Wer kennt ihn nicht, den Kabelsalat auf dem Konferenztisch: Notebooks, die an das Stromnetz angeschlossen werden; Beamer, die über ein Datenkabel mit dem PC verbunden sind; Smartphones, die noch geladen werden müssen. Dieses Chaos auf dem Tisch soll bald der Vergangenheit angehören. Das ist zumindest der Wunsch von Dr. Christian Hedayat, Leiter der Abteilung Advanced System Engineering des Fraunhofer- Instituts für Elektronische Nanosysteme (ENAS). Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und von der Allianz Industrie Forschung (AiF), haben die Wissenschaftler der Abteilung ASE des Fraunhofer-Instituts ENAS und der Universität Paderborn gemeinsam mit den Firmen Euskirchen Manufaktur, Christmann Informationstechnik und Hotoprint die SUPA-Technologie zur drahtlosen Strom- und Datenversorgung für mobile Endgeräte entwickelt.
Antenne in der Tischplatte
SUPA steht dabei für Smart Universal Power Antenna. Die Grundlage für die Stromversorgung der Geräte ist das Prinzip der elektrischen Induktion: Unter der Tischplatte befindet sich eine aus hauchdünnen Platinenbahnen gebildete Antennenstruktur, die die Sendeeinheit bildet. Nils Tolle, Geschäftsführer des Platinenherstellers Hotoprint: „Die in der Oberfläche des Tisches integrierten Spulen sind extrem flach. Die Materialstärke liegt unter einem Zehntel-Millimeter. In großen Stückzahlen kann die Basistechnik sehr preiswert produziert werden. Das erlaubt die schnelle Verbreitung dieser Infrastruktur.“ Die elektrischen Module können auf bis zu 125 μm dünnem Trägermaterial gefertigt und in die Holzstruktur integriert werden. Die Antenne überträgt sowohl Strom als auch jegliche Daten an das jeweilige mit einem SUPA-kompatiblen Empfängerausgestattete Endgerät, zum Beispiel ein Smartphone oder ein Notebook. Geplant ist auch, ein Adapter zu entwickeln, mit dem auch andere Geräte die SUPA-Technologie nutzen können.
Nachrüstung kritisch
Die Nachrüstung vorhandener Geräte sieht Bert-Ingo Polczynski, Senior Product Manager Displays bei Fujitsu Technology Solutions, allerdings kritisch: „Das wäre im Hinblick auf den Kostenaspekt unsinnig, denn für alle Endgeräte müssten jeweils neue EMV- und Sicherheitstests durchgeführt und neue Zertifikate beantragt werden.“ Fujitsu hatte auf der letztjährigen CeBIT einen PC-Monitor mit SUPA-Technologie als Designstudie vorgestellt. „Bei Möbeln ist eine Nachrüstung mit der SUPA Stromversorgung allerdings machbar - hier arbeiten wir derzeit an entsprechenden Modulen.“
Freie Platzierbarkeit
Die kontaktlose Energieübertragung ist an sich nichts Neues, allerdings erfordern die bisherigen Lösungen in der Regel, dass die zu versorgenden Geräte an einer definierten Stelle stehen, sonst fließt nicht genügend Strom. Mit dem SUPA-System kann dagegen die komplette Möbeloberfläche versorgt werden. „Die Antennenstruktur ist so ausgelegt, dass die Daten und Stromflüsse ausschließlich an den Punkt der Empfangsantennen geleitet werden, d. h., es wird immer nur der Teil der Antenne aktiviert, an dem tatsächlich ein Endgerät positioniert ist“, so Volker Geneiß vom Fraunhofer ENAS. So kann der Nutzer sein Endgerät an jeder beliebigen Stelle des Tisches positionieren - die Stromversorgung ist garantiert. Welche Leistung dabei auf welcher Fläche übertragen werden kann, ist abhängig von der Anwendung: „Zur Zeit haben wir ein System, das bis 30 Watt Leistung überträgt. Wir arbeiten daran, diese Leistung auf rund 50 Watt zu erhöhen“, wie Maik-Julian Büker von der Universität Paderborn erklärt. Dabei ist - das zeigen zumindest erste Versuche mit einem Mobiltelefon - eine Störung von anderen Geräten ausgeschlossen, selbst wenn sie auf den Tisch gelegt werden. „Es müssten aber alle Arten von IT-Geräten geprüft werden“, so Prof. Ulrich Hilleringmann von der Universität Paderborn.
Strahlungsarm und abhörsicher
Neben dem Ende des Kabelsalats bringt die SUPA-Technologie noch weitere Vorteile: „Durch eine intelligente Ansteuerung der Sendeantennen können die elektromagnetischen Emissionen deutlich verringert werden“, erläutert Maik-Julian Büker. Die Wissenschaftler haben die Reichweite für Daten- und Energieübertragung dabei bewusst auf rund 5 cm minimiert: Zum einen ist die Strahlenbelastung auf diese Weise sehr gering, zum anderen wird die Abhörsicherheit der Datennetzwerke verbessert. Die zur Datenübertragung erforderlichen Breitbandantennen von 2 bis 10 GHz sind in die Sendestruktur integriert. Das maximal übertragbare Datenvolumen hängt vom integrierten Standard ab, also ob WLAN, Zigbee oder BlueTooth eingesetzt wird.
Monitor beweist Praxistauglichkeit
Der von Fujitsu im letzten Jahr gezeigte Monitor hat bewiesen, dass die Technologie funktioniert. Den Strom hat der 22-Zoll-Monitor aus der im Tisch eingebauten Transmitterantenne bezogen, die Daten wurden allerdings noch mit Wireless USB übertragen. Der Bildschirm zeigte selbst dann noch ein Bild, als er leicht hochgehoben wurde, also nicht mehr in Kontakt mit dem Tisch war. „Wir gehen von einem Marktstart für kabellose Monitore Ende 2012 aus“, so Bert-Ingo Polczynski. „Da die SUPA-Technologie im vergangenen Jahr noch in der Forschungsphase war, gilt es, vor einer Markteinführung noch bestimmte technische Spezifikationen abzuklären. Das war auch der Grund, warum wir das kabellose Display 2011 noch als Design- bzw. Technologiestudie vorgestellt haben. Wir arbeiten an einem neuen Muster, das sich nochmal deutlich von dem auf der CeBIT 2011 gezeigten Modell abheben wird.“ Neben Fujitsu sucht das Konsortium nun weitere Anwender für die Technologie: „Wir haben einige sehr wichtige Kontakte mit renommierten Firmen aufgebaut, die gerade die Einsatzbarkeit von SUPA in ihren Produkten prüfen“, so Dr. Hedayat.
Vielseitig einzusetzen
Noch ist das System nicht marktreif, aber die Entwickler trauen ihrer Technologie ein großes Potential zu: „Wir sehen die Einsatzmöglichkeiten nicht nur auf Konferenztische beschränkt: Auch der Schreibtisch oder der Tisch in der Hotellobby sind für SUPA prädestiniert. Und warum sollte nicht auch der kleine Tisch im Reisezug eine integrierte kabellose Strom- und Datenversorgung haben“, meint Wolfgang Christmann, Geschäftsführer der gleichnamigen Technologieschmiede aus Niedersachsen. Dass die SUPA-Technologie praktisch überall angewandt wird, sei es in Tischplatten oder auch in Bodenbelägen, ist die Vision der Forscher. Jörg Euskirchen, Inhaber der Euskirchen Manufaktur: „SUPA hat die Chance, zum neuen Standard für die von Kabeln befreite Infrastruktur für mobile Endgeräte zu werden. Es gibt eine unabhängige Markstudie, die darauf hinweist, dass sich die Anzahl der jährlich per Induktion geladenen Geräte bis 2020 vertausendfachen soll!“