Outsourcing versetzt Unternehmen in die Lage, hohe Fixkosten in niedrigere variable Kosten umzuwandeln. Dadurch sinkt der Investitionsbedarf, und die Betriebskosten werden reduziert, wobei man aber kurzfristig stets auf einen reichhaltigen Pool an Wissen und Ressourcen zugreifen kann. Der OEM kann das Know-how- und Dienstleistungsangebot genau dann und dort in Anspruch nehmen, wo er es benötigt. Neben finanziellen Vorteilen und der Verbesserung der eigenen Dienstleistungsqualität besteht ein weiterer, entscheidender Vorzug von Outsourcing in einer gesteigerten Termintreue. Das alles erklärt die beeindruckenden Umsatzzahlen, welche die EMS-Branche (Electronics Manufacturing Services) aufweisen kann.
So glänzten die Top-50-EMS-Anbieter nach Untersuchungen des Newsletters"Manufacturing Market Insider" im Vorjahr mit einem beachtlichen Umsatzvolumen von 223,9 Milliarden US-Dollar. Das bedeutet ein Wachstum dieser Untergruppe von 4,8 Prozent, trotz unbestrittener Schwächen im Endabnehmermarkt. Dazu muss allerdings festgehalten werden, dass man ohne den taiwanesischen Branchengiganten Hon Hai Precision und seine noch bekanntere Tochtergesellschaft Foxconn Electronics mit einem Umsatzrückgang von fünf Prozent dagestanden hätte. Denn dieses Unternehmen hat sich mit einem Umsatzanteil von 59 Prozent überragend an der Spitze der Top-50-EMS gesetzt.
Asien führt das Ranking an
Um unter die fünfzig besten Elektronik-Fertigungsdienstleister nach US-Dollar-Umsatz aufgenommen zu werden, waren mindestens 210 Millionen US-Dollar erforderlich(2011: 208 Millionen US-Dollar). Für die Top Ten qualifizierten sich die Unternehmen mit mindestens 2,11 Milliarden US-Dollar(2011: 1,97 Milliarden US-Dollar): Nach Hon Hai folgten Flextronics, Jabil, New Kinpo Group, Celestica, Sanmina, ShenzenKaifa Technology,Benchmark Electronics, Plexus sowie Universal Scientific Industrial.
Das bestplatzierte europäische (und einzige deutsche) EMS-Unternehmen der obigen Liste, Zollner Elektronik in Zandt, Landkreis Cham in der Oberpfalz, liegt auf Platz 13, gefolgt vom Pariser Unternehmen Asteelflash auf Platz 19 und dem Schweizer Unternehmen Enicsauf Platz 24. Insgesamt haben es immerhin elf europäische Auftragsfertiger unter die besten 50 der Welt geschafft, drei französische, die übrigen aus jeweils einem anderen Land. Zollner bietet als Mechatronik-Dienstleister für Electronic Manufacturing Services nach eigenen Aussagen"den kompletten Service rund um‘s Produkt". Dieser umfasst Entwicklung, Materialmanagement, Supply Chain, After Sales Service, Repair Service, Elektronik, Produktion, Mechanik, induktive Bauelemente sowie Module, Geräte und Systeme.
Deutschland stark bei mittleren Stückzahlen
Wie das Beispiel Zollner zeigt, hat sich besonders in Deutschland und Europa die Auftragsfertigung in den letzten fünf Jahren stark gewandelt: In der Produktentwicklung, in der Fertigung mittlerer Stückzahlen, in der hohen Flexibilität und dem tiefen technischen Know-how kann Europa nach wie vor punkten.Viele EMS-Provider bieten inzwischen nicht nur fertigungsnahes Engineering an, sondern unterstützen gleichzeitig die Produktentwicklung oder übernehmen sie in vollem Umfang - entweder über eine eigene Entwicklungsabteilung oder ebenfalls wieder über Partner. Nach wie vor gibt es aber auch hoch spezialisierte Provider; zum Beispiel bietet Intertek ganzheitliche Outsourcing-Lösungen zur Sicherstellung der REACH-Konformität.
Über 35 EMS-Anbieter im ZVEI-Fachverband PCB and Electronic Systems haben sich der im Jahr 2006 gegründeten Dienstleistungsinitiative "Services in EMS" angeschlossen.Sie kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und bieten ihren Kunden einen einheitlichen Dienstleistungsstandard. Dieser wird definiert durch sieben Wertschöpfungsbereiche - Entwicklung, Design, Testkonzept, Materialmanagement, Produktion, Logistik und Distribution sowie After-Sales-Services - sowie dazu gehörenden Modulen und durch festgesetzte Mindeststandards.Die teilnehmenden EMS-Anbieter garantieren, dass sie diese Standards verbindlich einhalten. Im Gegenzug erwerben sie die Nutzungsrechte an einem geschützten Dienstleistungslogo, welches Qualität und Dienstleistungskompetenz signalisiert und die Vertrauensbasis zwischen Kunden und EMS-Providern stärken soll.
Die bevorstehende Productronicawill auch in dieser Hinsicht besondere Akzente setzen:Die gesamte Halle B1 der von 12. bis 15. November 2013 in München stattfindenden Leitmesse für Elektronikfertigung ist den Branchen "Leiterplatten und EMS" gewidmet.Unter den täglich wechselnden Highlight-Segmenten widmet sich der Mittwoch (13.11.2013) in vollem Umfang dem Thema EMS. Dazu organisiert der ZVEI zahlreiche Vorträge. Zum Beispiel soll der Frage nachgegangen werden, ob die Elektronikfertiger mit dem Komplettangebot aus einer Hand - siehe Zollner oben - zum Systemintegrator werden;außerdem: "Führt der Königs- respektive Erfolgsweg in der mitteleuropäischen Fertigung über eine hohe Wertschöpfungstiefe?", sowie "Wird es künftig den klassischen, ausschließlich fertigenden Betrieb nicht mehr geben?".
Lieferantenzahl reduzieren
Im Gegensatz den Zahlen von MMI stimmt die von IHS iSuppli Ende 2012 erhobene Untersuchung "Outsourced Manufacturing Terms, Conditionsand Best Practices Survey" bedenklicher: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) aller weltweiten OEMs - befragt wurden 1.000 Kunden der Elektronik- Versorgungskette, von der Kommunikation über Computer, Consumer und Automotive/Verkehrswesen bis hin zum Industriesegment - planten, im Laufe des Jahres 2013 die Zahl ihrer Kontrakthersteller zu reduzieren. Dahinter steckt angeblich der erhöhte Druck, profitabel zu bleiben und die betrieblichen Tätigkeiten zu rationalisieren. Noch liegen keine Zahlen über den Grad der Umsetzung dieser Pläne vor, doch könnten sie zu einer zahlenmäßigen Verringerung der EMS, der ODM (Original Design Manufacturer) sowie der JDM (Joint Design Manufacturer) im laufenden Jahr führen. Derselben Untersuchung zufolge arbeitet jeder OEM derzeit mit acht ausgelagerten Fertigungspartnern aus den genannten drei Bereichen zusammen.
Es ist allerdings heutzutage nicht mehr unüblich, dass Firmen die Zahl ihrer Lieferanten reduzieren und dafür lieber mehr Dienstleistung und eine tiefere Wertschöpfung von einem Lieferanten einkaufen. Auch auf dem Komponentenmarkt konsolidieren die Einkäufer ihre Lieferquellen in den letzten Jahren immer mehr und konzentrieren sich zunehmend auf wenige Kernlieferanten. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Weniger Lieferanten bedeuten auch weniger administrativen Aufwand und damit weniger Kosten. Das ist laut IHS iSuppli auch der Hauptgrund, warum die OEMs die Zahl ihrer Auftragsfertiger reduzieren möchten.Diese Tendenz könnte zudem dazu führen, dass einige EMS-Anbieter vom Markt verschwinden und dadurch in den nächsten zwölf Monaten die ODMs und JDMs Aufwind bekommen:Weil diese in der Wertschöpfung noch einmal einen Schritt tiefer gehen als ein klassischer EMS-Auftragsfertiger und somit dem OEM mehr Leistung aus einer Hand bieten können. Das gilt indes vor allem für dashochvolumigeConsumerumfeld in Asien. Der EMS-Markt in Deutschland und Mitteleuropa ist deutlich anders strukturiert.
Neue Produkte kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt;globale Beschaffungswege und die unternehmensübergreifenden Logistikketten werden von extremen Marktzyklen mit extremen Ausschlägen beeinflusst. Sie machen im volatilen Markt der Elektronikfertigung Planungszyklen kürzer und schwieriger. Um bei extrem hohen Taktraten gesicherte Prozessergebnisse zu erzielen, Fehlerraten in den unteren ppm-Bereich zu reduzieren sowie bei minimalen Wartungs- und Stillstandszeiten- etwa für das Umrüsten - zuverlässig und mit hoher Bestückungseffizienz zu produzieren, sind Steuerungs-, Fertigungs- und Qualitätssicherungskonzepte erforderlich; lückenlos über Jahre rückverfolgbar. Dies sind die zentralen Herausforderungen der Elektronikproduktion 2020.EMS-Dienstleister benötigen daher leistungsfähige Software, um an Hochpreisstandorten wie Deutschland wettbewerbsfähig zu bleiben und qualitativ hochwertig zu produzieren. An die Bedürfnisse der Elektronikproduzenten in besonderem Maße angepasste Manufacturing-Execution-Systeme (MES) können durch die Unterstützung der beschriebenen Abläufe eine zentrale Rolle für die Elektronikproduktion 2020 spielen. Damit die Fehlerquote im zwei- oder gar einstelligen ppm-Bereich liegt, müssen sie gewährleisten, dass Logistik, Prozess, Qualität und Test optimal aufeinander abgestimmt sind.