zu speichern und zu verarbeiten. Auf dem Markt gibt es bereits MRAM- Speicherelemente (magnetic random access memories), die Informationen in sehr kleinen, aber immer noch klassischen Magneten – also mit sehr vielen Elektronenspins – speichern. MRAMs beruhen darauf, dass Ströme aus Elektronen mit parallel ausgerichteten Spins die Magnetisierung an einer bestimmten Stelle eines Materials ändern können.

Dass man mit solchen spinpolarisierten Strömen auch die Quantenzustände einzelner Elektronenspins in einem Molekül kontrollieren kann, zeigen Pietro Gambardella und seine Mitarbeitenden an der ETH Zürich. Ihre Ergebnisse, die sie soeben im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht haben, könnten in Zukunft in verschiedenen Technologien eingesetzt werden, unter anderem zur Kontrolle der Quantenzustände von Quanten-Bits (Qubits).

Tunnelströme in einzelne Moleküle

„Traditionell werden Elektronenspins mittels elektromagnetischer Felder, beispielweise Radio- oder Mikrowellen, manipuliert“, sagt Sebastian Stepanow, Senior Scientist in Gambardellas Labor. Diese Technik, auch als Elektronenspinresonanz bekannt, wurde bereits Mitte der 1940er Jahre entwickelt und wird seitdem unter anderem in der Materialforschung, Chemie und Biophysik eingesetzt. „Dass man Elektronenspinresonanz von einzelnen Atomen anregen kann, wurde zwar schon vor einigen Jahren demonstriert; der genaue Mechanismus dafür war aber bislang unklar“, sagt Stepanow.

Um die quantenmechanischen Vorgänge hinter diesem Mechanismus genauer zu studieren, präparierten die Forschenden Moleküle von Pentacen (ein aromatischer Kohlenwasserstoff) auf einem Silbersubstrat. Auf diesem war zuvor eine dünne Isolierschicht aus Magnesiumoxid aufgebracht worden. Diese Schicht sorgt dafür, dass sich die Elektronen im Molekül annähernd so verhalten wie jene eines Moleküls im freien Raum.

Mit einem Rastertunnelmikroskop charakterisierten die Forschenden zunächst die Elektronenwolken im Molekül. Dabei wird der Strom gemessen, der beim sogenannten quantenmechanischen Tunneln der Elektronen von einer Nadelspitze aus Wolfram zu dem Molekül entsteht. Nach den Gesetzen der klassischen Physik könnten die Elektronen den Spalt zwischen der Nadelspitze und dem Molekül nämlich nicht überwinden, da ihnen dazu die Energie fehlt. Die Quantenmechanik dagegen erlaubt es den Elektronen, dennoch durch den Spalt zu „tunneln“, was zu einem messbaren Strom führt.

Mini-Magnet auf der Nadelspitze

Dieser Tunnelstrom kann spinpolarisiert werden, indem man mit der Wolframspitze zunächst einige Eisenatome aufhebt, die sich ebenfalls auf der Isolierschicht befinden. Die Eisenatome bilden auf der Spitze eine Art Mini-Magneten. Fließt ein Tunnelstrom durch diesen Magneten, so richten sich die Spins der Elektronen im Strom alle parallel zu seiner Magnetisierung aus.

Nun setzten die Forschenden die magnetisierte Wolframspitze einer Gleichspannung sowie einer schnell schwingenden Wechselspannung aus und maßen den dadurch erzeugten Tunnelstrom. Durch Verändern der Stärke der beiden Spannungen sowie der Frequenz der Wechselspannung konnten sie charakteristische Resonanzen im Tunnelstrom beobachten. Die genaue Form dieser Resonanzen wiederum erlaubte es, Rückschlüsse auf die Prozesse zu ziehen, die sich zwischen den tunnelnden Elektronen und denen des Moleküls abspielten.

Direkte Spin-Kontrolle durch polarisierte Ströme

Aus den Daten konnten Stepanow und seine Kolleg:innen zwei Erkenntnisse ableiten. Einerseits reagierten die Elektronenspins im Pentacen-Molekül wie in der gewöhnlichen Elektronenspinresonanz auf das elektromagnetische Feld, das durch die Wechselspannung entstand. Andererseits wies die Form der Resonanzen auf einen zusätzlichen Prozess hin, der ebenfalls den Spin der Elektronen im Molekül beeinflusste.

„Dieser Prozess ist die so genannte Spin-Drehmoment-Übertragung, für die das Pentacen-Molekül ein ideales Modellsystem ist“, sagt Doktorand Stepan Kovarik. Bei der Spin-Drehmoment-Übertragung ändert sich der Molekül-Spin durch den spinpolarisierten Elektronenstrom ohne die direkte Einwirkung eines elektromagnetischen Feldes. Die ETH-Forschenden konnten zeigen, dass auf diese Weise auch quantenmechanische Überlagerungszustände des Molekül-Spins erzeugt werden können, wie sie beispielsweise in Quantentechnologien zum Einsatz kommen.

„Diese Spin-Kontrolle durch spinpolarisierte Ströme auf Quanten-Ebene eröffnet verschiedene Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Kovarik. Im Gegensatz zu elektromagnetischen Feldern wirken die spinpolarisierten Ströme sehr lokal und können auf weniger als einen Nanometer genau justiert werden. Mit solchen Strömen könnten elektronische Schaltelemente in Quanten-Geräten präzise angesteuert und so etwa die Quantenzustände von magnetischen Qubits kontrolliert werden.

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