Von „Customer Service“ sprechen eigentlich alle Unternehmen. Doch was bedeutet das wirklich? Generell kann man sagen, dass „Customer Service“ alle Dienstleistungen umschreibt, die für einen Kunden vor, während und nach einem Kauf aufgewendet werden. Es stellt sich die Frage, wie im Bereich der Beschaffungs-Dienstleistung ein guter Customer Service aussieht. Bei der Bauteilbeschaffung existieren zwei grundlegende Wege zum benötigten Produkt:
Bestellung bei einem Bauteil-Distributor Bestellung bei einem Beschaffungs-DienstleisterFür langfristige Disposition bei größeren Stückzahlen gängiger Bauteile bietet der Bauteil-Distributor Vorteile; bei kurzfristigem Bedarf (Nachproduktion, Stückzahlerhöhungen, Reparaturfälle, stockender Nachschub „Produktionsstillstand“, Bauteilabkündigungen) ist der Beschaffungs-Dienstleister im Vorteil. In diesem Fall ist jedoch die Auswahl des richtigen Partners von hoher Bedeutung. Leider wird immer wieder der Fehler gemacht, nur auf den angebotenen Preis zu sehen. Dabei wird übersehen, dass ein niedriges Preisangebot meist mit Qualitätsabstrichen bei der Ware und mangelhaftem Customer Service einhergeht.
Bei einer Beschaffungs-Dienstleistung setzt der Customer Service bereits mit der richtigen Bearbeitung einer Kundenanfrage ein. Dies ist ein essentieller Punkt; bereits in diesem Stadium lassen sich Fehler später kaum noch beheben. Am Beispiel eines Beschaffungs-Dienstleisters wird im Folgenden gezeigt, wie sich ein optimaler Customer Service in die Tat umsetzen lässt.
Im Sommer 1994 wurde der Beschaffungs-Dienstleister BSV Bauteilservice für den weltweiten Ein- und Verkauf von elektronischen Bauteilen gegründet. Die Intention war, potentiellen Kunden einen umfassenden Service bei der Beschaffung von elektronischen Bauteilen zu bieten, den es bis dato am Markt nicht gab. Die Grundvoraussetzungen waren vorhanden, nämlich jahrzehntelange Erfahrung in den Bereichen Bauteilbeschaffung, Entwicklung, Baugruppenfertigung sowie Ausbildungen in Betriebswirtschaft und EDV-Hard- und Software. Insbesondere sollte das Verhältnis zu potentiellen Kunden anders sein, als dies bisher üblich war. Hier gab es aus früheren Tätigkeiten diverse negative Erfahrungen mit Bauteilhändlern bzw. -distributoren.
Um den geplanten Ablauf sicherzustellen, hat man diverse Maßnahmen ergriffen. Es wurde ein Qualitätssicherungssystem eingeführt, um alle Abläufe präzise zu beherrschen. Dabei sollte der Weg von einer Anfrage zum passenden Angebot im Regelfall einen Tag nicht überschreiten, möglichst jedoch bereits in wenigen Stunden erledigt sein. Am Anfang steht immer die Bauteilanfrage eines Kunden. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder kommt diese telefonisch oder per E-Mail ins Haus. Oder aber der Kunde nutzt die firmeneigene Homepage. Dort kann er die gesuchte Bauteilbezeichnung direkt eingeben, bekommt sofort die weltweit verfügbaren aktuellen Bestände aus über 40 Millionen Einzelposten angezeigt und kann mit einem weiteren Klick direkt eine Anfrage starten.
Jede eingehende Anfrage wird zunächst auf Plausibilität geprüft, d. h. es wird festgestellt, ob Typenbezeichnung und Hersteller stimmen. Dazu wird in jedem Fall das zugehörige Datenblatt eingesehen. Da in den Anfangsjahren kaum Datenblätter über das Internet verfügbar waren, hat man eine umfangreiche Datenbuchsammlung angelegt, die auch heute noch bei lange abgekündigten Bauteilen gute Dienste leistet. Bei Unstimmigkeiten erfolgt Rücksprache mit dem Kunden.
Nach der Prüfung werden verfügbare Lagerstätten für das Bauteil gesucht. Hierzu nutzt man neben eigener Erfahrung die Mitgliedschaft bei internationalen Datenbanken sowie das Internet. Sollte es für das benötigte Teil keine adäquaten Lagerbestände geben, so definiert man einen passenden Ersatz, der nach Form, Funktion und technischen Daten kompatibel ist, und übermittelt dem Kunden das entsprechende Datenblatt zur Freigabe. Danach wird das letztlich ausgewählte Bauteil bei den potentiellen Lieferanten angefragt.
Anschließend erhält der Kunde das für ihn passende Angebot. Hierbei arbeitet man normalerweise mit festen Aufschlägen, es wird im Gegensatz zur oftmals beklagten „Broker“-Praxis nicht der Versorgungsengpass beim Kunden bis zur Schmerzgrenze ausgenutzt. Die Lieferanten der ermittelten Lagerbestände werden hinsichtlich Zuverlässigkeit geprüft. Hierbei nutzt man sowohl eine eigene Datenbank als auch die Mitgliedschaft im 1995 gegründeten ERAI (Electronic Resellers Association). Die ERAI stellt u. a. eine Datenbank zuverlässiger Lieferanten zur Verfügung, die durch die Mitglieder laufend aktualisiert wird.
Die Lieferantenauswahl ist für BSV besonders wichtig, da im Bereich des internationalen Bauteilhandels die Zahlung per Vorkasse üblich ist und man sicher sein sollte, dass man die bezahlte Ware dann auch mit der erwarteten Qualität bekommt. Es tummeln sich international etliche schwarze Schafe, welche die Zahlung kassieren und dann nicht mehr erreichbar sind (von einer entsprechenden Lieferung ganz zu schweigen).
Nach dem Eingang der Ware wird diese genauestens geprüft. Diese Bauteilinspektion wurde über die Jahre ständig verbessert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Im Zuge der Globalisierung sind große Bereiche der Baugruppenfertigung und des Elektronikrecyclings in den asiatischen Raum abgewandert. Dadurch fallen dort vermehrt Überbestände und ausgelötete Teile an. Es kann zur Vermischung kommen. Dies resultiert vermehrt im Auftreten von aufgearbeiteten, kopierten und gefälschten Bauteilen auf dem freien (so genannten „grauen“) Markt.
Diese Situation stellt für den freien Bauteilhandel naturgemäß eine große Herausforderung dar, weswegen hier die gesamte Erfahrung in die Waagschale geworfen wurde, um ein sicheres Kontrollsystem für den Wareneingang zu entwickeln. Zunächst hat man einen Ablauf entwickelt, der sich weitgehend an die Richtlinien IDEA-STD-1010 bzw. ANSI/ESD S20.20 anlehnt, in denen die Anforderungen an eine zeitgemäße Bauteilinspektion definiert sind. Ebenfalls wurde ein spezielles Testsystem entwickelt, das die Identität und Plausibilität eines Halbleiterprüflings durch Vergleich mit einer eigenen Datenbank oder Original-Vergleichsteilen ermöglicht („elektronischer Fingerabdruck“). Ein weiteres wichtiges Merkmal stellt hierbei eine kurze Durchlaufzeit dar, denn der Kunde möchte möglichst keine Zeitverzögerung bei der Auslieferung seiner Bestellung akzeptieren. Aufgrund der guten Erfahrungen wird der Bauteiltest auch als unabhängige Dienstleistung angeboten.
Nach Durchlauf dieser Maßnahmen ist größtmögliche Gewähr für eine zufriedenstellende Belieferung des Kunden gegeben und die Basis für eine weitere Zusammenarbeit durch besten Customer Service gelegt. Wie man sieht, sind die Herausforderungen an einen Beschaffungs-Dienstleister in der heutigen Zeit höher als noch vor der Globalisierungsphase. Die Ausgestaltung des Begriffs Customer Service kann sehr unterschiedlich und variantenreich sein. Der potentielle Kunde hat die Wahl, er sollte sich seine Lieferanten auch unter diesem Aspekt genau ansehen.